Steinberge in Österreich:Klettern für Anfänger und Könner

In die Steinberge in Tirol und Salzburg kommen nicht nur Extremsportler wie die Brüder Huber, um zu trainieren. Auch Anfänger tasten sich hier durch die Steilwände. Ihr Glück, dass neben den Kletterrouten und -steigen auch die nahen Rastplätze idyllisch gelegen sind.

Von Susanne Popp

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(Foto: Susanne Popp)

Mal sportlich, mal entspannt: Ein Tag an den Felswänden der Bergsportregion Steinberge bietet Aufstiege für jeden Kletterer. Könner schwitzen in steilen Routen und an Überhängen der Loferer Steinberge, Anfänger kommen in den zahlreichen Klettersteigen sicher ans Ziel. Von Susanne Popp. Mit den Fingern hält sich Florian Simair an einer winzigen Leiste fest, kaum zwei Zentimeter ist sie breit. Seine Fußspitzen scheinen an der Wand zu kleben. Nur wenige Meter trennen ihn vom Ende seiner Route, der Floleiter im siebten Schwierigkeitsgrad. Die Sonne brennt heiß auf den Fels. Langsam setzt er die Füße höher, greift eine Felsnase und zieht sich nach oben. Geschafft. Zufrieden hängt sich der Kletterlehrer ins Seil. Zwölf Meter unter ihm glitzert das Wasser des Wiesensees. In der Tiroler Bergsportregion Steinberge ist der Klettergarten am Wiesensee nahe der Gemeinde Hochfilzen einer der kleineren Felsen, er bietet insgesamt 33 Routen. Die graue Wand ragt am linken Seeufer 25 Meter hoch aus dem Wald, dahinter erheben sich die schneebedeckten Gipfel der Loferer und Leoganger Steinberge. Es riecht nach Heu, Enten schnattern - die Kulisse ist fast kitschig schön. Trotzdem ist der See noch kein Touristenspot, an diesem Vormittag gehört der Klettergarten allein der Gruppe von Florian Simair. "Einheimische klettern hier schon seit 20, 30 Jahren", sagt der 31-jährige Sportkletterlehrer. Er selbst ist seit seiner Kindheit in den Felsen unterwegs, "für uns gehört das dazu, wir wachsen in den Bergen auf".

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(Foto: Susanne Popp)

Die Berge, das sind für Simair die Loferer und Leoganger Steinberge, zwei Gebirgsstöcke der Nördlichen Kalkalpen. In den österreichischen Bundesländern Salzburg und Tirol überragen die bis zu 2634 Meter hohen Felsmassive das Pinzgau und den Bezirk Kitzbühel. Für Kletterer finden sich hier mehr als 2500 Routen, von einfachen Sportkletter- bis zu alpinen Mehrseillängentouren. Hier begleitet Florian Simair als "Instruktor für Sportklettern" Anfänger und Touristen, in seiner Freizeit klettert er mit Profis wie Chris Sharma oder den Brüdern Alexander und Thomas Huber. Denn auch die "kommen immer wieder in die Steinberge, um neue Routen zu erschließen oder um zu trainieren". Berühmt ist vor allem die Route Karma (sieben Seillängen) an der Sonnwendwand der Loferer Alm, die die Huberbuam im Jahr 2010 erstbegangen haben.

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(Foto: Susanne Popp)

Doch heute bringt der Kletterlehrer Touristen bei, wie sie im Fels sicher nach oben kommen. Tastend gleiten deren Finger über die Wand. Jede Maserung ist spürbar, nur wo festhalten? Wohin mit den Kletterschuhen treten? An einer Kante findet die linke Hand Halt, auf einem winzigen Vorsprung der Fuß. Stück für Stück tasten sich die Kletterschüler nach oben, die meisten schnaufen schon schwer. Noch ein Zug über den letzten Vorsprung. Das Herz klopft, die Knie zittern und das T-Shirt klebt am Rücken. Aber der Gipfel ist erreicht.

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(Foto: Susanne Popp)

Nach drei Stunden Klettern über dem Wiesensee sind nicht nur Arme und Beine müde. Zeit für eine Pause und einen Ortswechsel. Gegen den Durst gibt es am Fuß der Kletterwand frisches Quellwasser, "das schmeckt besser als jedes Bier", sagt Simair. Über kurvige Straßen geht es danach weiter nach St. Jakob, wo in der Eiblberger Einkehr eine deftige Brettljause serviert wird.

