Tischsitten weltweit:Für mich bitte das Fettnäpfchen

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Im Restaurant in Shanghai: Was tun mit den Stäbchen? Ist schmatzen erlaubt? Aufessen oder nicht? (Foto: Reuters)

Auf der ganzen Welt gibt es Sitten und Gebräuche für die Nahrungsaufnahme - leider sind diese von Land zu Land verschieden. Aufessen oder nicht? Mit Stäbchen, Besteck oder den Fingern? Schlürfen erwünscht oder verboten? Essensregeln für Reisende.

Von Sarah K. Schmidt

Andere Länder, andere Sitten - so lautet ein wohlbekanntes Sprichwort, das jeder Reisende aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Besonders deutlich werden die Unterschiede zwischen den Kulturen bei den Mahlzeiten. Gehören diese doch zu den Momenten menschlichen Miteinanders, in denen besonders viele Rituale, Vorlieben und Eigenheiten zutage treten. Und immer, wenn es viele Regeln gibt, kann man auch viel falsch machen. Wird mit den Händen, mit Messer und Gabel oder gar mit Stäbchen gegessen? Aufessen oder nicht aufessen? Und muss ich laut rülpsen, schlürfen, schmatzen? Wir stellen die wichtigsten Tischsitten verschiedener Regionen vor.

China - rülpsen und rauchen

Wer in China zum Essen eingeladen wird, punktet mit seinem deutschen Pünktlichkeitswahn. Ausnahmsweise wird dort diese Tugend ähnlich hoch geschätzt wie in Deutschland. Die Bestellung sollte dem einheimischen Gastgeber überlassen werden. Dafür beginnt dann der Gast mit dem Essen, sobald die Speisen (meist auf einer großen Drehscheibe) serviert werden.

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Wer sich traut, sollte von allem etwas probieren. Andere passen bei Hühnerkrallen oder Tausendjährigen Eiern und schieben dies auf Unverträglichkeiten. Das chinesische Tafeln kann sich in die Länge ziehen - den Appetit gilt es also einzuteilen. Schalen oder Teller sollten nie ganz leer gegessen werden, sonst denkt der Koch, es war zu wenig. Wird schließlich noch etwas Obst gereicht, ist das das Zeichen für den Aufbruch.

Tischmanieren werden locker gesehen: Mit offenem Mund zu kauen geht genauso durch wie zu schmatzen und zu rülpsen - nur bitte nicht bei Tisch die Nase schnäuzen. In China ist es auch noch durchaus üblich, in Restaurants zu rauchen. Und das nicht nur nach, sondern auch während des Essens. Diese "Verrohung der Sitten" ging mit der maoistischen Kulturrevolution einher. Wer die Manieren dem Bauernstaat anpasste, hatte die kommunistische Linie verinnerlicht.

Sie denken: Amerikaner essen doch eh nur Fast Food, was gibt es da schon groß zu beachten bei den Tischmanieren? Vorsicht vor allzu viel Überheblichkeit! Es gibt durchaus einige Besonderheiten, die USA-Reisende kennen sollten, bevor sie im nächstbesten Diner Platz nehmen.

Stichwort Platz nehmen: In den USA sucht man sich nicht selbst einen Tisch, hier wartet man, bis der Kellner einen zuweist - idealerweise hat man bereits telefonisch reserviert. Kommt dann das Essen, darf einfach losgelegt werden. Sich einen guten Appetit zu wünschen, ist in Amerika unüblich. (Wenn Sie darauf bestehen, dann heißt es nicht "good appetite, sondern "enjoy your meal", "genieß dein Essen".)

Bei der Benutzung des Bestecks kommt es oft zur wohl größten Irritation unter europäischen Gästen. In einer Variante der amerikanischen Esskultur ist es üblich, die gesamte Mahlzeit zunächst in mundgerechte Häppchen zu zerstückeln, um diese nur noch mit der Gabel zu verzehren. Die andere Hand ist dann arbeitslos - und kann beispielsweise den Colt schussbereit halten. Kein Witz! Diese Sitte soll im Wilden Westen entstanden sein, wo jederzeit ein Feind durch die Saloon-Tür stolzieren konnte.

