Libysche Truppen bombardieren gerade die Stadt Ras Lanuf, als Ali Saidi seine rosafarbene Krawatte zurechtrückt und sagt: "In Libyen ist es ruhig." Er sagt das in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet, schiebt Baklawa über den Tisch und gießt Ananassaft in einen Plastikbecher. Die Honignusskuchen hat er aus Tripolis mitgebracht, 15 Kilogramm, im Koffer versteckt. Überredungsproviant sozusagen für deutsche Reiseveranstalter wie Studiosus und Marco Polo, die alle Reisen nach Libyen storniert haben. Die Deutschen! "Machen sich selbst immer Angst", sagt Ali Saidi.
Er ist Geschäftsführer der libyschen Safari Tourism Services, einem Reiseunternehmen, das seinen Hauptsitz in der Haitistrasse in Tripolis hat. Saidi muss also von Berufs wegen von Ruhe sprechen, wo womöglich gerade gar keine Ruhe herrscht. Saidi sitzt in Halle 21 der Internationalen Tourismusbörse Berlin am Stand von Libyen, und in der Halle ist es gerade gar nicht ruhig. Musiker vom Stand neben dran trommeln und singen, sie werben für einen Urlaub in Ruanda.
Die ganze Welt ist in Berlin an diesem Wochenende zuhause auf der weltweit größten Tourismusbörse ITB, Menschenmassen schieben sich durch die schlecht gelüfteten Hallen, und wären da nicht die Informationsstände alle paar Meter, würde man sich in dem alptraumhaft labyrinthischen Messegelände für immer verlaufen. Den Messestand von Libyen allerdings, dessen Miete noch vor Beginn der Aufstände von Gaddafis Tourismusministerium bezahlt worden ist, kann man nicht übersehen.
Denn er ist leer.
Zehn Tische und 25 weiße Stühle, ein Sofa und nochmal zwanzig Barhocker gruppieren sich vor großflächigen Plakaten, auf denen das ruhige Libyen zu sehen ist, von dem Saidi spricht, also keine Menschen, die den Diktator loswerden wollen, sondern römische Ruinenstädte, hübsch fotografiert im Sonnenuntergang. Auf den Stühlen sitzen höchstens erschöpfte Fachmessebesucher, die ihr mitgebrachtes Reiseproviant verzehren, weil auf der Messe jedes belegte Brötchen unverschämte fünf Euro kostet.
Die Welt ist ungerecht, und nirgendwo sonst wird das deutlicher als unterm Funkturm in Berlin. Die Halle, in der Deutschland wirbt, ist ein einziger Wellnesstempel, man wird mit Wörtern geduscht, die einem zuflüstern, man solle "Ich -Zeit" nehmen, die Fluggesellschaft Emirates aus Dubai ist gleich mit einem ganzen Raumschiff in Halle 22 gelandet und lädt zum Probesitzen in einem First-Class-Abteil ihrer Flugzeugflotte.