271. Frankenderby:Irdisch, aber bemüht

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Umkämpftes Nachbarschaftsduell: Nürnbergs Florian Hübner wird vom Fürther Stürmer Tim Lemperle abgegrätscht. (Foto: Wolfgang Zink/Sportfoto Zink/Imago)

Der 1. FC Nürnberg findet nur mit Verspätung ins Traditionsduell gegen Fürth, das seine frühe Führung nicht ins Ziel bringt. Das 1:1 hilft keinem Team so wirklich weiter, die Fans haben trotzdem Spaß.

Von Christoph Leischwitz

Der Fußball-Olymp befindet sich sicherlich nicht in unmittelbarer Nähe von Tabellenplatz elf der zweiten deutschen Bundesliga, aber am vergangenen Freitagabend war das mal wieder egal. Eine imposante Choreografie in der Nordkurve des Max-Morlock-Stadions zog den Nürnberger Verein und dessen Spieler mit Bildern von Zeus oder Athene und den Sätzen "von allen verehrt, von allen vergöttert" auf eine mythische Ebene. Es war eben mal wieder Derby, Club gegen Kleeblatt, Auflage Nummer 271 - da darf es auch mal eine Nummer größer sein. Das erste dieser Duelle fand im Jahr 1904 statt, das zumindest kann man getrost in der Fußball-Antike verorten.

Doch nur mal angenommen, es handele sich tatsächlich um Götter da unten auf dem Rasen, dann mussten diese doch ziemlich verrückt sein. Vielleicht waren sie schlicht auch beeindruckt davon, was die Menschen da auf die Tribüne vor dem Anpfiff gezaubert hatten, Nürnbergs Trainer Cristian Fiél jedenfalls mutmaßte das - er wusste auch nach Schlusspfiff noch nicht, was da in der ersten Halbzeit eigentlich losgewesen war mit seiner Mannschaft. Es reichte nur zu einem 1:1; von den jüngsten sieben Spielen gegen Fürth hat der Club nur eines gewonnen, und aktuell hilft der Punkt auch nichts, um in der Tabelle endlich einmal nach oben schielen zu können. Trotzdem: keine Pfiffe, viel Zuspruch, die Stimmung in Nürnberg könnte gerade wirklich schlechter sein. "Gratulation an die Zuschauer", sagte sogar der beeindruckte Gästetrainer Alexander Zorniger, "das war ein hochenergetisches Spiel".

Fiél wusste, warum die Besucher nicht böse waren. "Ich glaube, dass die Leute sich die Spiele angucken und denken: Junge, die versuchen! Die holen einen Rückstand auf! Die geben nicht auf! Ich glaube, das honorieren sie." Fiél hat es offensichtlich geschafft, eine hochmotivierte Einheit zu formen, und eines der mittelfristigen Ziele, das man sich beim jüngst oft enttäuschten Club gesetzt hat, wird damit erfüllt: Die Mannschaft ist noch nicht erfolgreich, aber immerhin liefert sie jetzt oft ein Spektakel ab. Das Spiel mit Ball wirkt bisweilen, als wolle man beim Toreschießen auch noch einen Temporekord aufstellen, wie Staffelläufer, die sich statt eines Stabs den Ball übergeben. Dafür greift der 43-jährige Trainer auf viele junge Spieler zurück und erklärt auf Nachfrage lapidar, dass es bei ihm kein Alt oder Jung gebe. So saß am Freitag auch der 21-jährige Angreifer Julian Kania auf der Bank, dafür wurde der erfahrene Christoph Daferner aus dem Kader gestrichen. Erstmals verfügt Fiél über einen fast kompletten Kader. Die Personalentscheidungen fielen ihm sehr schwer, räumte er ein.

Fürth will die Gegner stressen - und hat dafür seit Freitag auch noch den Rückkehrer Niko Gießelmann zur Verfügung

Durch das schnelle Spiel entstehen viele intensive Momente, die das Publikum abholen. Es ist fast immer etwas los auf dem Rasen. In Spielen mit Nürnberger Beteiligung kommt es relativ häufig zu Platzverweisen (gegen Fürth fehlte deshalb Nürnbergs Stammkeeper Christian Mathenia gesperrt) oder auch umstrittene VAR-Situationen. Diesmal zugunsten des Clubs: Can Uzun durfte kurz vor dem Halbzeitpfiff einen Foulelfmeter zum Endstand verwandeln, weil Schiedsrichter Robert Hartmann vom Videoschiedsrichter auf eine vermeintliche Fehlentscheidung aufmerksam gemacht wurde. Ob man beim Zweikampf zwischen Fürths Orestis Kiomourtzoglou und Nürnbergs Florian Hübner wirklich von außen eingreifen musste, das wissen die Götter. Zur Fürther Führung hatte Damian Michalski in der achten Minute per Kopf getroffen.

Insofern war das Remis für den Club trotz all der Rennerei am Ende auch glücklich, schließlich gelang ihm aus dem Spiel heraus kein Treffer. Es sind sowieso nach sechs Ligaspielen erst neun. Beim Versuch, schön zu spielen, passieren schlicht noch zu viele Fehler. Fiél hätte gerne etwas mehr geordnetes Spektakel: "In der zweiten Halbzeit haben wir das auf den Platz gebracht, was wir wollten. Allerdings war mir da zu viel Schlagabtausch", sagte er. Defensiv sei man immer noch zu spät am Mann, "und das ärgert mich". Und offensiv gelingt oft eben auch noch kein Feuerwerk, es bleibt eher bei vereinzelten Böllern. Gegen Greuther Fürth dauerte es mehr als 70 Minuten, ehe der Club einmal eine echte Druckphase aufbauen konnte.

Fürth-Coach Zorniger wies in der Pressekonferenz seinen Derby-Kollegen darauf hin, woran das liegt: "Da steht auf der anderen Seite eine Truppe, die hat das richtig gut gemacht." Sein Ziel, sagt Zorniger, sei es, den "Gegner mit unserer Intensität zu stressen". Dafür steht ihm seit Freitag auch noch der bundesligaerprobte Rückkehrer Niko Gießelmann zur Verfügung. Der zuletzt Vereinslose warf sich im Derby 65 Minuten in jede Aktion hinein. "Ich glaube, der Verein hat mich deswegen geholt, ich will mit meiner Erfahrung vorangehen", sagte der 31-Jährige, der vergangene Saison mit Union Berlin in der Europa League spielte. In ihrer Intensität verfolgen Fürth und Nürnberg unterschiedliche Herangehensweisen. Platz 16, wo das Kleeblatt nun steht, ist jedoch gerade noch etwas weiter vom Olymp entfernt.

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