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Bei der zweiten ungewohnten Kulturtechnik werden zum Abschneiden eines Bissens zunächst die Gabel links und das Messer rechts gehalten. Sobald ein Happen auf der Gabel ist, wird das Messer abgelegt, die Gabel in die rechte Hand genommen und zum Mund geführt. Dann startet das Procedere von vorn. Dieses so unpraktische wie aparte Vorgehen soll auf die europäischen Tischmanieren des 18. Jahrhunderts zurückgehen - nur dass die Amerikaner dabei geblieben sind, während in Paris und London längst beide Besteckteile fest in der Hand blieben.

Kaum legt man das Besteck final beiseite, zieht die Bedienung den Teller weg und bringt die Rechnung. Was in Deutschland schlechter Service wäre, ist in den USA üblich. Hier sitzt man nach der Mahlzeit nicht noch länger in gemütlicher Runde, sondern geht nach Hause oder in die nächste Bar.

Mit allen fünf Sinnen zu speisen, das ist das Gebot in Indien. "Essen mit Besteck ist wie die Liebe über einen Dolmetscher", heißt es. Darum wird mit der Hand gegessen. Aber nur mit der rechten. In Indien wird die linke Hand - wie auch in vielen arabischen Ländern - nach dem Toilettengang statt Papier zur Reinigung benutzt. Im Essen hat sie auch nach dem Waschen daher nichts zu suchen.

Profis greifen das Essen nur mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger. Bei cremigen Currys und flüssigen Speisen werden ein Stück Chapati-Fladenbrot oder Reis zu Hilfe genommen. In der indischen Ernährungslehre gehören zu einem vollwertigen Mahl Speisen in allen Geschmacksrichtungen - in welcher Reihenfolge die verschiedenen Gänge serviert werden, ist aber regional sehr unterschiedlich. Da wird auch mal die Süßspeise vor dem Hauptgang gereicht. Zum Ende des Mahls wird Reis serviert. Von diesem sollten die Gäste nur noch wenig essen - sonst denkt der Gastgeber, Sie wären nicht satt geworden.

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Die Japaner haben eines der komplexesten gesellschaftlichen Regelsysteme der Welt. Das gilt leider auch fürs Essen. Ein kleiner Trost für alle Touristen: Da es fast unmöglich ist, als Außenstehender allen Sitten und Bräuchen gerecht zu werden, sehen die Einheimischen über Fehler meist generös hinweg.

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Traditionellerweise wird in Japan von niedrigen Tischen am Boden gegessen. Frauen setzen sich auf die Fersen, Männer in den Schneidersitz. Zunächst werden alle Speisen in einzelnen Schälchen serviert, dann heißt es "Itadakimasu" ("Ich werde bekommen"), und das Essen kann beginnen.

Suppen werden in Japan getrunken beziehungweise geschlürft. Das darf durchaus lautstark sein und ist ein Kompliment an Küchenchef oder -chefin. Alle anderen Speisen werden mit Stäbchen gegessen. Beim Hantieren mit den dünnen Hölzchen kann man einiges falsch machen: Essen damit aufspießen, darauf herumkauen, auf andere Leute zeigen, die Stäbchen ablecken oder damit herumspielen.

Es gilt als unhöflich, um eine weitere Portion Reis zu bitten, während man die Stäbchen noch in der Hand hält. Und als böses Omen, etwas von Stäbchen zu Stäbchen weiterzureichen. Auf gar keinen Fall sollte der höfliche Gast die Stäbchen ins Essen stecken, während er gerade kaut. Schon gar nicht senkrecht, dies ist Opfergaben für die Toten vorbehalten. In Pausen werden sie parallel, mit den Spitzen nach links auf den Tellerrand, oder noch besser auf ein extra zu diesem zweck bereitgestelltes Bänkchen platziert. Um sich etwas vom Gemeinschaftsteller zu nehmen, werden die speziellen Auffüll-Stäbchen genutzt. Fehlen diese, besser die Enden der eigenen Stäbchen verwenden anstelle der Spitzen.

Reis ist den Japanern heilig - und damit ist nicht zu spaßen. Am Ende jedes Essens gibt es daher noch zwei Schälchen pur (ein einzelnes Schälchen erinnert an ein Totenritual). Darüber wird keine Soja-Soße oder ähnliches gekippt. Der Reis wird pur verspeist - und nach Möglichkeit aufgegessen (anders als die übrigen Speisen, von denen gerne ein Anstandsrest bleiben darf).

