Japan und das Coronavirus:Allein unter Kirschbäumen

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In Japan ist gerade Kirschblüte - für gewöhnlich eine der Hauptattraktionen des Landes. Aber nicht in diesem Jahr. (Foto: REUTERS)

In Japan wird schon damit geworben, dass man jetzt Sehenswürdigkeiten mit weniger Touristen als gewöhnlich teilen muss.

Von Thomas Hahn, Tokio

Ein herrlicher Wölkchenhimmel liegt über Tokio. Frühlingswärme, Sonnenschein. Unter den eleganten Schwarzkiefern der Kōkyogaien haben sich kleine Gesellschaften zum Picknicken niedergelassen, andere dösen. Und am Kaiserpalast kann man die Weite des Vorplatzes so auf sich wirken lassen, wie man das sonst nicht kann. Eine französische Reisegruppe schaut zur Nijūbashi hinüber, zur Brücke, die über den Wassergraben der früheren Edo-Burg führt. Sonst ist kaum jemand da. Die Metropole wirkt beschaulich.

Seit Wochen schaut Japan mit bangem Blick auf die Entwicklungen rund um das Coronavirus. Besserung hat sich bisher nicht eingestellt, im Gegenteil. Die Verunsicherung scheint gar nicht mehr wegzugehen. Die Fallzahlen sind zwar relativ niedrig: 576 Covid-19-Infizierte waren bis Mittwochabend bestätigt - nicht mitgerechnet die mehr als 700 Infizierten von dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess, das bis zum 19. Februar zwei Wochen lang in Quarantäne vor Yokohama lag. Aber Japans Gesundheitsministerium lässt nur wenig testen, deshalb ist klar, dass die Dunkelziffer hoch ist. Auf der Nordinsel Hokkaidō, die gerade im Winter ein beliebtes Reiseziel ist, sind die Leute seit zehn Tagen aufgerufen, nicht zu viel auszugehen, weil es dort die meisten Infizierten in Japan gibt. Die meisten Schulen im Land haben geschlossen, weil Premierminister Shinzō Abe das für richtig hielt. Am Freitag soll das Parlament neue Notstandsgesetze zur Virusbekämpfung verabschieden. Wer weiß, was dann noch kommt.

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Dieses Gefühl der Verunsicherung sieht man Tokio an. Die Straßen und Züge sind leerer als sonst. Viele Museen sind geschlossen. Man kann gerade auch nicht auf die Aussichtsplattform des Sky Tree, der mit 634 Metern Tokios höchster Turm ist. Mehr denn je tragen die Menschen ihre Chirurgenmasken, von denen sie sich zumindest ein bisschen Schutz versprechen. Und die Regierung der Präfektur Tokio rät davon ab, die traditionellen Frühlingsfeste mit Picknicks unter den Kirschbäumen der städtischen Parks zu feiern.

An den Straßen hängen schon die Fahnen für die Olympischen und Paralympischen Spiele, die im Sommer in Tokio stattfinden sollen. Die Sportstätten sind so gut wie fertig, lauter imposante Arenen. Im Stadtteil Ariake des Bezirks Kōtō kann man dabei zuschauen, wie die provisorischen Tribünen eines Stadions aufgebaut werden. Aber ob die Spiele wirklich stattfinden können, wo es doch gerade die Empfehlung gibt, Veranstaltungen mit mehr als 500 Menschen abzusagen? Ungewiss. Die Verantwortlichen können vorerst nichts anderes machen, als weiterzuarbeiten und so zu tun, als gäbe es keine Zweifel. Das Organisationskomitee hält Testwettbewerbe ohne Publikum ab. Das Internationale Olympische Komitee sagt, weder Verschiebung noch Ausfall kämen infrage.

In den Coffeeshops findet man leichter einen Platz. Die Einkaufszentren sind nicht so voll. Ein Hotelzimmer in Shibuya, das vor zwei Wochen noch 15 000 Yen (126 Euro) kostete, ist nur noch halb so teuer. So gesehen bringt die Lage gewisse Vorteile für Japan-Reisende. In der früheren Kaiserstadt Kyōto wirbt man sogar schon mit den Folgen der Virus-Angst. Der Bezirk Arashiyama ist normalerweise überlaufen mit Touristen, jetzt verheißt eine Kampagne "suitemasu Arashiyama", leeres Arashiyama. Aber der Grund für diesen Frieden bleibt beklemmend. Leere Städte am helllichten Tag sind ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt.

© SZ vom 12.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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