Camping in Kroatien:Das Ende der Romantik

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Heute werden immer mehr Camps zu Parkplätzen für große Wohnmobile wie der Škrila-Sunny-Campingplatz. (Foto: Mauritius Images / Lumi Images / Valamar)

Camping in Kroatien boomt. Zeltgäste mit kleinem Budget könnten sich zwischen Aqua-Parks und Glamping-Unterkünften allerdings fehl am Platz fühlen.

Von Georg Renöckl

Camping in Kroatien: schlafen unter Steineichen und Sternenhimmel, duftender Waldboden, der Sound von Tausenden Zikaden. Aber auch Wespen zum Frühstück, Moskitos zum Abendessen und Ameisen im Schlafsack. "Einmal hat mich ein Skorpion gestochen", erzählt die Salzburgerin Jasmin Reischl, die jeden Sommer ihrer Kindheit auf der Insel Cres verbracht hat. "Auch nicht schlimmer als ein Wespenstich."

Mit den eigenen Kindern fuhr sie dann wieder Sommer für Sommer auf den gewohnten Platz - ihr Vater hatte den Wohnwagen vor Jahrzehnten einfach stehen lassen, so günstig war die Jahresmiete. Und wer als Kind die typisch kroatische Mischung aus kristallklarem, zum Schnorcheln lohnenden Wasser und zerklüfteter Felsküste erlebt hat, wo es zum Schwimmengehen auch noch die eine oder andere Kletterei als Bonus dazu gibt, den kostet die Überzeugung, dass Kinder Sandstrände zum Urlaubsglück brauchen, höchstens ein nachsichtiges Lächeln.

Der Waldboden, auf dem einst Gottesanbeterinnen zu finden waren, ist jetzt steinhart

Um ihre Kinder machte sich Jasmin Reischl wegen der Insekten keine Sorgen, eher im Gegenteil: Die einst so häufigen Skorpione, Gottesanbeterinnen, Nashornkäfer und Stabheuschrecken, die sie ihnen gern gezeigt hätte, suchte sie auf dem Camp im Westen der Insel in den vergangenen Jahren vergeblich. Die Salzburgerin macht eine neue Art von Heuschrecken verantwortlich für den Rückgang der Artenvielfalt: Seit ein russischer Investmentfonds die Jadranka-Gruppe übernommen hat, die den groß gewordenen Campingplatz in der Slatina-Bucht betreibt, weht dort ein anderer Wind.

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Vielleicht setzen die neuen Eigentümer ja Pestizide ein, um den Platz so insektenfrei wie möglich zu machen. Oder den Insekten fehlt der Waldboden unter den alten Pinien, wo man sich einst ohne lang zu reservieren auf einer der mehr oder weniger ebenen, mehr oder weniger steinigen Terrassen einen freien Zeltplatz suchen konnte: Bis an die Küste reichen nun wohnwagengerechte, reservierungspflichtige Parzellen mit betonhartem, von Planierraupen verdichteten Kiesuntergrund.

Ein ähnliches Muster lässt sich auf anderen Plätzen beobachten, zum Beispiel auf der Nachbarinsel Krk: Das Camp Škrila an der Südküste der Insel etwa bestand noch vor ein paar Jahren aus nicht sehr viel mehr als einem lockeren Wald oberhalb einer weiten Kiesbucht mit händisch angelegten Terrassen und viel Schatten. Seit die Betreibergesellschaft Valamar mehrheitlich vom österreichischen Fonds Epic Investments übernommen wurde, wächst dort kein Grashalm mehr: Mit Zirkel und Lineal exakt rechtwinkelig in den Hang geschnittene Parzellen haben den alten Wald aus knorrigen Kiefern und Eichen in eine glühende Steinhölle mit Wasser- und Stromanschluss verwandelt. Am nunmehr auch für schwere Wohnwagengespanne geeigneten Untergrund scheitert jeder normale Zelthering.

Das soll er wohl auch. Die nach ADAC-Qualitätskriterien optimierten Campingplätze Kroatiens richten sich längst nicht mehr an naturverbundene Zeltgäste mit kleinem Budget. Zur Hochsaison muss eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern zwischen drei und zwölf Jahren im Camp Slatina auf Cres mit etwa 50 Euro pro Nacht rechnen, wenn sie einen Platz mit Strom- und Wasseranschluss möchte und eine Kühlbox dazunimmt. Für Meerblick werden zehn Euro zusätzlich fällig, der Hund kostet sechs Euro pro Nacht. Auch mit den günstigen Dauermieten ist es vorbei: Die Jahresgebühr für den alten Wohnwagen der Familie Reischl wurde von 1500 auf 5000 Euro angehoben. "Sie haben uns einfach hinausgeschmissen", sagt Jasmin Reischl.

