1. FC Nürnberg:Das bleierne Gekicke ist passé

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Doch noch das Siegtor: Tim Handwerker trifft per Elfmeter. (Foto: Daniel Marr/Sportfoto Zink/Imago)

Der Club sorgt im Gegensatz zur letzten Saison für hohen Unterhaltungswert - und unterstreicht beim 2:1 gegen Wehen Wiesbaden, dass der neue Schwung erfolgreich sein kann.

Von Christoph Ruf

Nein, von Euphorie sollte man nach diesem Nachmittag nicht sprechen. Nicht im als, nun ja, extrem realistisch geltenden Umfeld des 1. FC Nürnberg. Nicht nach einem vierten Spieltag in der zweiten Liga. Und nicht nach einem 2:1-Sieg gegen einen Aufsteiger. Einerseits. Andererseits herrschte aber im Frankenstadion schon eine ziemlich gute Stimmung nach diesem ereignisreichen und durchaus ansehnlichen Nürnberger Sieg gegen den SV Wehen Wiesbaden, an dessen Ende nun in der saisonalen Zwischenbilanz sieben Punkte stehen. Was nun wirklich keine schlechte Bilanz ist für ein Team, das vor der Saison sehr bewusst keine hochtrabenden Ziele ausgelobt hat.

Jan Gyamerah, der den ersten Nürnberger Treffer erzielt hatte, wirkte dann auch recht zufrieden, als er als erster Club-Spieler mehr als eine halbe Stunde nach Schlusspfiff vor die Mikrofone kam. "Das fühlt sich super an", bilanzierte der Verteidiger, "auch wenn es vorher eine echte Achterbahnfahrt der Gefühle war." Überhaupt schien Gyamerah nicht nur mit dem Ergebnis, sondern auch mit dem Großen und Ganzen zufrieden zu sein - also mit Trainer Cristian Fiel. Und mit der Art und Weise, wie der Fußball spielen lassen will. Nämlich aktiver und dominanter, als das in den vergangenen Jahren meist der Fall war: "Wir kommen jetzt mehr über den Ballbesitz und sind alle sehr zufrieden mit der Konstellation, wie sie gerade ist."

Tatsächlich ist es ja ein Nürnberger Etappenziel, die Art und Weise des Auftretens bei Heimspielen zu verändern. Dass der Club im Gegensatz zum meist ausgesprochen bleiernen Gekicke der Vorsaison wieder versucht, Fußball zu spielen, ist dann auch eine gute Nachricht. Bei aller Fehlerhaftigkeit, die das Nürnberger Passspiel besonders im ersten Durchgang dabei hatte - allein dass es überhaupt wieder eines gibt, dürfte schon viele Club-Fans zufrieden stellen. Am Sonntag kam noch eine kollektive Widerborstigkeit dazu, die Fiel nach dem Spiel als eigentlich entscheidenden Faktor bezeichnete: "Solange wir die Möglichkeit haben, etwas am Ergebnis zu basteln, wollen wir das versuchen."

Gegen den starken, gut organisierten und zielstrebig konternden Aufsteiger, der mit sieben Punkten aus drei Partien angereist war, gelang diese Bastelei. Trotz 30 Minuten Unterzahl. Und trotz eines Rückstandes, den der Club innerhalb von acht Minuten drehte. Nachdem - es hatte schließlich schon lange keine gelb-rote Karte mehr gegeben - Wiesbaden nur noch zu neun war (Martin Angha/85.) startete der Club sogar noch eine regelrechte Schlussoffensive.

Dass sich überhaupt ein solch munteres Spiel entwickelte, war indes einigermaßen überraschend, zeigten sich anfangs doch beide Mannschaften wild entschlossen, jeden gegnerischen Angriff sofort durch ein Foul zu unterbinden. Schiedsrichter Martin Pedersen hatte dementsprechend kaum eine andere Chance, als fünf gelbe, eine gelb-rote und eine rote Karte zu zeigen - allein in der ersten Halbzeit. Dem erst im Sommer aus Wiesbaden gekommenen Nürnberger Ahmet Gürleyen waren nur elf Minuten Einsatzzeit vergönnt, Wiesbadens Hyun-Ju Lee immerhin 40, dann musste auch er vom Feld.

Insgesamt hatten die hochaufgeschossenen Gäste allein im ersten Durchgang drei Kopfballchancen, ehe die vierte zum Nürnberger Gegentreffer durch Wiesbadens Ivan Prtajin führte (55.). Das und die Tatsache, dass Lukas Froese kurz vor Halbzeit im Strafraum ungedeckt abschließen konnte, dürfte beim Club Thema der Nachbesprechung zu Beginn dieser Woche sein - genau wie der Umstand, dass die Nürnberger Spieler im ersten Durchgang fahrlässig oft in der Nähe des eigenen Strafraums foulten.

Was folgte, war dann allerdings eine zweite Halbzeit, die die meisten der über 25 000 Nürnberger Fans glücklich nach Hause gehen ließ. Zehn Ecken holte der Club insgesamt heraus, kam durch Gyamerah zum Ausgleich (69.) und schließlich durch einen von Tim Handwerker verwandelten Handelfmeter zum Siegtreffer (77.), ehe Handwerker und Daichi Hayashi in der Nachspielzeit den dritten Treffer auf dem Fuß hatten.

Nach dem Schlusspfiff, als so etwas wie kollektive Glückseligkeit im Frankenstadion herrschte, wurde dann prompt das nächste Heimspiel besungen. Insofern war es dann vielleicht doch so etwas wie Euphorie, das dieser 2:1-Sieg gegen den SV Wehen-Wiesbaden ausgelöst hatte. Denn mit Optimismus haben die Clubfans dem fränkischen Derby gegen die SpVgg Greuther Fürth in den vergangenen Jahren wirklich nur sehr selten entgegengesehen.

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