Dritte Liga:Sechzig kann noch verlieren

Lesezeit: 3 min

Jesper Verlaat und Tim Rieder (im Vordergrund) hadern mit dem Spiel gegen Ulm. (Foto: Mladen Lackovic/Imago)

Die Münchner Löwen bieten den Ulmern einen bitteren Kampf, hadern mit dem Schiedsrichter und werfen sich in Unterzahl in die Schüsse - dennoch reißt ihre Erfolgsserie. Der heimliche Traum vom Aufstieg ist erst mal vorbei.

Von Christoph Leischwitz

Tim Rieder sagte nach dem Spiel einen Satz, mit dem er am Samstagnachmittag vielen Anhängern aus der Seele gesprochen haben dürfte: "In mir hat's gebrodelt." Der 30-Jährige spielt im defensiven Mittelfeld seit neun Partien, aber mit vier gelben Karten, und gerade am kommenden Freitag bei Dynamo Dresden will er natürlich unbedingt dabei sein. So kam es, dass er in der 64. Spielminute sich irgendwie beherrschte und den Deckel auf dem Topf ließ.

Doch es fiel ihm schwer. Rieder war Sekunden zuvor gefoult worden, lag am Boden und konnte einen Gegenangriff nicht verhindern. Sein Mitspieler Marlon Frey tat das dann regelwidrig und sah die rote Karte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der TSV 1860 München in einem intensiven Spiel gerade die Oberhand, musste sich nun aber aufs Verteidigen konzentrieren. Das wiederum schien zu gelingen, die Fans feierten schon ein hart erkämpftes 0:0, doch dann riss die Serie von acht Partien ohne Niederlage unter Trainer Argirios Giannikis doch noch: In der dritten Minute der Nachspielzeit köpfelte Lucas Röser nach einer Ecke den Siegtreffer für den SSV Ulm - zwei Minuten zuvor war er eingewechselt worden.

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"Wir haben mit zehn Mann alles verteidigt, wir haben uns in die Bälle geschmissen, und dann verlierst du durch so ein sch... Standardtor", sagte der vor Wut brodelnde Rieder. Der Funke dieses Spiels war auf die Tribünen übergesprungen, auch dort ging es hoch her. Doch nach dem 0:1 der Gäste wurde es still in der Westkurve, die Ulmer Anhänger rasteten aus vor Freude - und feierten nach Schlusspfiff sogar den Sprung auf den zweiten Platz der dritten Liga.

Sechzig unter Giannikis ist also doch schlagbar. Aber, und so hielt es auch Kapitän Jesper Verlaat hernach fest, "da muss schon einiges zusammenkommen". Die formstarken Max Reinthaler und Julian Guttau fehlten verletzt und erkrankt, Sekunden vor dem Spiel übergab sich Rechtsverteidiger Kilian Ludewig, sodass Giannikis erneut umstellen musste. Dann gab es auch schon sehr früh eine andere strittige Szene.

Für die Löwenfans auf den diesmal wieder wirklich vollen Rängen wurde in der 18. Minute der Schiedsrichter zum Buhmann: Kapitän Jesper Verlaat hatte nach einem Eckball ins Tor geköpfelt, der Unparteiische Tom Bauer aber pfiff wegen eines angeblichen Fouls von Mansour Ouro-Tagba die Szene zurück. "Mansour meint, es war kein Foul", erzählte Rieder hernach, "er war unser Blockspieler und stand im Weg, so wie es im Fußball vorkommt." Auch Trainer Giannikis zeigte wenig Verständnis für den Pfiff: "Das ist normal im Sechzehner, das machen die Ulmer Spieler auch", fand er.

Trainer Giannikis setzt auf Tempo - er hat ja Sprinter wie Abdenego Nankishi

Bei der zweiten Riesenchance der Sechziger zeigte sich, warum Giannikis so gerne auf Schnelligkeit in der Offensive setzt: Nach einem präzisen weiten Ball ließ Abdenego Nankishi im Sprint zwei Gegenspieler hinter sich, scheiterte aber im Eins-gegen-eins an Ulms Torwart Christian Ortag (25.). Auf Schnelligkeit setzt Giannikis aber auch in der Abwehr, und dort hatte er diesmal viel zu improvisieren, denn Ludewig wurde kurzfristig durch Kilian Kurt ersetzt. Als Kurt nach einer gelben Karte und einem weiteren Foul schon nach 29 Minuten vorsichtshalber ausgewechselt wurde, wählte Giannikis Schnelligkeit über Positionstreue: Linksverteidiger Fabian Greilinger gab nun den Rechtsverteidiger. Er machte seine Sache gut, gegen Ende warf er sich besonders leidenschaftlich in die Bälle.

Die rote Karte für Marlon Frey hätte man auch als taktisches Foul mit Gelb ahnden können - so hatte es zum Beispiel auch der verletzte Max Reinthaler auf der Pressetribüne gesehen. Giannikis aber, ohnehin in der aufgewühlten Stimmung im Grünwalder Stadion mal wieder ein ruhender Pol, fand Freys Aktion unnötig und die Entscheidung des Schiedsrichters vertretbar. "Es war eigentlich nicht nötig, so einzusteigen", man wäre in der möglichen Kontersituation in Überzahl gewesen.

Mit einem Sieg gegen den Aufsteiger, der sich anschickt, gleich noch mal aufzusteigen, wäre für die Sechziger ein Spitzenplatz in der Tabelle nicht mehr fern gewesen. Schon am Freitag besteht aber noch einmal die Möglichkeit, sich heranzutasten, im Spiel beim schwächelnden Aufstiegsaspiranten Dresden. Die Brust, sagt Kapitän Verlaat, sei nach dem Spiel immer noch sehr breit.

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