Bhutans Klöster und Naturschätze:Alles happy

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Ein buddhistischer Mönch beim Tanz der Schwarzen Hüte an einem der gut vier Dutzend Tempel des Pilgerzentrums Bodhgaya. (Foto: STRINGER/AFP)

Glück und der Schutz der Natur sind in Bhutan verfassungsmäßige Rechte. Erst allmählich öffnet sich das abgeschiedene Land westlichen Einflüssen.

Von Win Schumacher

Er hat ein Teddygesicht, dunkle Knopfaugen und ist der Liebling der Kinder im Himalaja. Wegen seines roten Fells halten ihn einige in den Bergdörfern für die Wiedergeburt eines Mönchs. "Viele Menschen in Bhutan glauben, Rote Pandas bringen Glück", sagt Yejay, "Manche sagen, wer ihnen begegnet, wird reich und wohlhabend." Der Ranger hat sich am frühen Morgen aufgemacht, um im Bergwald des Jigme-Dorji-Nationalparks den vielleicht niedlichsten Bewohner des Königreichs aufzuspüren. "Dies hier ist sein bevorzugter Lebensraum", sagt Yejay, während sein Blick durch das Fernglas die Baumkronen abtastet. Um den 30-Jährigen wuchert dichtes Bambusdickicht, darüber neigen sich die schweren, von Moosen und Flechten belagerten Zweige der Eichen und Bhutan-Tannen. Hoch oben in den Bäumen verschläft der kleine Glücksbär die längste Zeit des Tages, bevor er sich nachts über frische Bambussprossen hermacht.

Wie sein bekannterer Namensvetter, der Große Panda, mit dem er allerdings nicht näher verwandt ist, ernährt sich der Kleine Panda oder Katzenbär vor allem von Bambus. Er ist aber viel kleiner und unterscheidet sich nicht nur in Farbe und Statur, sondern auch durch seinen buschigen geringelten Schwanz vom großen schwarz-weißen Bambusbären. Yejay lässt seinen geübten Rangerblick durchs Geäst wandern. Trotz seiner auffallenden Farbe ist der Kleine Panda aber gut getarnt. Den Eindringlingen in sein Revier ist heute kein Glück vergönnt. Auf Reichtum und Wohlstand müssen sie wohl vorerst verzichten.

"Vielleicht sehen wir wenigstens einen Takin", versucht Yejay seine Begleiter zu trösten. "Um diese Jahreszeit kommen sie aus den Bergen ins Tal und lassen sich manchmal blicken." Das zottelige Wesen sieht in etwa wie das Ergebnis einer Urlaubsliaison zwischen einer Elchdame und einem Gnu aus und ist das Nationaltier Bhutans. Einer Legende nach schuf der als Göttlicher Narr verehrte Mönch Drukba Kunley den Takin aus den Überresten eines Rinder- und Ziegengerichts.

Drugba Kunley hat als umtriebiger Schalk und Gelehrter des 15. Jahrhunderts bis heute zahllose Anhänger in Bhutan. Die Philosophie des eigenwilligen Missionars aus Tibet lässt sich recht einfach zusammenfassen: Lebenslust vor heuchlerischer Moral und Asketentum. Yejay und seinen Waldwanderern ist heute wirklich kein Glück beschert. Katzenbär und Rinderziege bleiben beide im Bergwald verborgen. "Die meisten unserer Tiere haben einen eher heimlichen Lebensstil", sagt der Ranger.

Stattdessen zeigt sich aber eine enorm vielfältige Vogelschar. Durchs Geäst am Wegrand flattern Himalaja-Rotschwänze, Schwarzkappentimalien und Goldbauch-Fächerschnäpper. An einem Gebirgsbach halten Weißkopfschmätzer und Wasseramseln Ausschau nach Insekten. 562 Vogelarten hat Yejay bereits in Bhutan beobachtet und hält Ausschau nach für ihn noch unentdeckte Arten. Eine Gruppe Kalifasane flüchtet ins Unterholz. "An ihren auffällig roten Gesichtsmasken ist das Männchen gut vom Weibchen zu unterscheiden", erklärt der Ranger. "Noch weiter oben in den Bergen leben der Königsglanz- und der Blutfasan." Mit ihrem leuchtend farbigen Federkleid gehören die nahe der Schneegrenze heimischen Vögel zu den schillerndsten des Himalajas. "Viele Touristen hoffen, hier einen Roten Panda oder gar einen Tiger zu sehen", sagt Yejay, "ich selbst kann mich genauso für einen neuen Vogel begeistern, den ich nie gesehen habe."

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(Foto: andBeyond)

Rote Pandas gelten in Bhutan als Glückbringer.

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(Foto: Schumacher)

Über dem Parotal auf 3120 Meter Höhe ist das Taktshang-Kloster dicht an den Fels gebaut. Es ist nur zu Fuß über schmale Bergpfade erreichbar.

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(Foto: W. Schumacher)

In Klosterschulen Damchen Lhakhang weisen die Mönche den Weg zum himmlischen Glück.

Druk Yul, das Land des Donnerdrachens, so der Staatsname Bhutans in der Landessprache, ist bis heute eine abgeschiedene Welt geblieben, die maßgeblich durch den Buddhismus geprägt ist. Erst seit wenigen Jahrzehnten öffnet sich das Land vorsichtig westlichen Einflüssen, technischen Neuheiten und dem Tourismus. Reisende beeindruckt das weltabgeschiedene Königreich im Himalaja mit seinen jahrhundertealten Klöstern, märchenhaften Königspalästen und ewig schneebedeckten Siebentausendern.