In Deutschland wird den Kindern beigebracht, dass sie mit einem blitzblank gegessenen Teller für Sonnenschein am Folgetag sorgen. In Russland droht im Kampf für gutes Wetter absolute Völlerei. Denn hier wird immer weiter aufgetischt, sobald ein Teller leer ist. Wer satt ist, lässt also besser einen Rest liegen.

Und auch dann droht sanfte Nötigung: In Russland gehört es sich für einen guten Gastgeber, unablässig nachzufüllen und die Gäste zum Essen aufzufordern. Ein typisches russisches Menü besteht aus vier Gängen: Vorspeise, Suppe, Hauptgang, Dessert. Diese Information hilft beim Appetitmanagement, schließlich gehört es sich als Gast, alle Speisen zumindest zu kosten. Für Diäten und Vegetarier hat die russische Küche kein Verständnis.

Doch trösten Sie sich, die Aufnahme einer ganzen Wochenration an Kalorien ist eine gute Grundlage, um die größeren Mengen Wodka, die Ihnen gereicht werden, wegzustecken.

Zum Abschluss des Essens werden Kaffee (häufig aus Instant-Pulver angerührt) oder Tee mit Konfekt oder Kuchen gereicht. Dann ist es durchaus möglich, dass die nächste Runde eingeläutet wird und wieder Herzhaftes serviert wird.

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Pasta wird bei einem italienischen Essen nicht als Hauptgang, sondern als Vorspeise serviert. Dass wahre Italiener Spaghetti allein mit der Gabel aufwickeln und gen Mund befördern, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Doch dass die langen Nudeln weder abgeschnitten noch abgebissen werden sollten, ist noch nicht weitläufig bekannt.

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Auch über die deutsche Unsitte, sämtliche Nudelgerichte unter einen dicken Schicht Parmesan zu begraben, rümpfen Italiener die Nase. Gehören Meeresfrüchte zum Gericht, hat der Käse nichts auf dem Teller verloren. Bei Tomaten- oder Sahnesaucen dürfen es ein paar Raspeln sein.

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Nach dem Essen noch ein wenig Koffein gefällig? Dann wird stilgerecht ein Caffè geordert (serviert wird dann Espresso). Cappuccino trinken Italiener nur zum Frühstück.

Bei der Rechnung haben Italien-Urlauber noch zwei Möglichkeiten, sich als deutsche Pedanten zu blamieren. Erstens, indem sie auf eine Einzelabrechnung pro Person mit exakter Zuordnung der individuell verzehrten Speisen bestehen. Zweitens, indem sie die vermeintlich zu hohe Rechnung reklamieren. Der Coperto - das Gedeck - wird in den meisten Restaurants pauschal mit etwa drei Euro pro Person berechnet.

So raffiniert die französische Küche, so kompliziert die Regeln bei Tisch. Unsere Nachbarn im Westen machen es uns jedenfalls nicht leicht, beim Essen einen guten Eindruck zu machen.

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Erste Regel: Egal ob Obst, Scampi oder Hühnerbein - in Frankreich wird immer mit Besteck gegessen. Salat wird nicht geschnitten, sondern mundgerecht gefaltet. Suppe wird nicht gepustet, Soßenreste werden nicht aufgetunkt. Schmatzen, schlürfen, rülpsen sind französischen Ohren ein Graus.

Von der Käseplatte werden maximal drei Sorten probiert und nicht gänzlich leergefuttert. Käse wird nicht von der Spitze, sondern seitlich angeschnitten.

Ein Fauxpas kann dem unkundigen Frankreich-Reisenden ausgerechnet beim Nationalheiligtum, dem Baguette, unterlaufen: Das knusprige Weißbrot wird gebrochen, niemals mit einem Messer geschnitten.

Auch in Frankreich kennen Restaurants keine getrennten Rechnungen. Wenn trotzdem geteilt werden soll, dann zu gleichen Teilen und nach dem eigentlichen Bezahlvorgang.

In Spanien dauert ein Essen nicht nur länger, es beginnt auch später: Niemand isst vor 14.30 Uhr zu Mittag und die wenigsten vor 22 Uhr zu Abend. Im Restaurant schickt es sich weder, einen freien Tisch Ihrer Wahl zu belegen, noch andere zu fragen, ob man sich dazusetzen darf: Ein Kellner wird den Weg zum Platz weisen. Spanische Kellner sind zwar nicht ganz so grantig wie ihre Kollegen in Österreich, üben ihren Beruf aber ähnlich wortkarg und würdevoll aus.

