Mallorca:"Viele kommen mit Flausen im Kopf hierher"

Lesezeit: 4 min

Nach fast 30 Jahren dankt Zeitungskönig Wolfram Seifert ab - sein Mallorca Magazin hat den deutschen Boom auf der Insel ausgelöst.

Marten Rolff

Ohne Könige geht es nicht bei den Deutschen auf Mallorca: Autovermieter nennt man hier einfach Mietwagenkönig, Schlagerbarden dürfen sich zu Inselkönigen ausrufen und Wolfram Seifert ist daher für manche auch der "Pressekönig": Knapp 30 Jahre lang war der 62-Jährige Chef des Mallorca Magazins, der größten deutschsprachigen Zeitung Spaniens, die Millionen Deutsche Urlauber auf der Insel mit Klatsch und Informationen versorgt. Seiferts Blatt hat die Insel mit großgemacht und die Insel sein Blatt. Seit dieser Woche ist der Ex-Springer-Mann nun im Ruhestand.

Mallorca
:Ballermann, Betonburgen, Badebuchten

Die Insel steht bei machen für Beton und Ballermann. Dennoch gibt es auch hier traumhafte Plätze.

SZ: Herr Seifert, jedes Jahr suchen Tausende Deutsche auf Mallorca ihr Glück. Viele scheitern kläglich. Was braucht man, um auf der Insel Erfolg zu haben?

Seifert: Die Fluktuation ist tatsächlich hoch. Viele kommen mit Flausen im Kopf hierher oder lassen sich allein vom guten Wetter verführen. Die meisten Aussteiger sind daher kaum länger hier als ein Jahr. Wer bleiben will, braucht eine Idee oder im Voraus einen Job. Viele unterschätzen, dass die Konkurrenz auf dieser Insel ungleich größer ist als anderswo. Nur wenige Deutsche lernen Spanisch. Ohne die Sprache ist man beruflich hier verloren.

SZ: Sie waren Chef vom Dienst bei der Welt. Wieso kündigt man eine solche Position, um Zeitung auf Mallorca zu machen?

Seifert: Ich hatte ein Haus hier und liebte die Insel. Als Pedro Serra, der Gründer des Mallorca Magazins, mir 1981 die Partnerschaft anbot, reizte mich die Herausforderung. Die Auflage lag bei 1000 Exemplaren, alle Artikel waren langweilig - Übersetzungen aus spanischen Zeitungen. Ich war eine Ein-Mann-Redaktion.

SZ: Zuletzt hatten Sie dann 15 feste Mitarbeiter und haben bis zu 40.000 Exemplare pro Woche verkauft. Haben Sie die Insel erst hochgeschrieben?

Seifert: Wir sind sicher mitverantwortlich für den deutschen Mallorca-Boom. Auch weil jeder Journalist, der sich für die Insel interessierte, erst zu uns kam.

SZ: Wer heute von Bushorden und Souvenirjägern überrannt wird oder im Lokal für eine schmierige Paella 22 Euro zahlt, darf sich also direkt bei Ihnen bedanken?

Seifert: Das stimmt so nicht ganz. Massentourismus und Ballermannstimmung konzentrieren sich ja nur auf sehr wenige Quadratkilometer. Und das bei einer Insel, die anderthalb Mal so groß wie das Saarland ist. Auf Mallorca ist also noch viel Platz. Bei den Preisen haben Sie allerdings recht. Früher galt die Insel als billig, heute atme ich auf, wenn ich in Deutschland einkaufen oder essen gehe.

SZ: Was mögen die Deutschen so an Mallorca?

Seifert: Die Vielfältigkeit. Und das Wetter natürlich.

SZ: Das ist auch auf Sardinien gut.

