Bergfotografie:"Man kann mit Bildern gar nicht die Wahrheit erzählen"

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Der Freerider Anselm Tscharner vor der beleuchteten Scioragruppe im Bergell, aufgenommen von Bergfotograf Robert Bösch. (Foto: Robert Boesch)

Seit mehr als 30 Jahren Extrembergsteiger und vielfach ausgezeichneter Fotograf: Der Schweizer Robert Bösch über den Wandel der Bergfotografie und Bilder, die lügen.

Interview von Dominik Prantl

Seit mehr als 30 Jahren arbeitet der Schweizer Geograf und Bergführer Robert Bösch als freischaffender Fotograf. Er war etliche Male mit Spitzenalpinisten auf extremen Touren und an Achttausendern unterwegs und setzte die Berge für Sportartikelunternehmen und Tourismusverbände in Szene. Zuletzt widmete der 64-Jährige sich der Landschaftsfotografie, die aktuell in der Bildhalle Zürich zu sehen ist. Mit dem Bildband "Mountains" (National Geographic Verlag, 98 Euro) hat er nun die Essenz seines Schaffens vorlegt. Ein Gespräch an einem für Bergsteiger ungewöhnlichen Ort: Böschs Haus am Ägerisee.

SZ: Herr Bösch, wann haben Sie zuletzt einen Sonnenuntergang fotografiert?

Robert Bösch: Das ist ehrlich gesagt so lange her, dass ich mich nicht mehr erinnere, wann ich das bewusst gemacht hätte.

Sind Sie denn kein Romantiker?

Es geht nicht um Romantik. Nur habe ich das Interesse an der Jagd nach diesen Lichtstimmungen ziemlich verloren, weil es dank Bildbearbeitung beliebig geworden ist. Jeder Sonnenuntergang ist schön. Aber nur ganz selten entsteht eine Wahnsinns-Lichtstimmung. Mit der Digitalfotografie ist die viel einfacher geworden: Ein wenig an der Gradationskurve und der Farbsättigung rumschrauben, und sofort hast du einen absolut spektakulären Sonnenuntergang. Daher sieht man in Magazinen auch viel mehr derart außergewöhnliche Lichtstimmungen als früher.

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Von Ihnen stammt der Satz, dass die Kunst als Fotograf darin bestehe, etwas wegzulassen. Muss man als Bergfotograf die Wahrheit manchmal kaschieren?

Das macht man als Fotograf automatisch. Jedes Foto ist ein Ausschnitt aus der Wirklichkeit, zeitlich und räumlich. Darum sind Bilder auch nicht besonders gut dazu geeignet, die Realität zu zeigen. Man kann damit eigentlich gar nicht die Wahrheit erzählen. Das hat auch nichts mit der Qualität eines Bildes zu tun.

Also ist man als Fotograf eine Art Lügner.

Tendenziell ja. Jedenfalls muss man bei der Aussage eines Bildes vorsichtig sein. Die Aussage eines Bildes funktioniert nur zusammen mit der Bildlegende. Sie muss ehrlich sein. Die Bildlegende hinterfragen wir auch, weil wir da sofort denken: Das hat einer geschrieben. Beim Bild hingegen: Wir sehen's ja. Und dem, was wir sehen, trauen wir gerne blind.

Geben Sie ein Beispiel.

Wenn mir eine Zeitschrift den Auftrag gibt, die Berge zivilisiert und überbaut und verschandelt zu fotografieren, weil das thematisiert werden soll, dann fotografiere ich die Alpen so. Ich fotografiere aber am selben Ort in denselben Alpen etwa für Schweiz Tourismus die intakte Bergwelt. Fantastisch, schön, unberührt. Ich wähle den Ausschnitt. Was ist dann richtig?

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Wo sehen Sie Ihren Bildband "Mountains" in diesem Spannungsfeld zwischen v erschandelten Alpen, intakter Bergwelt und Muskelspielen an der Wand?

Die Aufnahmen darin sollen in der Gesamtheit ein Bild der Berge geben. Ich habe keine politische Botschaft. Ich wollte auch nichts über den Zustand der Berge aussagen. Ich war mehr als 30 Jahre lang ein Bildersuchender, und ich bin mit diesen Bildern zurückgekommen.

Der Band enthält am Ende den Hinweis, dass Fotos nicht am Rechner nachgearbeitet und Ausschnitte nicht verändert wurden. Braucht es heute so eine Art persönlichen Kodex der Landschaftsfotografie?

Vielleicht. Für mich ist die Spielregel: Das Bild soll in dem Moment entstehen, wenn ich auf den Auslöser drücke, nicht am Computer. Würde ich Bildinhalt und Ausschnitt der Bilder im Nachhinein verändern, wird das uferlos. Ich kann dann etwas Saugutes entstehen lassen, das ich im Moment des Fotografierens nicht geschafft habe. Wenn ich aber akzeptiere, dass ich es oft genug vergeige, dann bleibt das Fotografieren für mich spannend.

Das ist eine persönliche Regel.

Das ist eine persönliche Regel, wobei es vielleicht wert wäre, sie zu diskutieren. Es gibt eindeutig Bilder, die nichts mit Fotografieren zu tun haben, sondern mit Bildkreation. So verliert die Moment-Fotografie aber an Wertigkeit, wenn der Betrachter nicht mehr denkt: Wow, da hat jemand den richtigen Moment erwischt, sondern: Das wurde eh am Computer gemacht.

© SZ vom 15.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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