Landebahn am Frankfurter Flughafen eröffnet:Bloß keinen Streit

Lesezeit: 2 min

Während Lufthansa-Chef Christoph Franz sichtlich geladen ist, bleibt Kanzlerin Merkel gelassen und lobt die neue Landebahn des Frankfurter Flughafens. Das brisante Thema Nachtflugverbot überlässt sie anderen.

Marc Widmann, Frankfurt am Main

Bevor die Kanzlerin im hessischen Nebel auf der neuen Landebahn des Frankfurter Flughafens landet, kann man sie hören. Besonders gut geht das in Flörsheim: In 270 Meter Höhe überfliegt ihr Airbus am Nachmittag den kleinen Ort, wo sich Hunderte Anwohner zum Protest versammelt haben. Falls Angela Merkel in diesem Moment aus dem Fenster sieht, erspäht sie ein riesiges Plakat: "Fluglärm macht krank".

Neue Landebahn am Flughafen Frankfurt
:Feier ohne Freude

Das Regierungsflugzeug von Kanzlerin Angela Merkel darf als erstes auf der umstrittenen Nordwest-Landebahn am Frankfurter Flughafen aufsetzen. Doch die Freude über die Einweihung ist getrübt, bei den Anwohnern - und bei den Airlines.

Aber die Kanzlerin will offenbar wohlgelaunt durch diesen Tag kommen. Munter entsteigt sie der schwarz-rot-golden bemalten Maschine und marschiert ohne Jacke durch die Kälte zum Zelt, das der Flughafen für die Feier aufgebaut hat. "Sie ist ein Gewinn für das ganze Land", lobt Angela Merkel die neue, vierte Bahn, "sie ist auch Ausdruck für die Zukunftsfähigkeit" der Republik.

Schließlich brauche ein Industrieland moderne Infrastruktur, schließlich werde anderswo in der Welt auch munter gebaut. Bei dieser Passage nickt der Flughafen-Chef in der ersten Reihe besonders stark und setzt ein wissendes Lächeln auf.

In China, in der arabischen Welt, da brauchen sie nicht 14 Jahre für eine neue Landebahn - solche Gedanken hegen die Gäste womöglich. Von draußen dringt derweil das Rufen und Pfeifen der Demonstranten durch die Zeltwände.

Das größte Reizthema ließ Merkel einfach aus an diesem Tag, der keinesfalls ungetrübt war. So lag es an Lufthansa-Chef Christoph Franz, in deutlichen Worten eine kleine Brandrede zu halten.

Vor wenigen Tagen verfügte das höchste hessische Verwaltungsgericht, dass mit dem vollen Betrieb der neuen Piste Ende des Monats keine Nachtflüge mehr zwischen 23 und 5 Uhr erlaubt sind. Das Urteil überraschte alle. "Das ist ein schwerer Schlag für die Lufthansa und den Logistikstandort Deutschland", sagt also ein sichtlich geladener Airline-Chef. "Die Fracht braucht die Nacht, damit wir uns gegen unsere Konkurrenten im Ausland behaupten können." Jetzt aber laute die Frage, wie Deutschland überhaupt noch vorne mitspielen könne.

Um seinen Ärger zu illustrieren erzählt Franz, dass sein Konzern bald fünf Frachtflugzeuge gen China schon tagsüber beladen muss; dass sie dann zuerst von Frankfurt nach Köln fliegen müssen und dort einige Stunden parken, um schließlich wie geplant nachts nach Osten aufzubrechen und rechtzeitig, wie es die Genehmigungen verlangen, in China zu landen. Das koste pro Jahr zwei Millionen Liter Kerosin. "Das ist ökonomisch und ökologisch grotesk!", ruft Franz.

75 Jahre Flughafen Frankfurt
:Mit "Tante Ju" fing alles an

Mit lautem Propellerbrummen setzte am 8. Juli 1936 eine Ju 52 zur Landung an: Der Betrieb auf dem neuen, damals noch recht übersichtlichen Frankfurter Flughafen war eröffnet. Heute gehört der Rhein-Main-Flughafen zu den zehn größten Airports der Welt - und soll zum Ärger der Anwohner noch weiter wachsen.

Bildern

Die klarsten Worte des Tages sind das, und selten war eine Einweihungsfeier derart überschattet. Da klang es dann etwas seltsam, als Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) "für das ganze Land einen Tag der Freude" ausrief. Er hofft, dass das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dessen Urteil schon zwei Jahre auf sich warten lässt, bald endgültig über die Nachtflüge urteilt.

"Nur dann ist Rechtssicherheit und Rechtsfrieden möglich", sagt Bouffier, ehe er Flughafen-Chef Stefan Schulte fröhlich eine Schmuckkachel des Landes überreicht.

Im nahen Mainz hat die Stadt indes aus Trauer über den steigenden Fluglärm eine schwarze Flagge gehisst, denn mit der neuen Landebahn kommen auch neue Flugrouten einher. Dort wollen an diesem Samstag auch 70 Bürgerinitiativen gegen Fluglärm auf die Straße ziehen, das Motto lautet "Stille Nacht".

Das Nachtflugverbot war ursprünglich das Resultat eines viel gelobten Experiments: Gegner und Befürworter der neuen Bahn hatten einen Kompromiss ausgehandelt. Ausbau gegen Nachtflugverbot, hieß er. Nur hielt er nicht lange.

Weshalb nicht alle zustimmten, als Angela Merkel verkündete, der hessische "Mediationsprozess kann zum Vorbild für viele andere Großprojekte werden". Aber sie wollte an diesem Tag wohl einfach freundlich sein.

© SZ vom 22.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: