Ein Skilift, dessen Stützen auf Eis stehen, das sich bewegt? Doch, das geht, dachte der Wiener Wilhelm Fazokas. Als Bürgermeister von Kaprun im Pinzgau hatte er die Idee, das Kitzsteinhorn zu erschließen. Im Dezember 1965 schwebten die ersten Skifahrer mit der Seilbahn auf den Gletscher (im Bild). Ursprünglich war nur an Sommerskilauf gedacht, um österreichischen und ausländischen Skiprofis das Training zu ermöglichen. Doch auch Amateure wollten in den heißen Monaten skifahren. 1966 wurde die Gipfelbahn gebaut, die Bergstation "klebt" etwas umständlich auf 3029 Meter Höhe in der steilen Flanke unter dem Kitzsteinhorn: So wurde die magische und werbewirksame 3000-Meter-Marke erreicht. Ein Jahr später eröffnete mit dem Maurerlift der erste Gletscherskilift - mit Stützen auf Eis.
Genau betrachtet begann die Geschichte der Erschließung des Kitzsteinhorns bereits nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit der Errichtung von Stauseen und Kraftwerken und dem Motto "alles ist möglich" wurde Kaprun zum Symbol für den Wiederaufbau Österreichs glorifiziert - aus dieser Stimmung heraus war auch die Erschließung des Kitzsteinhorns möglich. Ein Argument dafür, schon damals: "die immer krasser in Erscheinung tretende Schneearmut in den Tallagen". Das Kitzsteinhorn stand für Innovation und als Symbol für alles, was technisch möglich war. Bis zur tragischen Katastrophe in der Stollenbahn im November 2000. Bei dem Brand im Tunnel starben 155 Menschen. Wer in den folgenden Jahren Kaprun hörte, dachte nicht an Skivergnügen. Der Wintersportort hielt dagegen, nicht nur mit dem Ausbau des Gebietes: Seit 2003 sind die Gletscherbahnen Kaprun als einziges österreichisches Bergbahnunternehmen in den Bereichen Qualitäts- und Sicherheitsstandards iso-zertifiziert.
Würde Wilhelm Fazokas heute mit der Gipfelbahn auf seinen Berg schweben, er würde ihn nicht wiedererkennen. Zum einen hat die Klimaerwärmung und damit der Gletscherrückgang das Gesicht des Berges stark verändert. Zum anderen wurde aufgebaut, angebaut und zugebaut. So etablierte sich der Gletscher von 2006 an mit mittlerweile drei Snowparks als eines der größten Freestyle-Zentren der Alpen. Mittlerweile wurde es um Österreichs erste und größte Superpipe erweitert. Seit 2007 gibt es das Ice Camp, eine von Künstlern jeden Winter neu gestaltete Iglulandschaft. Und im Jahr 2010 wurde zusammen mit dem Nationalpark Hohe Tauern die Gipfelwelt 3000 eröffnet, zu der unter anderem Österreichs höchstgelegenes Kino, das Gipfel-Restaurant, die Nationalpark-Galerie in einem 360 Meter langen Felstunnel und die Panorama-Plattform "Top of Salzburg" gehören.
Um gegen die Konkurrenz bestehen zu können, wurden Trends am Kitzsteinhorn früh realisiert. Ein Beispiel dafür ist Freeriden: Bereits 2010 wurden fünf offiziell ausgewiesene Routen samt Informationssystem eingeführt, so dass man sich abseits der Pisten vom Gletscher bis hinunter nach Langwied austoben kann - sofern es die Schneeverhältnisse zulassen. Zentrale Anlaufstelle ist die Freeride Info Base beim Alpincenter. Auf einem großen Übersichtspanorama sind die Routen eingezeichnet, dazu gibt es einen Checkpoint für Lawinensuchgeräte sowie Infos, welche Strecken aktuell geöffnet sind.
Auch auf den Skitourentrend wurde reagiert, allerdings nicht mit Verboten wie in anderen Gebieten. Auf einer ausgewiesenen Route steigen - an Spitzentagen bis zu 700 - Tourengeher von Langwied hinauf zum Maurerkogel beziehungsweise zur Bergstation des Maurerlifts. Die Folge: Am Pistenrand kommt Abwärtsfahrern ein Berggeher nach dem anderen entgegen. Eine potentielle Konfliktsituation, doch selbst im Herbst bei wenig Schnee und schmalen Pisten ist mit ein wenig Rücksichtnahme ein problemloses Nebeneinander möglich.
