Zweiter Weltkrieg:Knochenkonservativ, überheblich, voll revanchelüsterner Sehnsucht

Halder hatte den Russlandfeldzug als Generalstabschef des Heeres bis 1942 an entscheidender Stelle mitgeplant und mitgeführt, 1938 aber sogar zu einer Konspiration der Wehrmacht gegen Hitler gehört; 1945, im Zuge der Verhaftungswelle nach dem 20. Juli 1944, war er sogar im Konzentrationslager Dachau inhaftiert.

Dennoch verurteilt die Denkschrift das Attentat auf Hitler als Verrat: "Es konnte nicht die Aufgabe der führenden Offiziere sein, der Armee das Rückgrat zu brechen." Der Soldat habe sich von "der Politik völlig fernzuhalten".

Man kann ihnen nicht einmal zugutehalten, sich selbst getäuscht zu haben. Wenn sie nachher so taten, als hätten sie unter Hitler ein richtiges Leben im falschen geführt, war dies ein Schwindel. "Es handelt sich um einen Vernichtungskampf", hatte Adolf Hitler seinen Generälen am 30. März 1941 offen mitgeteilt, "wir führen nicht Krieg, um den Gegner zu konservieren." Sie hatten den Vernichtungskrieg von 1941 geplant. Und dieser Plan war doch reine Politik, aus der sie sich doch eigentlich heraushalten wollten, eine Politik des Völkermordes nämlich.

Später beteuerten sie, es sei doch nur um die militärischen Operationen gegangen. Aber wenn jemand wissen musste, welchen Zielen diese Operationen dienten, waren sie es doch. Viele von ihnen, ja die meisten, waren mit den Idealen des Kaiserreichs aufgewachsen, knochenkonservativ, überheblich, voll revanchelüsterner Sehnsucht, die "Schmach von 1918" zu tilgen, die Niederlage im Ersten Weltkrieg.

Mit der NS-Bewegung verband selbst jene, die keine überzeugten Nazis waren, eine "Teilidentität der Ziele", wie es der kritische Militärhistoriker Manfred Messerschmidt ausdrückte. Sie hatten diese Ziele unterstützt, den Vernichtungskrieg gegen den "jüdischen Bolschewismus" gutgeheißen.

Mit Absicht hatte die Generalität fast alles Nötige unterlassen, um Millionen sowjetische Kriegsgefangene zu versorgen. Und die Wehrmachtsführung wusste auch, was hinter der schnell vorrückenden Front geschah, Massenmorde nämlich, Bruch aller Kriegsregeln, ein Krieg ohne Gnade.

Die Generäle ordneten den Vernichtungskrieg an

Sie selbst hatten es ihren Soldaten befohlen, etwa Erich von Manstein. Der Oberbefehlshaber der 11. Armee erließ am 20. November 1941 - die Eroberung Moskaus schien bevorzustehen - folgende Order: "Dieser Krieg wird nicht in hergebrachter Form gegen die Sowjetische Wehrmacht allein nach europäischen Kriegsregeln geführt. Für die Notwendigkeit der harten Sühne am Judentum, dem geistigen Träger des bolschewistischen Terrors, muß der Soldat Verständnis aufbringen."

Dokumente wie dieses sind kein Einzelfall, sondern die Regel. Die militärische Führung trug den Vernichtungskrieg mit, sie wurde nicht heimtückisch manipuliert und von einem gewissenlosen Führer und seiner Clique missbraucht, wie die Generäle später in Büchern und Memoiren vorgaben. Es war eine große Lüge, die sie nachher verbreiteten, eine Lebenslüge über das Ausmaß der eigenen Schuld.

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