TSV 1860 München:Eingestürzt wie ein Kartenhaus

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Fabian Greilinger traf im Stile eines Stürmers mit dem Kopf - allerdings ins falsche Tor. (Foto: Bernd Feil/Imago)

Nach hübsch anzusehendem Auftakt und früher Führung gibt der TSV 1860 beim 1:2 gegen Aufsteiger Lübeck das Spiel aus der Hand. Ausgerechnet ein Eigentor eines Routiniers leitet die Wende ein.

Aus dem Stadion von Korbinian Eisenberger, München

In der Tegernseer Landstraße 96 werden sie demnächst den Namensschriftzug "Riffraff" von der Fassade herunternehmen und ersetzen. Der TSV 1860 München übernimmt die Kultkneipe und formt sie zum neuen Vereinsheim der Löwen, wie es unlängst auf der Klubwebseite hieß. "Zum 60er" könnte dort bald stehen, wahlweise auch "Löwengruam", angelehnt an einen altertümlichen Ort, an dem sich die Gegner höflich gesagt eher unwohl fühlen sollten. So, wie - aus Löwen-Sicht - idealerweise auch im heimischen Grünwalder Stadion.

Zwei Siege hatte die nahezu runderneuerte Fußballmannschaft der Sechzger zum Saisonstart eingefahren, im dritten Drittligaspiel gegen Lübeck setzte es am Dienstagabend die erste Niederlage. Beim 1:2 (1:2) in der Giesinger Arena war zu erkennen, dass das neu zusammengestellte Löwenensemble mehr noch einem unfertigen Puzzle ähnelt als einem formvollendeten Mosaik. Oder wie es 60-Kapitän Jesper Verlaat nach Spielschluss zusammenfasste. "Nach dem 1:0 sind wir passiv geworden."

TSV 1860 München
:Zweimal Zwarts

Mit einem 3:0 in Duisburg übernehmen die Sechziger in der dritten Liga vorübergehend die Tabellenführung - dank ihres neuen Angreifers, der zwar ganz sicher kein Landkartenzeichner ist, aber mühelos den Weg zum Tor findet.

Von Korbinian Eisenberger

Im mit 15 000 Zuschauern ausverkauften Stadion begegneten sich zwei Teams, deren jüngere Historie kaum unterschiedlicher sein könnte. Der TSV 1860 hatte seine Belegschaft nahezu komplett ausgetauscht, der Kader ist verglichen mit der Vorsaison nach 18 Weg- und 13 Zugängen kaum wiederzuerkennen. Lübeck indes war im Mannschaftskern weitestgehend unverändert in diese Spielzeit gestartet. Neu ist für die Schleswig-Holsteiner vor allem die Zugehörigkeit zu Liga drei, als Folge eines Aufstiegs.

In der Architektur des 1860-Trainers Mauricio Jacobacci hatte zu Saisonbeginn noch eine Turmspitze gefehlt, oder besser: eine Sturmspitze. Diese Planstelle ist inzwischen vergeben, der Niederländer Joël Zwarts traf bei seinem Debüt in Duisburg (3:0) doppelt, was ihm am Dienstagabend eine namentliche Begrüßung vom Stadionsprecher und Jubel auf den Rängen bescherte.

Was dann geschah, konnten sich wohl die wenigsten im Stadion erklären

Es sah nun so aus, als würden sie in Giesing genau wegen dieses Niederländers auch diesmal kaum rauskommen aus Gejohle und Lobhudelei: In der zweiten Minute steckte Löwen-Linksaußen Julian Guttau für Zwarts durch, der sofort abzog, doch VfB-Keeper Philipp Klewin lenkte den Ball noch an den linken Innenpfosten. Wenig später leitete Guttau abermals einen Löwenangriff ein, bekam den Ball über einen Lübecker zurück und schoss ihn zum 1:0 über die Linie (11.). Wieder so ein feiner Auftritt der Löwen?

Was dann geschah, konnten sich wohl die wenigsten im Stadion erklären. Die Sechziger verbuchten nun zwar ihr siebtes Saisontor, allerdings ging der Schuss diesmal nach hinten los, oder besser, der Kopfball: Lübecks Tarik Gözüsirin hatte eine Ecke über 1860-Kapitän Jesper Verlaat gezirkelt, fünf Meter dahinter landete der Ball bei Fabian Greilinger. Und der köpfelte ihn - tatsächlich unbedrängt und im Stile eines Stürmers - ins Toreck seines Keepers Marco Hiller (25.). "Niemandem ein Vorwurf, das kann passieren", sagte Verlaat. "Aber wir haben danach nicht die richtigen Schlüsse gezogen."

Greilinger ist der einzige, der im letzten Spiel der vergangenen Saison beim 2:2 in Zwickau in der Startelf der Löwen gestanden hatte. An ihm alleine, dem wenn man so will einzig Standhaften, lag es aber gewiss nicht, dass die Jacobacci-Elf nun einbrach wie ein Kartenhaus. Diesen Umstand nutzte abermals Gözüsirin, der den Ball kurz vor der Grasnabe direkt abnahm und zum 2:1 ins Toreck beförderte (31.).

Nach der Pause waren Angriffsbemühungen der Sechziger identifizierbar, mehr aber kaum. Es ließ sich vielmehr erkennen, dass die Jacobacci-Elf offenbar nicht sonderlich gut und gerne gegen dichte Abwehrriegel anläuft, wie ihn nun die Lübecker aufboten. "Wir haben versucht, mehr spielerische Mittel anzuwenden und dominanter zu sein", erklärte Coach Jakubacci. "Aber nach vorne sind einfach zu wenige Situationen gewesen." Als "Löwengruam" entpuppte sich das Sechzgerstadion an diesem Dienstagabend so eher weniger. Vielleicht holten das die Anhänger später am Abend in einer kleinen Boazn in der Tegernseer Landstraße nach.

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