DFB:Der Mann, der die Zukunft des deutschen Fußballs lenkt

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"Wenn man den Jungen Vertrauen schenkt, zahlen sie es zurück": Meikel Schönweitz, Cheftrainer der deutschen U-Nationalteams. (Foto: Oliver Killig/dpa)
  • Meikel Schönweitz - gerade mal 38 und kaum in der Öffentlichkeit bekannt - ist einer der einflussreichsten Männer im DFB.
  • Als sportlicher Leiter ist er inzwischen für den gesamten DFB-Nachwuchs bis zur U21 zuständig.
  • Nach der verkorksten WM in Russland hat er sich nun auf die Suche nach einem neuen Spielertypus gemacht.

Von Leon Wohlleben, München

Meikel Schönweitz ist jemand, der sich gerne daran erinnert, wo er herkommt. Lässt sein Job ihm die Zeit, was nur selten der Fall ist, dann fährt er nach Geinsheim in Hessen. Dorthin, wo er selbst den Fußball lieben lernte, ihn studierte und im Alter von 14 Jahren als Trainer ein Jugendteam übernahm. Dort, wo heutzutage die erste Mannschaft des SV 1907 Geinsheim in der achten Liga kickt und die Spieler nie ein Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) von innen gesehen haben.

Diese "Besuche an der Basis", wie Schönweitz die Heimatausflüge nennt, macht er immer wieder, um nicht den Blick auf den Amateurfußball zu verlieren. Doch eigentlich ist Schönweitz' Geschäft das komplette Gegenteil. Er lenkt nichts Geringeres als die Zukunft des deutschen Fußballs. Das mag übergroß und wenig konkret klingen. Und dennoch ist dieses Thema nach dem krachenden WM-Aus in Russland für Schönweitz gegenwärtig wie noch nie.

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Sportdirektor Hansi Flick lotst Schönweitz zum DFB

Innerhalb von etwas mehr als vier Jahren ist Meikel Schönweitz - gerade mal 38 und kaum in der Öffentlichkeit bekannt - einer der einflussreichsten Männer im DFB geworden. Dabei war Schönweitz bis 2014 noch ein gewöhnlicher Jugendtrainer bei Mainz 05. Seine Erfolge mit der U17 waren achtbar, aber nicht herausstechend. Doch dahinter steckte mehr. "Wenn er seine Teams gecoacht hat, war seine klare Handschrift zu sehen". sagt Volker Kersting, Leiter des Mainzer NLZ, über seinen einstigen Kollegen. Und dann rief der damalige DFB-Sportdirektor Hansi Flick an.

Plötzlich hatte Meikel Schönweitz das Angebot auf dem Tisch, als U15-Trainer beim DFB anzufangen, und noch ehe er richtig beginnen konnte, bot Flick ihm mehr an. So wurde Schönweitz zusätzlich eine Art Assistent des Sportdirektors als sportlicher Leiter der U15 bis U17 - ein Moderator, der nicht nur mit dem DFB-Nachwuchs in den entsprechenden Altersklassen kommunizierte, sondern auch mit Vereinen, Scouts und Landesverbänden. Seitdem stapeln sich bei Schönweitz jedes Jahr die neuen Arbeitstitel. Als sportlicher Leiter ist er inzwischen für den gesamten DFB-Nachwuchs bis zur U21 zuständig. Auch als Trainer ist Schönweitz aufgestiegen: Heute betreut er die U20 Deutschlands.

An einem Montag Anfang November trifft Schönweitz in einem Hotel im Münchner Osten ein. Zeit zu haben, um mit ihm zu reden, ist derzeit eher eine Ausnahme, die restlichen Wochen sind voller Termine. Zu verhandeln gilt es die Nachwehen der WM 2018 - der DFB schüttelt sich wie seit dem legendären Umbruch zur Jahrtausendwende nicht mehr. Und Schönweitz bekommt es in seiner Doppelfunktion als U20-Trainer und Funktionär zu spüren.

Seit langer Zeit schon ist Schönweitz überzeugt davon, dass sich im Nachwuchsfußball in Deutschland etwas ändern muss. Als Mehmet Scholl vergangenes Jahr kritisierte, dass junge Spieler zu sehr auf Linie getrimmt würden und "18 Systeme rückwärts laufen und furzen" könnten, stimmte Schönweitz ihm - zumindest inhaltlich - zu. Es brauchte allerdings erst die verzweifelten Auftritte der Nationalmannschaft in Russland, um wirklich ein Umdenken in Gang zu setzen.

Aktuell tourt Schönweitz durch die Republik, um sich mit den Vertretern der Vereine auszutauschen. Es geht um neue Ideen in der Ausbildung, bei der Deutschland lange die Weltspitze mit den Spaniern besetzte, sich zuletzt aber in ein paar falschen Prinzipien verirrte. "Wir müssen ein paar größere Einschnitte machen, können es aber nicht als DFB für alle Institutionen vordiktieren", sagt Schönweitz. "Im Moment versuchen wir mit allen Einflussgrößen im Fußball zu reden und gemeinsame Lösungen zu finden."

Worauf man sich innerhalb des DFB bereits einigen konnte, ist die Suche nach einem neuen Spielertypus. "Zu viele Hürden" habe man den Nachwuchsspielern bislang "aus dem Weg geräumt", sagt Schönweitz. Zu wenig wurde die Eigenständigkeit auf und neben dem Platz betont. So suche man jetzt in den DFB-Teams "nach solchen Mentalitätstypen, die vielleicht sportlich und technisch nicht so stark sind wie andere. Die aber mit ihrer Entschlossenheit die Mitspieler stärker machen".

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Schönweitz hat Kai Havertz und Arne Maier ausgebildet

Schönweitz findet, dass man bei aller aktuellen Kritik aufpassen müsse, "dass wir den Jungs nicht das Gefühl vermitteln, sie wären eine schlechte Generation". So haben gerade zwei Spieler aus Schönweitz' 1999er-Jahrgang ihren Förderer weit überholt: Arne Maier und Kai Havertz drängen bereits in die U21 (Maier) oder gar die A-Elf (Havertz). Aber auch für Schönweitz selbst könnte es noch weiter nach oben gehen: Intern ist er schon zum Chef-Philosophen aufgestiegen, was er wohl dem zwischenzeitlichen Misserfolg der Frauen-Nationalelf zu verdanken hat. Als im März Bundestrainerin Steffi Jones entlassen wurde, musste Horst Hrubesch als Übergangslösung einspringen und seine Rolle als Mentor aller Nationalmannschaften ruhen lassen. Spontan trat Schönweitz dieses Erbe an, und nun liegt die Frage nach dem sportlichen Leitbild im DFB in seinen Händen.

Anfang des kommenden Jahres wird der Posten als Chef-Mentor der Nationalmannschaften, den der scheidende Hrubesch inne hatte, offiziell neu vergeben. Schönweitz ist der aussichtsreichste Kandidat für den Posten, den er ohnehin seit Monaten ausübt.

© SZ vom 16.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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