Kalifornien-Kolumne:Restaurant der Zukunft

USA-Kolumne: Automaten-Restaurant in San Francisco

Tipp und iss: Im Restaurant der Zukunft entscheidet man sich, ohne ein Wort darüber zu verlieren.

(Foto: Illustration: Jessy Asmus/SZ.de)

In San Francisco essen Mitarbeiter der Tech-Branche mittags gerne auswärts - aber nur im Automatenrestaurant. Denn das macht sie endlich sprachlos.

Von Beate Wild, San Francisco

In San Francisco steht das Restaurant der Zukunft. Zumindest behaupten das euphorische Artikel in Zeitungen, Blogs und auf Online-Portalen. Eatsa heißt das Lokal und ist angeblich gerade dabei, die Fast-Food-Kultur weltweit neu zu erfinden. Schreibtischarbeiter aus der ganzen Stadt eilen täglich in den Financial District, um eine Mahlzeit zu ergattern. Als ich, neugierig nach den Lobeshymnen, mittags ebenfalls dort aufkreuze, ist die Schlange fast so lang wie vor dem Apple-Store, wenn ein neues iPhone herauskommt.

Was das Besondere an dem Lokal ist? Nicht das Essen, natürlich nicht! Nein, das Eatsa ist deshalb so beliebt, weil man dort keinen einzigen menschlichen Mitarbeiter zu Gesicht bekommt. Bestellt wird an Terminals mit Touchscreen-Tablets. Wer den ganzen Tag vor einem Rechner sitzt und stoisch auf Tasten drückt, dem ist es in der Mittagspause offenbar lieber, nur ein Gericht auf einem Bildschirm anzuklicken, statt für die Bestellung noch mit einem Restaurantmitarbeiter reden zu müssen. Der Mund wird nur fürs Essen geöffnet.

Auf der Speisekarte stehen verschiedene Salate. Bento-Bowl, Burrito-Bowl oder doch lieber die Mediterranean-Variante? Alle Kreationen sind mit Quinoa zubereitet und streng vegetarisch, versteht sich - wir sind hier in San Francisco. Ich entscheide mich für eine Curry-Kombination. Bezahlen kann man nur mit Karte, Bargeld mutet im Jahr 2015 in San Francisco an wie eine Zahlungsmethode aus der Steinzeit.

Eatsa ist das perfekte Restaurant für den modernen San Franciscaner aus der Tech-Branche. Sein Leben ist sowieso von vorne bis hinten durchdigitalisiert und knallhart auf Effizienz getrimmt. In einer "normalen" Stadt würde dieser Typus überhaupt nicht überleben können. Mit alltäglichen Aufgaben hält er sich nicht mehr auf. Eigentlich ein Wunder, dass er überhaupt noch isst. Also, außer Haus.

Der Homo Technicus ist seit Jahren gewohnt, sein Abendessen per App zu bestellen und an die Haustür geliefert zu bekommen. Kochen wäre viel zu zeitaufwändig, es gilt ja, die Welt zu revolutionieren. In einem Supermarkt war er schon lange nicht mehr. Wozu auch? Verschiedene Lebensmittellieferdienste wie Instacart bringen online georderte Einkäufe - von Bio-Gemüse über Bier bis Klopapier - innerhalb einer Stunde ins Haus.

Wäsche waschen? Mit so etwas Trivialem müht sich ein Mitglied der digitalen Elite nicht mehr ab. Ein paar Klicks in einer App und irgendein fleißiges Helferlein kommt vorbei, sammelt die Schmutzwäsche ein und bringt sie nach ein paar Stunden sauber zurück. Wohnung putzen? Wofür gibt es die vielen Startups, die ihren mobilen Putzservice umgehend anrücken lassen? Man braucht, wie bei fast allem im Leben in San Francisco, einfach nur die richtige App und das entsprechende Einkommen.

Wäre da nicht immer noch die lästige Interaktion mit den Mitmenschen, die ja wieder wertvolle Zeit kostet. Doch Eatsa ist nun angetreten, um selbst dieses bislang notwendige Übel zu eliminieren und die Mittagspause zu optimieren.

So cool, wie ich esse

Immerhin schafft es Eatsa, die Techies überhaupt von ihren Schreibtischen weg und an die frische Luft zu locken. Dabei hilft, dass in San Francisco jede neue Errungenschaft, die irgendwie mit Tech zu tun hat, zum einmaligen Ereignis hochgejubelt wird. Kein Gast in dem kleinen Restaurant im Financial District, der nicht fotografiert oder filmt - gerne sich selbst im Fokus - und das Ergebnis dann stolz in diversen sozialen Netzwerken hochlädt: Schaut, so cool habe ich meine Mittagspause verbracht.

Nach einer kurzen Wartezeit leuchtet im Eatsa mein Name auf einer durchsichtigen Klappe auf. Irgendwie erinnert mich das an den Film "Minority Report". Im Fach dahinter steht mein Essen. Ich muss nur noch die Plastikschale mit der Quinoa-Bowl herausheben. Mit einem Plastikbesteck verzehre ich die Mahlzeit - ohne Worte.

Das Essen, muss ich zugeben, schmeckt ganz ordentlich. Jetzt warte ich nur noch auf ein Startup, das Mahlzeiten serviert, ohne Plastikmüll-Berge aufzuhäufen. Bis dahin gehe ich lieber ganz altmodisch in ein Restaurant mit Porzellantellern - und plaudere ein bisschen mit dem Kellner. Über neueste technische Errungenschaften in San Francisco.

Kalifornien-Kolumne
Neues aus San Francisco
Illustration: Jessy Asmus/ Sz.de

In "USA, Land der Fettnäpfchen" hat Autorin Beate Wild über Stolpersteine beim Ankommen in den Vereinigten Staaten berichtet. In der Kolumne "Neues aus San Francisco" schreibt sie über das Leben in Kalifornien, das für Zugereiste mitunter gewöhnungsbedürftig ist:

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