Tourismus und Coronavirus:Es tut schon richtig weh

Lesezeit: 2 min

Noch unbeschwert: Chinesische Touristinnen 2019 am Jungfraujoch in der Schweiz. (Foto: imago images / Xinhua)

Unter dem Ausbleiben chinesischer Gäste leiden in Europa vor allem Orte und Hotels, die auf Reisegruppen spezialisiert sind. Denn Individualtouristen kommen weiterhin - gerade wegen des Coronavirus.

Von Hans Gasser

Vor einigen Jahren wurden in der Schweiz junge Chinesen unter lautem medialen Echo zu Skilehrern ausgebildet. Sie sollten ihren in großer Zahl auf den Schweizer Pisten erwarteten Landsleuten das Skifahren beibringen. Das Programm wurde wieder eingestellt: Die Nachfrage nach Skiunterricht war einfach nicht groß genug.

Ganz anders sieht es bei Rund- und Städtereisen aus, da ist die Zahl der chinesischen Gäste in den vergangenen Jahren enorm gestiegen, und die Auswirkungen der Coronakrise sind deutlich spürbar. Allein in Luzern am Vierwaldstättersee hat sich die Zahl chinesischer Touristen zwischen 2008 und 2018 verfünffacht, zehn Prozent aller Übernachtungen werden dort von Chinesen gebucht. In der Schweiz insgesamt stiegen die chinesischen Übernachtungen innerhalb von fünf Jahren um 50 Prozent auf 1,7 Millionen (2018).

Coronavirus
:Was China-Reisende jetzt wissen müssen

Die Lufthansa streicht Flüge nach China, landet aber in Hongkong: Dürfen Kunden den Urlaub aus Angst vor Ansteckung kostenlos absagen? Und wer bekommt Geld zurück? Ein Überblick.

Von Katja Schnitzler

Das Reiseverbot für Gruppen, das wegen des Coronavirus Ende Januar in China verhängt und nun bis Ende März verlängert wurde, trifft die Schweizer Tourismusbranche deshalb stark: "Im ersten Quartal rechnen wir mit einem Rückgang der chinesischen Gäste von 50 Prozent", sagt Markus Berger, Sprecher von Schweiz Tourismus. Gerade sei zwar keine Hauptsaison, wie sich das Reiseverbot aber auf die sonst starken Monate April, Mai und Juni auswirke, sei noch schwierig einzuschätzen. "Wir hoffen, dass sich das Problem bald löst und nicht bis in den Sommer zieht", so Berger.

Dabei ist interessant, dass mittlerweile mehr als 40 Prozent der chinesischen Gäste als Individualreisende kommen. Sie sind vom Reiseverbot nicht betroffen und stornieren auch nicht, so Berger. "Ganz im Gegenteil. Die buchen ihre Reisen jetzt mit russischen Fluglinien oder solchen aus den Golfstaaten, um der schwierigen Situation zu Hause zu entkommen." Orte wie Interlaken oder Luzern, die viel mit Gruppentouristen arbeiten, leiden mehr als solche, die individuelle Gäste ansprechen. Souvenir- und Uhrenverkäufer spüren den Rückgang in jedem Fall, da die Chinesen mit durchschnittlich 380 Franken (360 Euro) täglichen Ausgaben zu den ausgabefreudigsten Touristen gehören. "Wir rechnen durch Corona im ersten Quartal mit Einnahmeausfällen von etwa 19 Millionen Franken pro Monat", so Berger.

Die Situation in Deutschland und anderen europäischen Ländern ist ähnlich. So hat Caissa Touristic aus Hamburg, eine der größten Incoming-Reiseagenturen, die jährlich 100 000 chinesische Gäste nach Deutschland und Europa bringt, seine Mitarbeiter vergangene Woche in Kurzarbeit geschickt. Mehr als 30 Reisegruppen sind durch das Gruppenreiseverbot bis Ende März weggebrochen, wie sich die Lage weiter entwickelt, weiß auch Caissa-Managerin Zhu Xiaohui nicht: "Wir sind gerade viel mit Umbuchungen und Verschiebungen nach hinten beschäftigt. Wenn das Reiseverbot noch länger anhält, wird es ein großes Problem", so Zhou.

Burkhard Kieker, Geschäftsführer von Visit Berlin, rechnet damit, dass man "in der ersten Jahreshälfte die chinesischen Gäste in der Statistik kaum mehr finden" werde. Man habe noch keine Zahlen, aber er höre von vielen Stornierungen, was Gruppen, Incentives und Messe- sowie Kongressbesucher anbelange. "Wir rechnen mit sehr starken Rückgängen." Wie sich die Krise auf die Individualreisenden auswirke, sei noch nicht abzuschätzen. 300 000 Übernachtungen chinesischer Gäste verzeichnet Berlin jährlich, das ist weniger als ein Prozent des Gesamtaufkommens.

Kreuzfahrt-Anbieter
:Großer Bogen um China

Wegen der Coronainfektionen ändern Reedereien kurzfristig ihre Routen, das Anlegen an einigen Kreuzfahrthäfen fällt aus. Ein Überblick.

Von Ingrid Brunner

Auch in Italien, dem von Chinesen am meisten besuchten Land in Europa, ist man besorgt. Städte wie Rom, Florenz und Venedig werden von vielen chinesischen Touristen besucht, insgesamt waren es zuletzt laut UNWTO pro Jahr drei Millionen Ankünfte und fünf Millionen Übernachtungen. Italien hat Anfang Februar als erstes Land alle Flüge von und nach China blockiert. Dem italienischen Tourismus könnten nach Berechnungen des Marktforschungsinstituts Demoskopika wegen Corona in diesem Jahr Verluste in Höhe von fünf Milliarden Dollar drohen. In diese Zahl sind aber nicht nur Chinesen, sondern auch Deutsche und Amerikaner eingerechnet, die aus Angst vor Ansteckungen eventuell ihre Reise ausfallen lassen könnten. Im ersten Quartal, so der Handelsverband Confcommercio, werden allein durch ausbleibende Chinesen 200 Millionen Euro fehlen - "sehr konservativ geschätzt".

© SZ vom 20.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusCovid-19
:Reisen in Zeiten des Coronavirus

Viele Touristen sind momentan verunsichert: Wie hoch ist das Risiko, sich mit dem Coronavirus anzustecken, wenn man in Europa oder in Asien unterwegs ist? Fragen und Antworten.

Von Ingrid Brunner, Irene Helmes und Monika Maier-Albang

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: