Sam Polcer zeigt auf seinen Bildern schöne Menschen und coole Fahrräder. Sein Kalkül: Mit Sex-Appeal lassen sich Amerikaner eher dazu bewegen, das Auto stehen zu lassen. Und New York gibt dabei ein sehr lässiges Bild ab. Von Monika Maier-Albang Dieses Lächeln, diese Locken. Die haben schon gewusst, warum sie Bryant aufs Cover setzen, diesen smarten jungen Mann, der irgendwo unter seinen Ahnen einen afrikanischen Vorfahren haben muss und der gerade gar nicht so aussieht, als fahre er wirklich zum Ping-Pong-Spiel, wie die Bildlegende erklärt. Die Hose ist zum weiten Hemd lässig hochgekrempelt, für den Fotografen tut Bryant so, als steige er aufs Rad. Das hat einen blauen Sattel, ein blaues Gestell, und die Griffe am silbernen Lenker sind, klar, blau. Ja, wie cool ist das denn!
Natürlich lockt am Ende also doch wieder das eine: Sex-Appeal. Nur dass Sam Polcer schöne Menschen nicht einfach so posen lässt, er zeigt sie mit schönen Rädern. Die Menschen sind Vehikel, Mittel, die zum Ziel führen sollen. Und das ist: den Amerikanern das Radfahren nahebringen. In einem Land, in dem das Auto als allein glückseligmachend angesehen wird, ein mutiges Unterfangen.
"New York Bike Style" heißt der im Prestel Verlag erschienene Bildband, in dem der Fotograf Polcer Rad fahrende New Yorker abbildet. Er stöbert sie auf in Werkstätten, stoppt sie auf der Straße, sucht im Mullay Park in der Bronx nach BMX-Kids, findet dort Männer wie Tyrone, der nicht mal fürs Foto seine Kopfhörer ablegt, oder Marvin, der mit diesem Sport alt geworden zu sein scheint, aber gleichwohl das schönste Lächeln in diesem Buch zeigt.
Die Stadt ist so facettenreich wie ihre Radfahrer: hier George mit Anzug und Einstecktuch vor der roten Ziegelwand, dort Yana in Hotpants in der Fifth Avenue. Polcer führt den Betrachter zwar nicht an die touristischen Orte New Yorks, sein Buch kommt ohne Freiheitsstatue und Brooklyn Bridge aus. Aber der Betrachter spürt auch so, in welcher Stadt er sich bewegt: an den Graffiti-Wänden, den Feuerleitern, den hohen Maschendrahtzäunen, den Treppenaufgängen zu den viktorianischen Häusern in Brooklyn.
Natürlich könnte man statt der Bilder auch gute sachliche Argumente fürs Radfahren anführen, sagt David Byrne, Frontman der ehemaligen Talking Heads und Aktivist der Radfahrszene, der eingangs des Buches interviewt wird: Es hält fit, man kommt schnell durch die Stadt, muss sich nicht mit Taxifahrern herumärgern. Und es ist günstiger als die Metro. Vom Klimawandel gar nicht zu reden. Aber die Ratio allein werde niemanden überzeugen, aufs Fahrrad umzusteigen. Das Gefühl müsse stimmen. "Die Leute essen ja auch gesunde Lebensmittel nur dann, wenn sie gut schmecken", sagt Byrne.
Also: Zeigt, dass Radfahren lässig ist, und ihr gewinnt die Herzen der Menschen! Für Amerika mag das stimmen. Und eine neue Erkenntnis sein. In Deutschland wissen wir das längst, haben stylishe Bikes, geben dafür Tausende Euro aus. Da beeindrucken Modelle wie ein Affinity Kissena oder ein Fuji Track nur bedingt. Aber die Kombination Räder und New Yorker ist trotzdem charmant.
Und was fahren die Frauen? Kimberly, Anna, Julie, die sich mal lieblich, mal sportlich, mal mit so kurzem Top präsentieren, dass einen beim Anblick des Fotos kalt wird um die Nieren. Alles ist möglich, alles ist bunt. Nur auf eines verzichtet der New Yorker Radfahrer: den Helm. Schön sein und vernünftig, das geht dann doch zu weit. Sam Polcer: New York Bike Style. Prestel Verlag, München, London, New York 2014. 223 Seiten, 24,95 Euro