Radfahren:Die bunte Pest auf Mallorca

Rennradfahrer auf Mallorca

Pinien, Hügel, Blick aufs Meer: Jedes Jahr kommen bis zu 300 000 Radfahrer nach Mallorca, die meisten davon reisen auf die Insel, um sich auf die Saison vorzubereiten.

(Foto: Heiko Meyer/laif)

"Heuschrecken" nennen Einheimische spöttisch Rennradler, die jedes Frühjahr auf der Insel einfallen. Trotzdem gibt es im hügeligen Hinterland noch Strecken, die man fast für sich allein hat.

Von Sebastian Herrmann

Wenn die Mandeln auf Mallorca blühen, erwacht die Insel aus dem Winterschlaf. In die Wiesen an der gebirgigen Westküste der Mittelmeerinsel sind gelbe Blumen getupft, in den Olivenhainen und Orangengärten verbrennen Bauern Grünschnitt. Die Obstbäume öffnen ihre Knospen, und schließlich setzt die Heuschreckensaison ein. In stetig wachsender Zahl surren sie über die Insel, blockieren Straßen, fallen in Tankstellen ein, fressen Cafés leer und geben ein ästhetisch fragwürdiges Bild ab. Einzelne Individuen bewegen sich beinahe das ganze Jahr über auf der Insel, doch erst im frühen März rotten sie sich zu Schwärmen zusammen und werden an manchen Orten zur Plage. Seinen Höhepunkt erlebt das Schauspiel von April bis Mitte Mai, danach wird es so heiß, dass die Schwärme wieder verschwinden.

Heuschrecken, so bezeichnen Einheimische spöttisch die vielen Radfahrer, die im Frühjahr nach Mallorca reisen, um dort zu trainieren, ihrer Form bei 25 Grad und Sonnenschein den ersten Schliff zu verpassen und sich auf die Abenteuer vorzubereiten, die sie für ihre Radsaison planen. Und es kursiert eine zweite Schmähung für die Touristen in Funktionswäsche, die mit gepolstertem Hintern über Mallorca rollen: die bunte Pest.

Bis zu 300.000 Radfahrer kommen im Jahr auf die Insel

"Man kann es den Einheimischen manchmal nicht verdenken", sagt Harald Sandner, Besitzer der Firma Rad International, die - um im Bild zu blieben - ein Heuschreckennest in Peguera im Südwesten der Insel betreibt, wo sie Räder verleiht und geführte Touren anbietet. Das Unternehmen hat der 46-Jährige 2010 übernommen, zuvor hat er als Ingenieur in der Autoindustrie gearbeitet, ist nebenher privat Rad gefahren und hat Rennen wie das Mallorca 312 gewonnen, das einmal um die Insel führt. Bis zu 300 000 Radfahrer besuchen Mallorca jährlich, die meisten von ihnen rollen im Frühjahr über die Straßen.

Wie viele es exakt sind? "Das ist ein bisschen das Geheimnis der Anbieter", sagt Francisco Colom, der im Fremdenverkehrsamt von Calvià im Südwesten Mallorcas für Sporttourismus zuständig ist. Die Firmen veröffentlichen keine exakten Zahlen, doch klar ist: Die bunte Pest weitet sich aus, jede Saison fliegen mehr Radfahrer auf die Insel, um zu trainieren oder einen frühen Aktivurlaub zu machen.

Als die ersten Radtouristen in den 1980er-Jahren auf die Insel kamen, brachten sie ihre Räder noch selbst mit. Heute arbeiten ungefähr 25 Radtouristikanbieter auf Mallorca, ihr Fuhrpark beläuft sich auf etwa 20 000 Mieträder. Die Bedingungen für sportliche Radler sind auf Mallorca derart gut, dass die Masseninvasion der Funktionswäscheträger sich absolut nachvollziehen lässt. Seltsam ist allenfalls, dass alle auf einmal im April und Mai auf der Insel auftauchen. Zu dieser Jahreszeit ließe sich schließlich auch schon in Deutschland oder anderswo trainieren - und etwas früher im Jahr ist es auf Mallorca doch noch deutlich ruhiger und entspannter.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: