Barcelona:Skandal im Raval-Distrikt

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Sauftourismus und Billigprostitution: Die Zunahme von öffentlichem Sex auf historischen Straßen empört die Bewohner von Barcelona.

Javier Cáceres, Madrid

Der sichtbare Ausdruck einer wachsenden Müdigkeit hängt in Barcelonas historischem Raval-Distrikt von den Balkonen. "Volem un barri digne!", ist auf zahllosen Plakaten zu lesen, das ist Katalanisch und heißt: "Wir wollen ein würdiges Viertel".

In Barcelonas historischen Gassen im Viertel Raval herrscht nachts Sodom und Gomorrha. (Foto: Foto: iStock)

Eine Bürgerinitiative hat die Transparente in Auftrag gegeben, sie kosten 12,50 Euro und sind mittlerweile ausverkauft. Denn viele Nachbarn des Raval, an Barcelonas Flaniermeile Rambla de Catalunya gelegen, haben es satt, dass ihr Quartier sich allnächtlich in Sodom und Gomorrha verwandelt.

Es hat schon immer Prostitution im Raval gegeben, doch im Lichte der aktuellen Zustände wird den alten Tagen mit den "Täubchen" in ihren Pensionszimmern fast nachgeweint. Das Raval ist einem Cocktail aus mitteleuropäischem Sauftourismus sowie Billigprostitution ausgeliefert, der augenscheinlich überhand nimmt. Denn wenn die Dunkelheit einbricht, offerieren Schwarzhändler Alkohol und mitunter auch Drogen, bieten junge Einwanderinnen für knapp 20 Euro ihre Körper feil.

Das Geschäft wird auf offener Straße oder unter den Arkaden des Boquería-Marktes vollzogen, einer der Haupt-Attraktionen der Tourismusmetropole. Schon vor Jahren erließ die Stadtverwaltung eine Verordnung, um die wilde Prostitution unter freiem Himmel einzudämmen, ohne Erfolg. Weder die Geldbußen von bis zu 3000 Euro, mit denen Sexualakte auf der Straße bewehrt sind, noch die Festnahme von insgesamt 100 Prostituierten allein in diesem Jahr haben abschreckenden Charakter gehabt.

Sehr explizite Bilder, die El País am Dienstag veröffentlichte, zeugen davon. Auch sind Klagen laut geworden, dass die Prostituierten immer aggressiver auf potentielle Freier losgehen, sie in Kleingruppen belagern, ihnen die Brieftaschen rauben. Markthändler berichten, sie würden jeden Morgen Kondome finden. Zuletzt sorgten Berichte für Aufsehen, wonach Prostituierte am nahen Strand Massagen mit "final feliz" anbieten. "Es gibt hier mehr Nutten denn je", klagt ein Gastronom, der im Raval ein Restaurant führt.

Die Vorsitzende einer Nachbarschaftsvereinigung, Eva Fernández, meint, dass dem Problem nur durch eine Regulierung der Prostitution beizukommen wäre. Sie schlägt die Förderung von Kooperativen vor, auch um den Frauen, die oft Opfer von Menschenhandelsorganisationen sind, eine Flucht vor ihren Sklavenhändlern zu bieten. Vereinzelte Vorstöße der Stadtverwaltung jedoch sind in den vergangenen Jahren stets fehlgeschlagen. Die offenkundige Zunahme der Kriminalität tut ihr Übriges, um im Raval-Distrikt ein ungutes Gefühl aufkommen zu lassen.

Laut einer Umfrage sind 25 Prozent der Anwohner mindestens einmal bestohlen worden; im Raval konzentrieren sich mittlerweile die Hälfte aller Delikte Barcelonas. "Ich bin verzweifelt", sagt Manel Ripoll, Chef des lokalen Einzelhändlerverbands.

© SZ vom 02.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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