Unangenehm ist da eher der optische Eindruck am Gletscherplateau, auf dem sich Pisten, Loipen und Snowparks den knappen Raum teilen. Im Grunde wird der komplette Gletscher präpariert und in Form gebracht: Damit der Glacier Park frühzeitig in Betrieb gehen kann, wird der wenige Herbstschnee zu großen Sprungschanzen zusammengeschoben. Übrig bleibt nur ein schmaler weißer Streifen, doch auch der liegt nicht brach - er ist eine Freerideroute.
Andere Gletscherskigebiete werden ebenfalls schon lange so intensiv genutzt. Aber am Kitzsteinhorn fällt dies besonders stark auf, da hier speziell die Gletscherfläche und allgemein der Skiraum im Verhältnis zur Nutzung sehr klein ist. Auch den Verantwortlichen der Gletscherbahnen ist bewusst, dass die 44 Pistenkilometer zwar abwechslungsreich, doch im Vergleich eher bescheiden sind. "Bei uns steht nicht die Länge der Abfahrten, das Höhenmeterfressen, im Vordergrund - sondern der Genuss der hochalpinen Landschaft", macht Norbert Karlsböck, Vorstand der Gletscherbahnen Kaprun AG, aus dem Mangel eine Tugend. Den schönsten Ausblick Richtung Hohe Tauern genießt man von der Panorama-Plattform; von hier reicht der Blick bis zum Großglockner, höchster Gipfel Österreichs. Und von den Pisten aus sieht man auf den Zeller See im mal grünen, mal weißen Tal.
Allerdings haben die heißen Sommer der vergangenen Jahre am einst makellos weißen Kitzsteinhorn deutliche Spuren hinterlassen. Der Gletscher hat sich massiv zurückgezogen. Bei den Schmiedingerliften stehen nur noch die obersten Stützen auf Eis, die anderen thronen mehrere Meter hoch auf mühsam abgedeckten Eisblöcken, während ringsum längst alles abgeschmolzen ist und Felsstufen zum Vorschein kamen. Und beim Maurerlift führt erst ein schmaler Skiweg durch die einst vom Eis bedeckten Felsen zur breiten Genusspiste - beim Bau des Lifts 1967 erstreckte sich dort ein weiter, gleichmäßig abfallender Gletscherhang.
Auch die Saison fällt immer knapper aus: 2008 war das letzte Jahr mit Ganzjahresskilauf, momentan endet die Skisaison Mitte Juli und in Zukunft könnte bereits Anfang Mai Schluss sein. Im Frühjahr wechseln viele Skifahrer lieber aufs Mountainbike oder wandern, obwohl dann am Gletscher die besten Skibedingungen herrschen. Im Herbst hingegen kann für die Sportler die Skisaison nicht früh genug starten, obgleich es da noch an Schnee mangelt. Die Folge: Ausflugsgäste werden als Zielgruppe immer wichtiger. Und in die Verbindungen am Berg wird investiert. Bestes Beispiel dafür ist der neue Gletscherjet 3 und 4, der vom Alpincenter auf halber Berghöhe über eine Mittelstation am Gletscherrand bis an den Fuß des Kitzsteinhorns fährt. So werden Besucher in Zehner-Kabinen und Achtersesseln zum Start der beliebten Gletscherabfahrten gebracht. Damit haben Snowboarder, Familien und schwächere Skifahrer endlich eine Alternative zu den Schleppliften. Außerdem können Touristen ganzjährig eine Gletscher-Rundreise mit Fernblick unternehmen.
Im März 2014 begannen die Arbeiten an dem 25 Millionen Euro teuren Projekt, im Oktober 2015 war es fertig. Gleichzeitig wurde der komplette Gletscherbereich umstrukturiert. Um mehr Platz für Pistenflächen zu bekommen, positionierte man die Magnetköpfl- und Kitzlifte neu, der Keeslift wurde abgebaut. Zwischen Alpincenter und Gletscherrand ersetzt der Gletscherjet 3 die Gratbahn; der Gratlift musste umziehen und erschließt nun unweit der Talstation des Maurerlifts unter dem Namen Schneehasen-Lift eine kurze Piste für Einsteiger. Hier finden Sie den Pistenplan.
Mit diesen Um- und Neubauten holen die Betreiber aus dem Gletscherskigebiet heraus, was möglich ist - bis auf den letzten der immer weniger werdenden Quadratmeter. Eine Verdichtung, die Skifahrern gefällt, die gerne viele Möglichkeiten in einem Areal vorfinden. Und Wintersportlern, die den Gletscher wie schon 1965 ob der "Schneearmut in den Tallagen" zu schätzen wissen. Informationen: www.kitzsteinhorn.at