Radfahren im Schwarzwald:Mächtig schön

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Wenn das Gewitter vorbei ist und die Sonne erste Strahlen durch die Bäume schickt, kann es weitergehen. (Foto: Uli Deck/dpa)

Weshalb in den Hügeln nördlich des Bodensees große Momente warten.

Von Sebastian Herrmann

Die Straße führte schnurgerade durch die dunklen Fichten des östlichen Schwarzwaldes. Das einsame Auto aus der Gegenrichtung hatte an diesem Sommernachmittag die Scheinwerfer eingeschaltet. Der Wagen mit französischem Kennzeichen hielt neben mir. Die Fahrerin überbrachte eine Botschaft, die trotz aller Sprachbarrieren unmissverständlich war: "Dreh um, sofort." Ein mächtiges Gewitter verfolgte den Wagen, der bereits nass geregnet war. Ich drehte um, doch es war zu spät. Neben der Straße stand ein alter Bauwagen. Ich warf das Rad in die Büsche und legte mich flach darunter auf den Boden. Momente später entlud sich die Gewalt des Gewitters direkt über mir. Die Welt ging unter, es bebte, es donnerte, blitzte, hagelte, schüttete. Ich fror, ich fürchtete mich.

Die Angst von damals hat sich längst in einen nostalgischen Moment verwandelt. Und es sind solche Szenen, die das Gedächtnis von langen Radtouren mitbringt. Die Gewittererinnerung brannte sich auf der ersten von zahlreichen Radtouren von München nach Freiburg (oder umgekehrt) in das innere Tagebuch ein. Und auf den wunderbaren Wegen, vorbei an den Seen nahe München, durch die Hügel des Unterallgäus, die Hügel Oberschwabens nördlich des Bodensees und den Schwarzwald bis in diese kleine, kuschelige Wohlfühlfallen-Stadt namens Freiburg: viele geschenkte Momente.

Die Fronleichnamsprozession in einem winzigen Dorf auf der Schwäbischen Alb, Blumenaltäre, betrunkene Männer in Uniform, religiös entzückte Frauen, aufgekratzte Kinder und der Herr Pfarrer. Die Kanus im Oberen Donautal auf dem lieblichen Fluss zu Füßen der Kalkfelsen, hoch darüber die mächtige Burg Wildenstein. Die Verwunderung über kleine Industriestädtchen mitten in der Idylle, beherrscht von unbekannten Weltmarktführern. Die Streuobstwiesen nahe dem Bodensee. Und der Umstand, dass der Schwarzwald eine der gewitterreichsten Regionen Deutschlands ist. Dem viel zu langen Moment unter dem Bauwagen folgten mindestens drei weitere, während denen ein Bushäuschen, eine Garageneinfahrt und ein Gebüsch Schutz vor dem Unwetter boten.

Am Ende dann, wenn das Ziel Freiburg heißt, wartet stets die Belohnung: Die bis zu 1000 Höhenmeter lange Abfahrt, vorbei an Schwarzwald-Höfen hinunter ins Dreisamtal in Richtung Rheinebene nach Freiburg. Es lohnt sich, immer wieder. Die Sammlung der Momente wird weiter wachsen.

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