Bangladesch:Haftstrafe für den Banker der Armen

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Nobelpreisträger Muhammad Yunus steht an Neujahr vor Gericht. Er wurde gegen Kaution freigelassen. (Foto: Mahmud Hossain Opu/AP)

Nobelpreisträger Muhammad Yunus muss laut einem umstrittenen Urteil ins Gefängnis. Warum die Justiz dem Pionier der Mikrofinanz so hart zusetzt.

Von Arne Perras, München

Menschenrechtler und Unterstützer des Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus haben mit Bestürzung auf dessen Verurteilung in einem Prozess in Bangladesch reagiert. Yunus und drei weitere Führungskräfte des Unternehmens Grameen Telecom waren am Montag zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden, sie kamen zunächst auf Kaution frei. Die Anwälte kündigten Berufung an.

Schon während des umstrittenen Verfahrens hatte es weltweite Kritik am Vorgehen der Justiz in Dhaka gegeben. Mehr als 160 international bekannte Persönlichkeiten, darunter mehr als 100 Nobelpreisträger, kritisierten in einem gemeinsamen Brief den Prozess als "fortgesetzte Einschüchterung" und hatten gefordert, dass Yunus nicht weiter "verfolgt" werden dürfe - ohne Erfolg.

Laut Urteil haben die vier Verurteilten gegen Arbeitsgesetze verstoßen

Das Verfahren gegen Yunus hatte der Staat angestoßen, Kritiker werfen dem Apparat vor, er zeige unter der Führung von Premierministerin Sheikh Hasina immer stärkere autoritäre Tendenzen. Laut Urteil vom Montag haben die vier Verurteilten gegen Arbeitsgesetze des Landes verstoßen, sie hätten es versäumt, einen Sozialfonds einzurichten, wie Medien in Bangladesch berichteten. Die Zeitung Daily Star in Dhaka zitierte Yunus nach der Entscheidung mit dem Satz: "Ich bin für ein Verbrechen verurteilt worden, das ich nicht begangen habe."

Yunus gilt als legendärer Vater der Mikrofinanz und erhielt für seine Arbeit 2006 den Friedensnobelpreis. Weltweit wurde er für seine Verdienste um die Armutsbekämpfung gefeiert, doch die Systeme, die teils auf seine Arbeit zurückgehen und sich stark verbreitet haben, provozierten auch Kritik. So wurde bemängelt, dass gerade bei Mikrokrediten vergleichsweise hohe Zinsen anfallen, die Nutzer in die Verschuldung treiben können.

Premierministerin Hasina nannte den Ökonomen einen "Blutsauger"

Im Falle von Yunus fiel schon vor Jahren auf, dass er sich scharfen Attacken durch Sheikh Hasina ausgesetzt sah. Sie nannte den Ökonomen einen "Blutsauger". Viele vermuten, dass die Premierministerin die treibende Kraft hinter dem Druck auf Yunus ist. Angeblich betrachtet sie ihn schon seit jener Zeit als Gegner, als sich Yunus mit dem Gedanken trug, eine eigene Partei zu gründen. Von dieser Idee rückte er später wieder ab, doch die Kluft zwischen ihm und Hasina blieb bestehen.

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Neben den angeblichen arbeitsrechtlichen Verstößen gibt es auch Korruptionsvorwürfe gegen Yunus. Doch selbst wenn solche Vorwürfe Substanz haben sollten - was nicht bewiesen ist - so sind die Verfahren in Bangladesch kaum dazu geeignet, den Fakten glaubwürdig auf die Spur zu kommen. Denn die Justiz ist nicht in der Lage, unabhängig zu arbeiten, im System Hasina ist sie nach Einschätzung von Analysten starker politischer Einflussnahme ausgesetzt. Im Vorfeld der Wahlen am 7. Januar wurden bereits Tausende Politiker der Opposition verhaftet.

Einer der Anwälte, Abdullah Al Mamun, erklärte im Gespräch mit dem Nachrichtensender BBC zu den Verfahren gegen seinen Mandanten Yunus: "Die ganze Idee ist, seine internationale Reputation zu zerstören." Die Sonderberichterstatterin für freie Meinungsäußerung, Irene Khan, nannte das Verfahren gegen Yunus laut AFP eine "Travestie der Gerechtigkeit".

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