Seifert: Klar, aber dort fühlen sich die Leute vielleicht fremd. Mallorca dagegen ist mit dem Flugzeug aus Deutschland besser zu erreichen als jeder andere Ferienort in Europa. Und auch der deutsche Faktor ist sehr hoch. Offenbar treffen Urlauber gern auf Landsleute. Das gilt sogar für Prominente. Frank Elstner etwa mag seit 30 Jahren Pollença, also kamen seine Freunde und Kollegen nach. Die Mohns sind nach Alcudia gegangen und alles, was bei Bertelsmann Rang und Namen hat, ist hinterhergezogen. Die wohnen da nun alle zusammen auf einer Halbinsel. Solche Hochburgen bilden sich automatisch. Hamburger lieben traditionell den Südosten, Düsseldorfer und Kölner Wirtschaftsbosse eher den Südwesten.

SZ: Für einen Zeitungsmacher ist eine solche Konzentration natürlich günstig.

Knapp 30 Jahre lang Chef des "Mallorca Magazins": Wolfram Seifert. (Foto: Foto: dpa)

Seifert: Ja, in Deutschland hätte ich nie die Gelegenheit, auf einer Vernissage den Chef von Lufthansa oder einen Schauspieler wie Michael Douglas privat anzutreffen und mich dann noch entspannt mit ihnen zu unterhalten. Die Leute, die hierher kommen, erholen sich schnell und sind daher eher bereit, mit uns zu sprechen.

SZ: Auch, weil Sie nie jemandem wehtun. Prominente wissen: Ein paar nette Worte, die ihre Beliebtheit steigern, ein paar Insel-Komplimente, dann können sie in Ruhe Urlaub machen.

Seifert: Natürlich. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, da unangenehm zu werden. Wenn wir hören: In dem oder dem Hotel kommt jemand Prominentes an, schicken wir nur ein höfliches Fax. Meist antworten die Leute sofort. Alle. Auch Gerhard Schröder hat das so gemacht. Viele rufen sogar von selbst bei uns an, weil sie jemanden treffen wollen, der ihnen erzählt, was politisch auf der Insel los ist. Der Milliardär und Brauereikönig Schörghuber zum Beispiel kam immer im Oldtimer zum Plaudern. Ohne Personenschutz.

SZ: Auf der Insel gibt es 70000 deutsche Hausbesitzer, was interessiert die?

Seifert: Vor allem Service. Zum Beispiel, wie sich die Preise entwickeln. Und kritische Immobilien- oder Behördengeschichten. Korruption zum Beispiel wäre ein Thema. Die Deutschen lesen gern Artikel über Mallorca, im englischen Mallorca Daily Bulletin dagegen kommt so etwas kaum vor. Die Briten wollen nur Geschichten von zu Hause. Das ist übrigens auch beim Urlaubsverhalten so. Deutsche mieten sich ein Auto und fahren über die Insel, Briten bleiben lieber im Hotel.

SZ: Sie arbeiten seit 30 Jahren auf Mallorca. Wann war die beste Zeit?

Seifert: Schön war es immer. Was das Geldverdienen betrifft: die Neunziger. Da hatten wir 50 Seiten Immobilienanzeigen pro Woche. Die Insel wurde immer edler und die Klientel immer spannender. Plötzlich kamen nicht nur Schauspieler, sondern auch Politiker auf die Insel. Kohl und Gorbatschow, Bruno Kreisky oder Jassir Arafat waren zu internationalen Konferenzen hier zu Gast.

SZ: Zuletzt war vor allem davon die Rede, dass Mallorca in der Krise steckt.

Seifert: In einer schweren sogar. Es gibt gerade eine Rekordarbeitslosigkeit. Aber die Krise wirkt sich sehr unterschiedlich aus. Häuserpreise fallen zwar, allerdings nicht in bestimmten Gegenden und nicht im Luxussegment. Bei den Hausverkäufen sind vor allem Briten betroffen, die können sich die Insel nicht mehr leisten, weil das Pfund so schwach geworden ist.

SZ: Hört sich nicht gerade nach einer rosigen Zukunft an.

Seifert: Die wird es geben, da bin ich sehr optimistisch. Solange der Klimawandel Mallorca nicht unbewohnbar macht, wird es immer sehr viele Leute geben, die hier Urlaub machen wollen oder die ein Haus hier suchen.

© SZ vom 6.3.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: