New York City:Ein Hotel wie eine Zeitreise

Lesezeit: 4 Min.

Früher Terminal, jetzt Hotel - und eine alte Lockheed-Maschine dient als Bar. (Foto: dpa-tmn)

Im ehemaligen Terminal der Fluglinie TWA am John-F.-Kennedy-Airport können Reisende jetzt übernachten - und landen im goldenen Zeitalter des Fliegens.

Von Claus Hulverscheidt

Mit Flughafenhotels ist das ja oft so eine Sache, in den USA ganz besonders. Sie liegen meist ein paar Kilometer vom Terminal entfernt an einer stinkigen Schnellstraße, haben den Charme von Kreiskrankenhäusern und sind für den Dienstreisenden kaum mehr als ein weiterer Quell der Übellaunigkeit. Kurzum: Es gilt sie zu meiden.

Die Bettenburgen im amerikanischen Hinterland sind damit so etwas wie das Gegenteil all dessen, wofür bis heute der Name Trans World Airlines steht. TWA, das weckt Erinnerungen an jenes goldene Zeitalter, da Fliegen ein ebenso teures wie exquisites Vergnügen war, an tiefe Flugzeugsessel, rauchgeschwängerte Kabinen und Stewardessen mit Champagnerflaschen. Es ist dieses Gefühl der Exklusivität, das der Hotelbetreiber MCR jetzt wiederbeleben will: im alten TWA-Terminal am New Yorker Flughafen John F. Kennedy, das seit wenigen Tagen das TWA-Hotel ist.

Auch fast 60 Jahre nach seiner Fertigstellung 1962 hat das ikonische Gebäude des finnisch-amerikanischen Architekten Eero Saarinen nichts von seiner Magie verloren. Von außen erinnert es an einen Raubvogel, dessen Schwingen die freitragende Dachkonstruktion bilden und drei gewaltige, walfischmäulige Fensterfronten überspannen. Die Idee zu der Form soll Saarinen gekommen sein, als er beim Frühstück die Schale einer halben Grapefruit wie eine Kuppel auf den Tisch stellte und die Mitte etwas nach unten drückte.

Von außen erinnert das Gebäude an einen Raubvogel, dessen Schwingen die freitragende Dachkonstruktion bilden. (Foto: Max Touhey)

So richtig beeindruckend aber wird es, wenn man das Hotel betritt. Kein Pfeiler und keine Mauer verstellen den Blick, die geschwungene Spannbetondecke mit ihren Tonnengewölben und gläsernen Lichtbändern scheint über den Gästen zu schweben. Über eine breite Treppe gelangt man auf ein Podest, rechts und links führen weitere Stufen hinauf zu mehreren Balkonen und Brücken, Bars und Restaurants. Am Ende des Podests geht es wieder hinab zur Sunken Lounge, in der schon 1965 Gäste Champagner schlürften und zusahen, wie auf der anderen Seite der Fensterfront die Beatles amerikanischen Boden betraten. Heute parkt dort die Connie, eine restaurierte TWA-Maschine jener legendären Lockheed-Baureihe Constellation, die in den Fünfzigern als Inbegriff von Luxus und modernem Design galt. Heute beheimatet sie eine Cocktailbar. Vor dem Fenster rattert die alte, analoge Fallblattanzeige und zeigt fiktive Reiseziele an.

Übernachten mit Retro Chic: Von seiner Magie hat das vor fast 60 Jahren erbaute Gebäude des finnisch-amerikanischen Architekten Eero Saarinen bis heute nichts verloren. (Foto: TWA Hotel/David Mitchell)

Den Zimmerschlüssel gibt es an Schaltern, die jenen nachempfunden sind, an denen einst die Passagiere eincheckten. Die gesamte Lobby drumherum erstrahlt in den Farben der TWA: Die Wände sind ebenso weiß gestrichen wie Saarinens Tulpenstühle und -tische mit ihren kreisrunden Füßen; die Bezüge, die Florence Knoll, Designerin und Wahlschwester des Meisters, entwarf, sind im typischen Chilirot gehalten. Das Gleiche gilt für die Teppiche, mit denen Saarinens berühmte Röhrengänge zum neuen Terminal 5 ausgestattet sind.

Mit seinen skulpturalen Formen wirkt das Hotel wie eine einzige Instagram-Fototapete, so altmodisch wie gleichermaßen geschaffen für die Social-Media-Generation. Jeden Moment, so meint man, könnte Leonardo DiCaprio die Halle durchqueren, begleitet von einer Schar graziler Stewardessen wie im Film "Catch me if you can", der teilweise hier gedreht wurde. Verstärkt wird das Gefühl noch dadurch, dass sich an den ersten Tagen tatsächlich gekaufte Stewardessen- und Pilotendarsteller mit echten Kapitänen und Flugbegleiterinnen in der Lobby mischen, die neugierig durch das wiedereröffnete Terminal flanieren.

