1. FC Köln:Sogar die Schulnote eins für den Trainer

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Es wird noch gelacht beim FC: Steffen Baumgart gestikuliert auf dem Trainingsplatz am Geißbockheim. (Foto: Herbert Bucco/Imago)

Die sportliche Lage beim 1. FC Köln ist kritisch, die Mannschaft schwächer als in der Vorsaison - doch Steffen Baumgart wird vor dem Duell mit dem FC Bayern von seinen Vorgesetzten weiter ausdrücklich gelobt.

Von Philipp Selldorf, Köln

Auf das Heimspiel gegen den FC Bayern am Freitag bereiteten sich die Spieler des 1. FC Köln nach dem üblichen Prozedere vor: Erst gab es eine Videositzung mit Informationen über den Gegner, dann eine Trainingseinheit auf Platz 1. Falls die Bayern wissen wollten, welche Tricks Steffen Baumgart dort einstudieren ließ, brauchten sie keine als Mitarbeiter des Grünflächenamtes verkleideten Spione zu entsenden oder eine versteckte Kamera zu installieren. Ihr Informant hätte lediglich pünktlich zur Stelle sein müssen, denn ein Training unter Ausschluss der Öffentlichkeit - das sogenannte Geheimtraining, mittlerweile Standard im deutschen Berufsfußball - das gibt es nicht beim 1. FC Köln. Niemand wird vertrieben, der zuschauen möchte, Thomas Tuchel könnte höchstpersönlich erscheinen und bekäme vermutlich noch eine Tasse Kaffee gereicht.

Während einige seiner Vorgänger, Markus Anfang und Markus Gisdol zum Beispiel, großen Wert auf diskrete Trainingsschichten legten und die Mitarbeiter des Hauses dazu mit mühevollen Abwehrmaßnahmen beauftragten, verzichtet Steffen Baumgart, 51, auf entsprechende Kommandos. Das hat verschiedene Gründe: Die Alternative zu Trainingsplatz 1, das am Geißbockheim gelegene Franz-Kremer-Stadion, lässt sich gegen ungebetene Einblicke kaum abschirmen. Außerdem denkt Baumgart an die U21-Mannschaft und die FC-Frauen, die in dem Stadion ihre Regionalliga- bzw. Bundesligaspiele austragen. Den Rasen zu schonen, sei eine Frage des "Respekts", sagt der Trainer. Und schließlich ist da noch folgendes Argument: Baumgart hat nichts dagegen, wenn ihm die Leute bei der Arbeit zusehen. Zwischenrufe nimmt er gelassen. Bietet wieder mal einer an, sich umzuziehen und mitzumachen, bekommt er zur Antwort: "Du pumpst doch nach zehn Minuten wie ein Maikäfer."

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Eben noch waren Steffen Baumgart, Urs Fischer oder Bo Svensson Trainer, die ein neues Rollenmodell verkörperten. Jetzt kommt ihnen die Realität dazwischen - und ihre Idee des Fußballs gerät an ihre Grenzen.

Von Philipp Selldorf

Dass Tuchel den FC-Bayern-Geheimdienst in Gang setzt, ist allerdings ohnehin unwahrscheinlich. Die auf Tabellenplatz 17 stehende FC-Mannschaft coacht Baumgart nicht anders als deren Vorgängermodelle, die unter seiner Zuständigkeit deutlich besser platziert waren. Weshalb vor dem Treffen mit den Bayern die Losung des Trainers nicht anders ausfällt als vor dem Treffen mit weniger hochwohlgeborenen Bundesligateams. "Was ich von meiner Mannschaft erwarte? Dass sie mutig ist, dass sie klar ist, dass sie das Spiel annimmt - das, was ich eigentlich immer erwarte", erklärte Baumgart.

"Wir haben im Sommer gesagt, dass es eine enge Saison wird, und genau das sehen wir jetzt."

Ein Chefcoach, der im verschärften Abstiegskampf an seiner Methodik festhält, stellt für den betroffenen Klub unter Umständen einen Problemfall dar. Womöglich ist er unbelehrbar und stur oder in seinen Lehrmitteln limitiert, vielleicht trägt ihn auch der Hochmut fort. Beim 1. FC Köln wird Baumgart weder dieses noch jenes nachgesagt. Stattdessen wird im Präsidium hervorgehoben, dass er nach wie vor "gefestigt und stark" wirke und das Trainerteam nicht weniger eng beieinanderstehe als in der sorglosen Vorsaison.

Der Sportchef Christian Keller, 46, suchte neulich zielsicher den TV-Fußballstammtisch "Doppelpass" auf, um zu erläutern, warum an Baumgart und dessen Arbeit nicht zu zweifeln sei. Wie es zu seiner rationalen Natur passt, hielt Keller kein emotionales Plädoyer, er trug stattdessen wie ein Gutachter Punkt für Punkt eine kluge Argumentation vor und stellte Baumgart am Ende die Schulnote eins aus. Da blieb für die TV-Runde nicht mal der Raum, um zwischen den Zeilen nach Zwietracht zu forschen.

Dass es zwischen Trainer und Manager in sachlichen Fragen Differenzen geben könnte oder auch schon gibt, erscheint dennoch nicht ausgeschlossen. Die sportliche Lage ist kritisch, kritischer als erwartet, auch wenn Baumgart so tut, als würden ihn die Probleme seines Teams und das bescheidene Punktekonto nicht überraschen: "Wir haben im Sommer gesagt, dass es eine enge Saison wird, und genau das sehen wir jetzt."

Nach wie vor klagt er nicht öffentlich darüber, dass seine Mannschaft durch die Verluste von Jonas Hector und Ellyes Skhiri deutlich geschwächt wurde. Statik und Spielfluss haben nicht mehr das Niveau wie in der Vorsaison. Höher bewertete Profis wie Florian Kainz und Dejan Ljubicic, die helfen sollten, die Lücke zu füllen, finden nicht in Form. Das bewährte Kölner Flügel- und Flankenspiel kommt nicht auf Touren, Davie Selke ist nicht der Mann, der aus einer halben Chance ein Tor macht - wenn er überhaupt zur Chance kommt. Doch einerseits weiß Baumgart, dass die Ausnahmespieler Hector und Skhiri mit den begrenzten Finanzen des FC unersetzlich waren, andererseits ist er nicht der Typ, der sein Heil in Beschwerden sucht. Er schätzt Schwierigkeiten als Herausforderung, gerät manchmal aber auch in Gefahr, sich dabei selbst zu überschätzen.

Ins Spiel gegen die Bayern geht er allerdings mit dem gebotenen Realismus: "Wir wissen, dass wir am Freitag das Spiel unseres Lebens machen können und es trotzdem schiefgehen kann."

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