Zuwanderung:Handydaten von Asylbewerbern überführen nur selten Täuscher

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Zwei Syrer machen auf ihrer Flucht Fotos mit dem Smartphone. (Foto: Carl Court/Getty Images)
  • Die Auswertung der Handydaten von Flüchtlingen deckt nur selten Täuscher auf, die falsche Identitäten angegeben hatten.
  • Das zeigen aktuelle Zahlen des Bundesinnenministeriums.
  • Auch weiterhin werden viele ablehnende Asylbescheide später von Gerichten wieder kassiert.

Von Bernd Kastner, München

Die Auswertung der Handys von Asylbewerbern deckt nur sehr selten falsche Angaben zur Identität auf. Dies zeigen aktuelle Zahlen, die das Bundesinnenministerium (BMI) auf eine Anfrage der Linksfraktion vorgelegt hat. Demnach wurden von Januar bis Juli 2018 in zwei Prozent der Fälle, in denen Handydaten ausgewertet wurden, mutmaßliche Täuscher identifiziert. Das sind 41 Personen. Von knapp 7000 Flüchtlingen wurden in dieser Zeit die Daten ausgelesen, bei gut 2000 auch tatsächlich ausgewertet. Jede dritte Analyse bestätigte die Angaben der Flüchtlinge, zu fast zwei Dritteln lieferten die Daten keine Erkenntnisse.

Als einen Vorteil der umstrittenen Datenauswertung nennt das BMI nun auch, dass Asylverfahren "schneller abgeschlossen werden" könnten, wenn über das Handy die Angaben der Flüchtlinge bestätigt werden. "Ein schlechter Scherz" ist diese Argumentation für Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion. "Das wiegt die hohen Kosten der Maßnahme und den tiefen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht von Schutzsuchenden nicht auf."

Ein ganzer Berg an Klagen ist noch anhängig

Nach wie vor werden viele ablehnende Asylbescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) von den Gerichten kassiert. In knapp 32 Prozent der Fälle, in denen die Richter im ersten Halbjahr 2018 inhaltlich entschieden, wurde nach Berechnung der Linksfraktion einem Flüchtling der von Bamf verweigerte Schutzstatus doch noch zuerkannt. Bei Afghanen liegt die Fehlerquote des Bamf sogar bei gut 58 Prozent und ist im Vergleich zum Vorjahr (61 Prozent) kaum gesunken. "Das ist eine desaströse Behördenbilanz", kritisiert Jelpke. "Es kann nicht sein, dass durch die Masse an fehlerhaften und rechtswidrigen Bamf-Bescheiden die Gerichte lahmgelegt werden." Der Berg an anhängigen Klagen gegen Asylbescheide reduziert sich laut BMI nur langsam: Noch immer sind es knapp 343 000 Verfahren. Während im ersten Halbjahr 79 000 neue Klagen hinzukamen, wurden 87 000 entschieden.

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22 000 zunächst abgelehnte Flüchtlinge erhielten bis Ende Juli im Rahmen von Klageverfahren doch noch einen Schutzstatus, die meisten davon durch einen Richterspruch. Die ist ein deutlicher Anstieg zu 2017, als es im gesamten Jahr gut 30 000 waren. "Wenn es in der Asylpolitik Defizite gibt, dann bei der massenhaft fehlerhaften Ablehnung von Schutz, aber darüber redet kaum jemand", kritisiert Jelpke.

Die aktuellen Asyldaten aus dem BMI zeigen auch, dass immer mehr Flüchtlinge "Familienschutz" erhalten: Zwei Drittel aller Menschen, die im zweiten Quartal Schutz nach der Genfer Konvention erhielten, haben demnach Angehörige, die bereits anerkannt sind als Flüchtlinge. Seit Jahren steigt der Anteil des Familienasyls stark an. Einer der Gründe ist nach Einschätzung der Linksfraktion, dass viele Angehörige, die über den legalen Familiennachzug kamen, hier einen Asylantrag stellen, um ihren eigenen Status klären zu lassen.

Einzelne Außenstellen mit sehr unterschiedlichen Schutzquoten

Weiterhin sehr groß sind die Unterschiede in den Schutzquoten in einzelnen Bamf-Außenstellen. Während bei Afghanen der Bundesdurchschnitt im ersten Halbjahr bei rund 49 Prozent liegt, waren es in der Filiale Manching 27, in Jena aber 78 Prozent. Ähnlich groß sind die Abweichungen beim Herkunftsland Irak (Bundesschnitt: 43 Prozent; Filiale Trier 13, Filiale Bremen 65 Prozent) oder bei der Türkei (Schnitt: 43 Prozent; Außenstelle Büdingen 18, Essen 83 Prozent). Diese Unterschiede sind spätestens seit den Ermittlungen wegen Manipulationsverdachts in Bremen ein Politikum.

Während bisher die Bundesregierung die Differenzen mehr oder weniger mit Zufällen begründete, gibt es nun offenbar fundierte Erkenntnisse. Das Forschungszentrum des Bamf erklärt die Abweichungen mit lokalen Faktoren. Diese könnten etwa die Entscheidungspraxis der örtlichen Verwaltungsgerichte sein oder das "Mikroklima" in der jeweiligen Bamf-Filiale, das sich durch Führungskräfte und die Zusammensetzung des Personals ergebe. Das BMI verweist in seiner Antwort an die Linksfraktion auch auf unterschiedlich hohe Anteile von besonders verletzlichen Personen wie unbegleitete Minderjährige oder allein reisende Frauen in bestimmten Erstaufnahmeeinrichtungen. Grundsätzlich aber sei laut BMI eine "pauschale Erklärung" der hohen Differenzen in den Schutzquoten nicht möglich. "Es darf nicht vom Standort der Behörde abhängen, ob Geflüchtete Schutz erhalten oder nicht", mahnt die Linken-Abgeordnete Jelpke.

© SZ vom 11.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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