Die 512 Zimmer in den beiden geschwungenen Neubauten nebenan kommen eher schlicht daher, was in den USA mit ihren allgegenwärtigen Flauschteppichen und Rüschengardinen als Kompliment zu verstehen ist: Parkettboden, eine Wand mit halbhoher Verkleidung aus dunkelblauem Leder, eine voll ausgestattete Minibar mit Whiskey, Martini und eleganten Gläsern, wie man sie nicht mehr in vielen Hotels findet. Auf dem Sideboard steht ein Wählscheibentelefon aus den Siebzigern, daneben liegt ein Life-Magazin vom 7. März 1960. Von den meisten Zimmern aus lässt sich das Rollfeld des Flughafens oder gar eine der Startbahnen beobachten, vor dem Dröhnen der Motoren schützen die siebenfach verglasten, schalldichten Fenster.

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(Foto: TWA Hotel/David Mitchell)

Die Wände sind weiß gestrichen, die Teppiche sind in Chilirot gehalten...

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(Foto: Max Touhey)

... in den Farben der TWA.

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(Foto: Max Touhey)

Mit ihren skulpturalen Formen wirkt die Lobby wie eine Instagram-Fototapete.

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(Foto: David Mitchell)

Vom Zimmer aus fällt der Blick aufs Rollfeld, die Fenster sind zum Schallschutz siebenfach verglast.

Auf einem der Neubauten werden gerade Rooftop Bar und Infinity Pool mit direktem Blick aufs Vorfeld fertig gebaut. Unmittelbar unterhalb des langen, schmalen Beckens, das sich im Winter bis auf 38 Grad hochheizen lässt, parken zwei Riesen-Airbusse der Fluggesellschaften Singapore und Emirates. Es riecht nach Kerosin, das hier aber Freiheit verspricht und nicht Atembeschwerden. Auf der anderen Seite erkennt man in der Ferne, wie eine Art Scherenschnitt, die Skyline Manhattans.

"TWA", so schrieb einst das St. Louis Magazine, "war die Marilyn Monroe unter den Fluglinien: eine amerikanische Ikone, geschaffen von mächtigen Männern, die ein Stück ihrer Magie erhaschen wollten. Glamourös, tragisch, zu früh verschieden." Auch über das neue Terminal, mit dem die Fluggesellschaft des Millionärs und Hollywood-Produzenten Howard Hughes ihr Image als Airline der Schönen und Reichen krönen wollte, war die Zeit nach einigen wenigen Jahre hinweggegangen: Statt 50 passten plötzlich 100 Passagiere und mehr in ein Flugzeug, fortan standen sich die Menschen in der Abfertigungshalle auf den Füßen. Mit der Zahlungsunfähigkeit der TWA im Jahr 2001 wurde das Gebäude geschlossen, seither war es meist verwaist.

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Auch heute klappt noch nicht alles wieder. Das Bewirtungskonzept des neuen Hotels etwa ist nicht ausreichend durchdacht, neben dem eher teuren Paris Café unter Leitung des renommierten Küchenchefs Jean-Georges Vongerichten gibt es nur noch einen Foodcourt mit Sandwich-, Pizza- und Empanada-Ständen, der an die Imbisswagen in amerikanischen Innenstädten erinnern soll, in seiner Trostlosigkeit aber eher wie eine Bahnhofsvorhalle mit Pommes- und Dönerbude wirkt. Die Konferenzräume und das angeblich "weltgrößte" Hotel-Fitnessstudio im Keller sind noch Baustellen, in vielen Gängen hängen noch die Kabel aus den Wänden. Wer mit dem Air Train anreist und am Terminal 5 aussteigt, sieht das Hotel zwar; Hinweistafeln, wie man unfallfrei dorthin kommt, fehlen aber noch. Vom Terminal selbst führt ein Aufzug direkt ins Hotel, auch dieser ist jedoch nicht auf Anhieb zu finden.

Und doch: Wer demnächst bei der Planung seiner Dienstreise erfährt, dass er ein paar Stunden oder gar die ganze Nacht am Kennedy-Airport verbringen muss, der wird womöglich innerlich nicht mehr fluchen, sondern juchzen. Und wer nach New York in Urlaub fährt und ein Faible für Architektur, Design und Nostalgie mitbringt, der sollte darüber nachdenken, ob er womöglich eine zusätzliche Nacht einplant und eine Zeitreise unternimmt: ins goldene Zeitalter der Fliegerei.

Das TWA-Hotel liegt direkt am Terminal 5 des Flughafens JFK und ist mit Air Train, Bus und Auto erreichbar. Doppelzimmer ohne Frühstück ab 243 Euro, auch Tagesaufenthalte unterschiedlicher Länge sind möglich. Reservierungen im Restaurant Paris Café von 8 bis 21.30 Uhr, www.twahotel.com

© SZ vom 23.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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