Ein Leben im Einklang mit der Natur ist für die Bhutaner nicht nur erstrebenswertes Lebensziel, es ist allgemeines Staatsrecht. Das Bruttonationalglück des Königreichs sieht für seine Bewohner neben einer sozial gerechten Wirtschaftsentwicklung, dem Erhalt spiritueller Werte und einer dem Menschen verpflichteten Regierung auch den Umwelt- und Naturschutz als eine von vier tragenden Säulen vor.

In seiner Verfassung hat Bhutan festgelegt, für alle Zeiten 60 Prozent seiner Fläche als Wälder zu bewahren. Mehr als die Hälfte seiner Fläche steht unter Schutz. Damit ist es mit Abstand der Vorreiter Asiens bei der Bewahrung seiner natürlichen Ressourcen. Nach einer Analyse des Climate Action Trackers von Dezember 2018 ist Bhutan eines von nur sieben Ländern weltweit, die wohl die ehrgeizigen UN-Klimaziele erreichen werden. "Dennoch gibt es noch immer viel zu tun", sagt Vijay Moktan vom WWF Bhutan. "Natürlich kämpfen auch wir mit dem Klimawandel, und Wilderei ist vor allem in den Grenzregionen weiter ein großes Thema."

Aufgrund seiner großen geografischen Vielfalt ist Bhutan ein Rückzugsort für eine ganze Reihe bedrohter Tierarten. Die hochalpinen Zonen an der Grenze zu Nepal und Tibet sind Heimat von Schneeleoparden, Tibetischen Wölfen und den geheimnisvollen Schwarzen Moschustieren. In den Bergwäldern leben noch immer Königstiger, Nebelparder und Rothunde. Durch das Tiefland des Südens streifen Leoparden, Lippenbären und Elefanten.

Im Phobjikha-Tal wird jedoch ein Vogel mehr verehrt als die Schwergewichte im Tierreich. Der seltene Schwarzhalskranich gilt als Himmelsbote und soll wie der Rote Panda Glück bringen. In Zentralbhutan, jenseits der schroffen Gipfel an der Grenze zu Tibet, wirkt die Landschaft fast traumhaft entrückt und lieblich. Gebirgsbäche plätschern weit ausgestreckten Bergwiesen entgegen und treiben die Räder von so mancher Gebetsmühle an. Kein Wunder, dass sich die Kraniche unter dem cyanblauen Winterhimmel von Phobjikha ihr Quartier ausgesucht haben.

"Wenn sie im Herbst aus Tibet zurückkehren, drehen sie drei Mal am Himmel ihre Kreise", sagt Rinzin. Der stämmige Mönch im dunkelroten Gewand vertritt sich vor dem altehrwürdigen Gangteng-Kloster die Beine. Aus dem Innenhof tönen Hundegebell und Kinderrufe. Rinzin unterrichtet an einer der wichtigsten Klosterschulen des Landes. "Wir feiern die Ankunft der Kraniche mit einem Festival", erzählt der Lehrer, "die Vögel genießen hier ein besonderes Ansehen, aber uns ist es wichtig, die Klosterschüler zu lehren, dass alle Tiere unseres Schutzes bedürfen." Jedes Jahr zum Geburtstag des alten Königs Jigme Singye Wangchuck versammeln sich vor dem Haupttempel mit seiner prachtvollen Holzfassade aus dem 17. Jahrhundert die Bewohner des Tals. Schulkinder in Kranichkostümen ahmen den zauberhaften Balztanz der himmlischen Vögel nach. Ihre Eltern in der traditionellen Gho- und Kira-Tracht der Bhutaner verfolgen aufmerksam die Choreografie der jungen Tänzer. Inzwischen kommen auch immer mehr Touristen zum Fest der Kraniche.

"Die Chinesen essen einfach alles"

"Wir freuen uns, dass die Vögel inzwischen sogar Gäste aus dem Ausland anlocken", sagt Santalal Gajmer von der Königlichen Gesellschaft für Naturschutz. Durch sein stattliches Fernrohr, das er auf einem Stativ befestigt hat, beobachtet der 38-Jährige gerade vier Kraniche, die in einiger Entfernung durch das Sumpfland stolzieren. Mit ihrem grauweiß-schwarzen Gefieder sehen sie recht unscheinbar aus. Nur ein dunkelroter Fleck auf der Stirn verleiht den Himmelsvögeln ein wenig Farbe und Grazie. Ihre wahre Anmut entfalten sie jedoch erst, wenn sie im späten Abendlicht zu Dutzenden im andächtigen Gleitflug ins Tal zurückkehren. Santalal zählt Jahr für Jahr die Tiere, die sich im Phobjikha-Tal niederlassen. Etwa 500 Tiere sind es in ganz Bhutan. Ihre Zahl hat zuletzt wieder leicht zugenommen. Weit mehr von ihnen gibt es im tibetischen Hochland, wo das wichtigste Brutgebiet der Vögel liegt.

"Die Chinesen essen einfach alles", sagt Santalal, "aber mittlerweile stehen die Kraniche auch in Tibet unter strengem Schutz." Wer wünschte es sich nicht, dass einem das Glück mit ausgebreiteten Flügeln entgegenflattert? Der Naturschützer hofft, dass die Glücksboten in naher Zukunft wieder in riesigen Schwärmen ihren grazilen Vogeltango auf den Hochebenen des Himalaja tanzen - wie zu Zeiten, als Drukba Kunley Bhutan missionierte und Liebeslust statt religiösen Eifer lehrte.

© SZ vom 28.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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