Camping an der kroatischen Adria boomt: Die 785 Campingplätze des Landes brachten es im Jahr 2018 auf 19,3 Millionen Übernachtungen, das macht rund 21 Prozent aller Übernachtungen in Kroatien aus. 2013 waren es noch 16,6 Millionen Nächtigungen gewesen. "Unsere Campingplätze sind laut ADAC-Rating heute die zweitbesten Europas", betont Denis Babic vom kroatischen Campingverband CCU und fügt hinzu: "Trotz der hohen Qualität liegen sie preislich aber nur auf Rang sechs."

Naturverbundenes Campen ist heute in Kroatien nur mehr an wenigen Plätzen möglich. (Foto: Mauritius Images / Lumi Images / Valamar)

Mit dem unkomplizierten und oft relativ spontanen Urlaub von früher, als so manch eingefleischter Camper erst auf der Autobahn oder im Grenzstau entschied, auf welche Insel die Reise in diesem Jahr überhaupt gehen soll, hat das Campen in Kroatiens Inselwelt und an der Küste heute meist nur noch wenig zu tun. Das merkt man schon bei der Urlaubsvorbereitung: Je nach Platz gilt es, zwischen Standard-, Comfort-, Premium- oder Superiorparzellen zu wählen, dazu kommen fertig aufgebaute Glamping-Zelte und Mobilhäuser.

Der stärkste Trend auf Kroatiens Campingplätzen ist der Ausbau der Topresorts mit geräumigen Parzellen, Spaß-Pools, Shoppingstraßen und einem vielfältigen Animationsangebot, sagt Denis Babic. Der Anteil von Vier- und Fünf-Sterne-Plätzen hat sich in den vergangenen fünf Jahren von 20 Prozent im Jahr 2013 auf mittlerweile 41 Prozent verdoppelt. Wer es naturnäher möchte, weicht auf einen Robinson-Platz aus, auch den einen oder anderen familienbetriebenen kleinen Campingplatz gibt es noch. Mehr als 60 Prozent der kroatischen Plätze gehören inzwischen jedoch großen Konzernen wie Jadranka oder Valamar, die auch Hotelketten und Apartmentresorts betreiben. Russische und österreichische Investoren sind längst in den florierenden Markt eingestiegen und sorgen für die laufende Weiterentwicklung.

Wo sind eigentlich die Kinder? Seit es am Platz Wlan gibt, sieht man sie nicht mehr

Diese macht nicht einmal vor der Brandungslinie Halt. Freilich haben die Kroaten schon vor Jahrzehnten die eine oder andere Betonplattform in ihre Steinküste gegossen, wenn der Fels allzu scharfkantig zerklüftet war. Heute führen vielerorts mit Naturstein behübschte, von Oleanderhecken gekrönte Betonmäuerchen vorbei an der Hundedusche bis zum poolartig betonierten Ufer. Die darunter begrabenen Felsklippen bescherten den Urlauberkindern bis vor Kurzem noch blutige Knie, aber auch die abenteuerlichsten Kletterpartien.

Aber Moment: Wo sind sie eigentlich alle hin, die Kinder, für die man immer ein paar Kuna eingesteckt haben musste, weil sie an allen Wegen des Campingplatzes Muscheln, Seeigelpanzer und bemalte Steine verkauften, um den Erlös danach am Eisstand zu verjubeln? Keine Sorge, sie sind noch da, oder vielmehr: Ihre Körper sind noch da, aber sie malen keine Steine mehr an, versuchen nicht mehr, einem ein altes Seeohr anzudrehen, sie lachen und schwatzen kaum noch und heulen nicht mehr über ihre zerschrammten Knie: Seit es flächendeckend Wlan gibt, ist es für die meisten von ihnen vorbei mit dem Urlaub im wirklichen Leben, die virtuelle Welt hält sie mit eisernem Griff in ihren Hängematten gefangen.

Der Erfolg scheint den Optimierern recht zu geben: Zu Saisonschluss sind die besten Parzellen für den nächsten Sommer längst wieder gebucht. Deutschland, Österreich, die Niederlande, Italien und Slowenien sind die wichtigsten Herkunftsländer der Kroatien-Urlauber, und offenbar entspricht das sich verändernde Angebot den Wünschen vieler Gäste. Dass es früher irgendwie romantischer war, ist da meist nur noch ein Achselzucken wert. Dafür weiß man jetzt, was man im nächsten Jahr haben wird. Sicherheit statt Freiheit lautet die Devise auch auf dem Campingplatz. Nun, vielleicht ist die Erinnerung an damals einfach nur zu schön, um wahr zu sein. Nur die Wespen kommen noch verlässlich wie eh und je zum Frühstück, sobald das erste Marmeladenglas aufgeschraubt ist.

© SZ vom 11.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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