Der Profi hilft auch dabei, das lästige Zahlen elegant und wie nebenbei zu erledigen: Die Rechnung wird diskret auf einem kleinen Teller serviert, der hingeblätterte Betrag mit abgeräumt (ob nun von einem Gesamtzahler oder mit Beiträgen von jedem am Tisch), das Wechselgeld wieder serviert. Das Trinkgeld (zehn bis 15 Prozent) bleibt auf dem Teller zurück.

Vor und nach dem großen Essen - oder anstatt - geht es in die Tapas-Bar: Zum ersten Getränk gibt es oft einen kostenlosen Appetithappen, dann wird nach Lust und Laune bestellt. In anderen Ländern würden Gäste wieder auf dem Absatz umdrehen, wenn der Boden mit Servietten und Olivenkernen übersät ist - in Spanien sollte man erst recht eintreten: Offenbar hat diese Bar viel Kundschaft, denen die Tapas schmecken. Und die direkte Entsorgung auf den Boden gehört dazu.

Wer statt Kaffee lieber ein belebendes Kaltgetränk bestellt, sollte sich unbedingt die Mühe machen, höchst korrekt eine "Coca-Cola" zu ordern: "Cola" ist das spanische Wort für Schwanz, und wir sprechen hier nicht nur vom wedelnden Hundehinterteil.

Auch wenn der Wein zu den Tapas köstlich schmeckt und am Ende des Abends jeder satt ist, aber noch alle Durst haben: Ein Rausch gilt in Spanien als äußerst unfein.

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Sollten Reisende zum Essen in eine Privatwohnung eingeladen sein, kann es durchaus vorkommen, dass sie es sich auf Kissen am Boden gemütlich machen sollen. Eine für Deutsche ungewohnte Sitzgelegenheit mit einem noch ungewohnteren Fettnäpfchen: Es ist unhöflich, anderen die Fußsohlen zu zeigen. Die anständige Lösung: der Schneidersitz.

Nach einem Begrüßungstee wird aufgetragen. Gabel oder Löffel werden mit der rechten und nicht mit der unreinen linken Hand gehalten - wie auch in Indien. Je mehr und je genussvoller der Gast isst, desto größer ist seine Anerkennung für die Kochkünste. Wer nichts mehr will, sollte nicht wie gewohnt sagen, "danke, es war wirklich köstlich", sonst ist die nächste Portion so gut wie auf dem Teller. Also besser das Besteck hinlegen und freundlich erklären, dass man wirklich satt ist.

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Verlässt jemand den Tisch, wartet der Rest der Gesellschaft höflich mit dem Weiteressen, bis die Runde wieder komplett ist. Im Restaurant zahlt nicht jeder für sich: Es findet sich immer ein Gastgeber, dem es eine Ehre ist, alle einzuladen.

Eine private Einladung gilt als höchste Ehre - daher sollte diese zunächst höflich abgelehnt werden. Erst wenn das Angebot mehrfach wiederholt wurde, ist es ernst gemeint. Pünktlich kommen und die Schuhe ausziehen - das sind dann die ersten zwei Regeln, die Gäste beachten sollten. Alle anwesenden Personen werden begrüßt, Männer dürfen in dem streng muslimisch geprägten Land Frauen jedoch auf keinen Fall berühren.

Bevor das Essen beginnt, waschen alle die Hände. Viele Speisen werden auch hier mit der Hand gegessen. Brot hilft dabei, flüssigere Speisen zu verzehren. Achten Sie in diesem Fall darauf, ein Stück nicht zweimal ins Essen zu tauchen. Mittlerweile wird aber auch zu vielen Gerichten Besteck gereicht.

Der Gast und die Familienältesten sind in Saudi-Arabien Kandidaten für den Ehrenplatz, sie beginnen außerdem das Mahl. Mit dem Essen sollte man sich Zeit lassen, denn: Wenn der Gast satt ist, gehört es auch für den Gastgeber zum guten Ton, mit dem Essen aufzuhören.

Nach der Mahlzeit wird noch Kaffee gereicht. Ist dieser ausgetrunken, ist es an der Zeit zu gehen. Auch wenn Sie mehrmals zum Bleiben aufgefordert werden. Das ist Teil des Rituals.

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