Ein Junimorgen vor dem Palais Royal in Paris: Während man die Fassade des Stadtpalastes bewundert, kullert ein Ring über das Pflaster. Er funkelt golden in der Sonne. Ein junger Bursche tritt hinzu, hebt das Schmuckstück auf, dreht es in der Hand und sagt in gebrochenem Französisch: "Der Ring scheint sehr wertvoll zu sein. Wir haben ihn beide zugleich gefunden. Geben Sie mir 50 Euro, dann können Sie ihn behalten."
Zehn Gehminuten weiter sammeln einige junge Mädchen auf dem Platz vor der Kathedrale Notre Dame Unterschriften für einen angeblich guten Zweck. Während eines der Mädchen auf einen Touristen einredet, versuchen zwei Komplizinnen, ihm von hinten Sachen aus dem Rucksack zu klauen. Doch das Opfer bemerkt das und geht schimpfend weg.
Wer aufmerksam durch Paris läuft, stößt immer wieder auf solche Szenen. Gewiss: Taschendiebe, Trickbetrüger und sonstige Kleinkriminelle machen in allen Touristenmetropolen den Menschen den Urlaub schwer. Doch an der Seine haben sich die Übergriffe in letzter Zeit dramatisch gehäuft. Organisierte Banden plünderten die Fahrgäste in der Metro aus oder beklauten systematisch Besucher in Museen. An einer Ampel wurde sogar ein ganzer Touristenbus überfallen und geplündert.
Sicherheitsleute beklagen, die Täter würden immer öfter gewalttätig. Jetzt reagiert die Stadt mit einem "Aktionsplan für die Sicherheit der Touristen in Paris". 26 Maßnahmen sollen verhindern, dass die Stadt der Liebe - die pro Jahr 29 Millionen Besucher empfängt - zur Stadt der Diebe verkommt.
Strafunmündige Handlanger
Die Probleme haben sich über die letzten Jahre zugespitzt. Polizeibeamte und Kommunalpolitiker sagen, ein Grund dafür seien Banden aus Osteuropa, die an die Seine kämen, um dort auf Beutezug zu gehen. Die Chefs setzten gezielt strafunmündige Minderjährige ein, um Touristen auszunehmen. Der Pariser Abgeordnete und frühere Europa-Staatssekretär Pierre Lellouche sagt, für etliche der Straftaten seien junge Roma verantwortlich, die oft aus Rumänien stammten und in Lagern am Rand von Paris hausten.
"Diese Kinder sind zur Kriminalität verurteilt und die ersten Opfer eines organisierten Systems, das von Clan-Chefs insbesondere von Bukarest aus gesteuert wird", sagt Lellouche. Ein zum Stehlen losgeschicktes Kind könne täglich 200 bis 300 Euro einbringen. "Und von ihnen gibt es Tausende in den französischen Großstädten."