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(Foto: Susanne Popp)

In der Region machen viele Einheimische wie Simair ihre Begeisterung für die Berge zum Beruf. 15 Tourismusverbände in Tirol haben sich für das Projekt Climbers Paradise zusammengeschlossen, sie wollen die Felswände zum Touristenziel machen. Deshalb werden in Saalfelden moderne Kletterhallen mit Blick auf die reale Bergwelt gebaut, und neue Klettersteige eröffnet.

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(Foto: Susanne Popp)

Adi Stocker, Autor des Kletterführers Steinplatte, hat viel zur Erschließung der Steinberge beigetragen. Mehr als 60 Erstbegehungen sind dem Tiroler hier gelungen. "Wenn man in eine Route einsteigt, steht die Zeit still, man vergisst alles", schwärmt er. Doch der erfahrene Bergsteiger mahnt zur Vorsicht: "Früher war das kein Breitensport", sagt Stocker. "Ich wusste, wenn ich am Berg einen Fehler mache, kann ich tot sein." In den letzten Jahren sei Klettern jedoch - vor allem in den Hallen - zum Trendsport geworden. Doch in den Hallen ist nicht mit Steinschlag zu rechnen, beim Klettern in der Natur bleibt immer ein Restrisiko. Gerade die bei Anfängern beliebten Klettersteige werden oft unterschätzt, Helme und Gurte sind deshalb Pflicht.

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(Foto: Susanne Popp)

Rund um das Pillerseetal, Saalachtal und Saalfelden Leogang gibt es momentan zehn Klettersteige in den unterschiedlichsten Schwierigkeitsstufen, sodass sich Anfänger nicht übernehmen müssen. Hinter dem Bergsteigerdorf Weißbach im Bundesland Salzburg heißen die Steige beispielsweise Zahme, Weiße und Wilde Gans. In der zahmen Variante bedeutet das, 150 mit Stahlseilen gut abgesicherte, aber dennoch schweißtreibende Höhenmeter zu überwinden.

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(Foto: Susanne Popp)

Die beiden Karabiner am Hüftgurt werden ins Stahlseil der Zahmen Gams eingehängt. Eine Hand immer am Seil, steigt man teils am Fels, teils auf Stahlstufen höher. Ungeübten Kletterern klopft das Herz beim Blick ins Tal, tief unten sind die Hinweistafeln am Einstieg nur noch als kleine Punkte zu erkennen. Nach einer Stunde Anstrengung ist der Ausstieg erreicht. Sicher auf dicken Wurzeln sitzend, können sich hier auch weniger schwindelfreie Bergsteiger in aller Ruhe ins Wandbuch eintragen.

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(Foto: Ralf Stute)

Zum Ausklang des Klettertages bietet sich ein Besuch im Klettergarten Adolari in Tirol an. Direkt hinter dem Gasthof Adolari an der Straße nach St. Ulrich am Pillersee gelegen, gibt es dort 43 Routen. Im steilen Waldgelände ragen hier senkrechte bis überhängende Wände auf - mit Aussicht auf eine abschließende Weiße im Biergarten. Noch einmal zwängen sich die Bergtouristen in die engen Kletterschuhe und suchen an den kühlen Leisten Halt. Die meisten Routen liegen jetzt bereits im Schatten und lassen sich trotz Müdigkeit erstaunlich leicht erklettern. Schnell wird über einer breiten Stufe der Umlenker sichtbar, erleichtert hängen die Finger das Seil ein. Gegen den Fels gelehnt, wandert der Blick von oben über das Pillerseetal. Darüber erheben sich die schneebedeckten Gipfel der Leoganger Steinberge im warmen Licht der Abendsonne.

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(Foto: Susanne Popp)

Informationen Kletterregion Steinberge: Informationen zu den Klettergebieten im Pillerseetal, Saalachtal und in Saalfelden Leogang (Topos, Skizzen, Schwierigkeitsgrade, Bewertungen) gibt es unter climbers-paradise.com. Informationen zur Anfahrt finden Sie hier. Bergsteigerhütten: Kletterer und Bergsteiger treffen sich in der Passauer Hütte (2030 Meter, Talort Leogang) oder der Schmidt-Zabierow Hütte (1966 Meter, Talort Lofer). Im Tal rastet man zum Beispiel im Gasthof Adolari in St. Ulrich am Pillersee oder in der Jausenstation Eiblberger Einkehr in St. Jakob. Essen & Trinken: Typische Tiroler Hüttenspezialitäten sind eine Brettljause (deftige Brotzeit mit Wurst, Käse, Schmalz und Schwarzbrot) oder Buchteln (gefüllte Rohrnudeln aus Hefeteig mit Vanillesoße).

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