Kolumne: Hin und weg:Achtung, Metallpiraten!

Lesezeit: 2 min

Von hinten ist nur der Endschalldämpfer zu sehen. Doch die Abgasanlage zieht sich unter dem gesamten Auto entlang - und beinhaltet einen wertvollen Katalysator. (Foto: Patrick Daxenbichler/Imago/Zoonar)

Der Kampf um Ressourcen ist auf der Straße angekommen. Man muss um sein abgestelltes Auto fürchten.

Glosse von Joachim Becker

Gestrandete Schiffe zu plündern, gilt in vielen Küstengebieten als lebendige Tradition. In Zeiten steigender Rohstoffpreise kommt diese vergleichsweise einfache und effektive Recycling-Methode zu neuen Ehren. Moderne Schrottpiraten schlachten Schiffswracks auch unter Wasser aus. Was durch den Einsatz von Sprengstoff gravierende Folgen für die Natur haben kann. Und die Reststoffsammler schrecken selbst vor militärischen Wracks nicht zurück, die als Seegräber eingetragen sind.

So weit ist es im Straßenverkehr zum Glück noch nicht gekommen. Doch das Metall-Recycling gewinnt auch hier an Bedeutung. Unverhofft erfreuen sich alte Rostlauben gerade in ihrer letzten Lebensphase zunehmender Beliebtheit. Gemeint sind keine wertvollen Scheunenfunde oder gut gepflegte Oldie-but-Goldie-Raritäten. Ziel der Sammelaktivitäten sind vielmehr abgerittene Allerweltsmodelle wie Opel Astra oder VW Polo, denen man den x-ten Besitzerwechsel und die sechsstelligen Kilometerleistungen ansieht.

Selbst klimabewusste Menschen, die den übergroßen ökologischen Fußabdruck eines Neuwagens fürchten, schrecken vor solchen Autos im Nahtod-Stadium zurück. Wo Duftbäumchen den dauerfeuchten Altersmuff übertünchen, hält sich die Nostalgie normalerweise in Grenzen. Und die Autoradios, die in ihren Blütezeiten vielleicht Gelegenheitsdiebe angezogen hätten, sind heute fast wertlos. Viel interessanter als die Uralt-Elektronik sind inzwischen die inneren Werte.

Immer mehr Autos werden von Dieben mitten auf der Straße ausgeschlachtet

Vor allem 20 Jahre alte Benziner erleben eine Renaissance als sekundäre Rohstoffquelle. Metallpiraten brauchen nicht viel mehr als eine Minute, um ein altes Schätzchen auszunehmen. Mit einem Wagenheber lupfen sie die relativ leichten Autos kurz seitlich an und kriechen dann unter den Wagenboden. Bei Transportern und Wohnmobilen lassen sich die Auspufftöpfe auch ohne Hebehilfe herausschneiden.

SZ PlusElektromobilität
:Was die neuen E-Autos aus China können

Neue Marken, neue Modelle: Chinesische Elektroautos werden jetzt auch für Kunden aus Deutschland zu einer interessanten Alternative. Drei Fahrzeuge im Vergleich.

Von Joachim Becker und Felix Reek

Ziel sind die Dreiwege-Katalysatoren im Abgasstrang, die seit Anfang der Neunzigerjahre für Benziner vorgeschrieben sind. In den USA rechnen Versicherer mit 600 000 bis 700 000 derartigen Diebstählen pro Jahr, berichtet die Zeitschrift Auto Motor und Sport. Mehr als ein Drittel davon entfalle auf Kalifornien. Der westlichste US-Bundesstaat hatte wegen des Smogs in Los Angeles und San Francisco frühzeitig strenge Abgasvorschriften eingeführt. Die Rohstoffe für die entsprechenden Katalysatoren waren vor 20 Jahren noch billig.

Das hat sich auch durch Lieferengpässe geändert, inklusive Montagekosten rufen Werkstätten schon mal knapp 3000 Euro für den Einbau einer neuen Abgasanlage inklusive Kat auf. Dabei geht es gar nicht so sehr um die Bauteile selbst, sondern um die hauchdünne Edelmetall-Beschichtung, die als Aktivmaterial für saubere Luft sorgt. Vor allem auf Rhodium haben es die Diebe abgesehen, das derzeit etwa achtmal so teuer wie Gold ist. Auch Palladium und Platin sind begehrter Edelschrott: Für die Kats bezahlen Altwarenhändler mehrere Hundert Euro.

Das Geld liegt also nicht auf der Straße, sondern es fährt darauf herum. Ob sich die Diebesbanden künftig Elektroautos vornehmen, um die noch viel wertvolleren Batterien zu klauen? Die Kreislaufwirtschaft, von der alle reden, ist jedenfalls ein altes Geschäftsmodell mit glänzender Zukunft.

Der Autor hatte eigentlich gar keine Zeit, diese Kolumne zu schreiben: Er wurde (wie alle anderen) vom Frühling überrascht. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusAutogrößen
:Werdet erwachsen!

Neuwagen werden immer größer und schwerer. Was das für Städte und die Umwelt bedeutet - und was es über die Käufer aussagt.

Von Oliver Schnuck, Luis Mosch und Christina Kunkel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: