1. FC Köln:„Richtiges Theater“: Toni Schumachers Bühnen-Auftritt mit 70

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Der frühere Fußball-Nationaltorwart Toni Schumacher steht in einem Ausstellungsraum des Deutschen Fußballmuseums. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Theater hatte Toni Schumacher in seinem Leben viel - im übertragenen Sinn. Mit 70 spielt er nun selbst in einem Stück mit. „Die Nacht von Sevilla“ befasst sich mit dem prägendsten Spiel seines Lebens.

Von Thomas Eßer, dpa

Dortmund (dpa) - Die Lust auf neue Herausforderungen hat Harald „Toni“ Schumacher nicht verloren. Mit 70 Jahren kehrt er in diesem Frühjahr auf die Bühne zurück - nicht auf die große Fußballbühne, aber auf die Theaterbühne. „Fußball ist auch gewisses Theater. Aber ich bin froh, dass ich jetzt beim richtigen Theater mitmachen darf“, sagt die deutsche Torwart-Legende einige Tage vor dem runden Geburtstag an diesem Mittwoch und lacht.

Im Theaterstück „Die Nacht von Sevilla“ geht es um Schumachers bekanntesten sportlichen Auftritt. Das WM-Halbfinale 1982 zwischen Deutschland und Frankreich hat ihn geprägt wie keine andere Partie. Besonders mit einer Szene des spektakulären Spiels, das Deutschland auch dank Schumacher 5:4 im Elfmeterschießen gewann, wird er auch mehr als 40 Jahre danach noch häufig konfrontiert.

„Noch heute fragt mich jeder: War es ein Foul oder war es kein Foul?“, sagt Schumacher zu seinem heftigen Einsteigen gegen Patrick Battiston. Der Franzose, der von Schumacher gerammt wurde, erlitt unter anderem einen Haarriss in der Halswirbelsäule und verlor mehrere Zähne. Als Foul gewertet wurde die Aktion damals nicht, heute wäre das wohl anders.

„Danach sind Dinge geschehen wie „Wir entführen deine Kinder““, berichtet Schumacher. „Und ich bin verglichen worden mit den Wächtern der Konzentrationslager von Dachau und Auschwitz - und die haben hunderttausende Menschen umgebracht.“ In französischen Medien wurde er unter anderem als „SS-Schumacher“ bezeichnet.

Bei Battiston hat Schumacher schon kurz nach dem Vorfall um Entschuldigung gebeten. Der heute 66-Jährige nahm die Entschuldigung an und bezeichnete die Sache als „erledigt“.

Die Anfeindungen hinterließen bei Schumacher jedoch tiefe Spuren. In der ZDF-Dokumentation „Jahrhundertspiel“ spricht er offen von Depressionen. „Ich habe sie graue Wölfe genannt, weil das ein besseres Bild ist. Ich war oft traurig, ich habe mich zurückgezogen. Du wirst dann dunkel und lässt die Freude nicht mehr an dich ran. Bist auch sehr nah am Wasser gebaut“, sagt Schumacher.

Dass er die Probleme bewältigt hat, verdankt Schumacher nach eigenen Angaben auch seinen Kindern. Zu seinem 70. Geburtstag hat er sich eine Feier im engsten Kreis gewünscht. Den großen Trubel braucht der gebürtige Dürener im Privatleben nicht. Um ihn ist es ruhiger geworden. Theater - im übertragenen Sinne - hatte Schumacher in seinem Leben genug.

Nach der Veröffentlichung seines Buchs „Anpfiff“ 1987 wurde er beim 1. FC Köln und aus der Nationalmannschaft rausgeworfen. Schumacher hatte über angebliche Dopingpraktiken, Sex und Spielsucht seiner Kollegen berichtet, galt als Nestbeschmutzer.

Seine Karriere setzte „der Tünn“, wie er in Köln genannt wird, beim FC Schalke 04 fort. Auch für Fenerbahce Istanbul, den FC Bayern München und einmal als Aushilfe für Borussia Dortmund stand er noch im Tor. Nach der aktiven Karriere arbeitete Schumacher weiter im Fußball. Er hatte mehrere Stationen als Torwarttrainer, war TV-Experte und lange im Präsidium des 1. FC Köln.

Seinen stark abstiegsbedrohten Herzensverein verfolgt er auch heute noch - mit Sorge, aber auch mit etwas Abstand. Mittlerweile gehe er als Fan ins Stadion, sagt Schumacher. „Als ich im Vorstand war, war das noch etwas anderes. Wenn der Torwart da ein Gegentor bekommen hat, haben sich die Leute umgedreht und mich angeschaut, als ob ich selbst im Tor gestanden hätte.“

Wie es sich anfühlt, Torwart zu sein, will Schumacher nun auf der Bühne mit Schauspieler Peter Lohmeyer vermitteln. „Wir wollen das Publikum so begeistern, dass sie das Gefühl haben, mit auf dem Platz zu stehen - und in meinem Fall: mit im Tor zu stehen“, sagt er bei einem Termin im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. Am 14. Mai soll das Theaterstück von Autor Manuel Neukirchner im Rahmen der Ruhrfestspiele in Recklinghausen uraufgeführt werden. „Gute und wichtige Geschichten müssen immer weitererzählt werden“, sagt Lohmeyer zur „Nacht von Sevilla“.

Und weil Schumacher das genauso sieht, hat er von einem Plan Abstand genommen. „Ich hatte gedacht, das Theaterstück wäre für mich ein schöner Abschluss des Themas“, sagt er. „Aber nachdem, was der Peter gesagt hat, werde ich das nicht sagen, sondern weiterhin die Geschichte erzählen.“

© dpa-infocom, dpa:240304-99-211715/3

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