Wladimir Putin:He's an Easy Rider

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Der russische Premier Wladimir Putin hatte ein paar schöne Tage: Mit der schönen Spionin Anna Chapman sang er Heimatlieder, mit einer Harley Davidson heizte er durch Sewastopol. Die Frage ist jedoch: Warum?

Sonja Zekri

Dennis Hopper ist tot, aber Wladimir Putin lebt. Und er fährt Motorrad wie der unvergessene "Easy Rider" - genauer, er fährt ein wulstiges Dreirad, mit Handschuhen, Sonnenbrille und dem "süßen Gefühl von Freiheit", wie er später sagte. Am Samstag rumpelte der russische Premier zwar nicht durch Louisiana, aber über eine Buckelpiste auf der Krim. Hier, im ukrainischen Sewastopol, war er bei einem Biker-Treffen aufgetaucht, um jene Mischung aus Virilität, Volksnähe und Patriotismus zu demonstrieren, für die ihn manche Russen noch immer lieben.

Wladimir Putin auf dem "demokratischsten Fortbewegungsmittel" der Welt, wie er meint: einer Harley Davidson. (Foto: AP)

Auf der Krim leben fast 60 Prozent Russen, in Sewastopol liegt die russische Schwarzmeerflotte, die gegen eine Milliardensumme nun doch länger als bis zum Jahr 2017 bleiben darf. Putins Besuch diente also zur Unterstützung der Harmonie zwischen Moskau und dem neuen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Und selbst die Mitglieder des russischen Bikerclubs "Wölfe der Nacht", die Putin mit heulenden Motoren begrüßten, haben trotz Lederweste und Piratenkopftuch nichts Rebellisches, sondern betonen Glauben und Slawentum.

Putin betonte vor allem die Vorzüge einer Harley Davidson. Das Motorrad sei doch das "demokratischste Fortbewegungsmittel", lobte er - erschwinglich, verwegen und schnell, kurz "ein Symbol der Freiheit". Die Reaktionen auf so viel Überschwang fielen gemischt aus. Während "ibanezjumpgio" im Internet schrieb, "Teufel, Putin macht sich allmählich lächerlich", und andere darüber spotteten, dass der russische Premier "auf einem amerikanischen Spielzeug über staubige Landstraßen" holpere, gaben sich andere Großmachtträumen hin: Er verlange die Vereinigung von Russland, der Ukraine und Weißrussland, tönte "igorvasilevsky", "um der terroristischen angelsächsischen Politik Einhalt zu gebieten".

Dies nun ginge über alles hinaus, was Putin gefordert hat, zumal in diesen Tagen, in denen die gesamte russische Führung Kreide frisst, wenn die Rede auf die amerikanische Politik kommt. Nicht mal der jüngste Spionage-Skandal hat diesen Entschluss ins Wanken gebracht.

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Und falls es noch Zweifel an der Großzügigkeit gibt, mit der Moskau die Festnahme seiner Spione Ende Juni in Amerika behandelt, dann räumte sie Putin in der Ukraine aus. Hier berichtete er von einem ersten Treffen mit der glamourösen Anna Chapman und den neun anderen, Anfang Juli in Wien ausgetauschten Ex-Agenten, das die Affäre in fast nostalgisches Licht rückte. Man habe zusammen gesungen, "nicht Karaoke", sondern zu echter Musik, und zwar Lieder wie "Wo die Heimat beginnt". Der Text dieser sentimentalen Weise handelt von treuen Freunden und Birken im Wind und wurde berühmt durch eine Interpretation Mark Bernes' in dem sowjetischen Geheimdienstfilm "Schild und Schwert", der das Motto des Geheimdienstes KGB bereits im Titel trug.

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Verrat habe die Agenten auffliegen lassen, sagte Putin mitfühlend, und dies nach einem Leben voller Prüfungen. Was die zehn Enttarnten in Russland erwarte? "Interessante, strahlende Leben" an einem "würdigen Platz". Dass dieser beim Geheimdienst zu finden sein würde, sagte er nicht. Dabei war Putin, einst selbst Geheimdienstchef, bislang der Meinung: "Es gibt keine ehemaligen Tschekisten." Einmal Agent, immer Agent. Aber da donnerte er mit seinem Chopper auch noch nicht über die Straße der Freiheit.

© SZ vom 02.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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