Teheran:Hauptsache, gegen den Westen

Lesezeit: 3 min

Kinder beobachten syrische Rebellentruppen in der Grenzregion im Norden Syriens. (Foto: Bakr Alkasem/AFP)

Bei ihrem Treffen in Teheran wollten Putin, Erdoğan und Raisi zeigen, dass die Zeiten der westlichen Dominanz in der Region vorbei sind. Aber reicht ein Minimalkonsens für eine Allianz?

Von Mirco Keilberth, Tunis

Wladimir Putin wirkt ungewöhnlich gelöst. Während des Gipfeltreffens von Teheran mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und dem religiösen Führer Ayatollah Chamenei verzichtete der russische Präsident auf jeglichen Abstand, den er sonst in Moskau einhält.

"Ich freue mich, auf gastfreundlichem Boden zu sein", so Putin am Dienstagabend zu mitgereisten russischen und iranischen Journalisten. "Wir werden unsere Kooperation in internationalen Sicherheitsfragen stärken und dazu beitragen, den syrischen Konflikt beizulegen." Raisi gab die Komplimente zurück und lobte das gemeinsame Bestreben "den Terrorismus zu bekämpfen". Seit elf Jahren steht Teheran im Syrien-Konflikt an der Seite Russlands.

Obwohl es bei dem Treffen offiziell um die Lage in Syrien ging, stand auf der Pressekonferenz die Lage in der Ukraine im Vordergrund. Schmallippig zeigte Putin dem Westen die kalte Schulter. Er kündigte zwar die Einhaltung der geltenden Lieferverträge an, sprach aber auch von technischen Problemen und fehlenden Genehmigungen, die zu weniger Gas für Europa führen könnten.

Wichtiger war Putin aber wahrscheinlich ohnehin ein ganz anderes Thema. Aus US-Geheimdienstkreisen war in den vergangenen Wochen durchgesickert, Iran sei bereit, die russische Armee mit Kampfdrohnen aus eigener Produktion zu beliefern. Von iranischer Seite wurde die Lieferung in Teheran nicht bestätigt, doch die Gerüchte über die bereits laufende Ausbildung russischer Soldaten an den Kamikaze-Drohnen machen in Iran die Runde. Solche iranischen Waffenlieferungen in den Ukraine-Krieg könnten die Gespräche über ein neues Atomabkommen stören.

Auch Putin und Erdoğan sehen das iranische Atomprogramm kritisch

Nach mehreren iranischen Verstößen hatte der damalige US-Präsident Donald Trump das mit den USA, Großbritannien, Frankreich, China, Russland und Deutschland ausgehandelte Abkommen gekündigt. Ursprünglich sollte Teheran damit zum Verzicht auf Atomwaffen verpflichtet werden. Erst vergangene Woche bei seinem Besuch in Saudi-Arabien wiederholte US-Präsident Joe Biden, man würde eine iranische Atombombe mit allen Mitteln verhindern.

Auch Putin und Erdoğan sehen das iranische Atomprogramm kritisch. Der türkische Präsident hatte Teheran im letzten Jahr vorgeworfen, die gesamte Region unter seine Kontrolle bringen zu wollen. Erdoğan baut das Nato-Mitglied Türkei selbst seit Jahren zu einer Regionalmacht aus und ließ dies Putin in Teheran auch spüren. Normalerweise ist es der russische Präsident, der scheinbar genüsslich seine Staatsgäste vor laufenden Kameras warten lässt. In Teheran fand er sich nun selbst alleine vor den Pressefotografen wieder. Sein versteinertes Gesicht verschwand zwar bei dem Händeschütteln mit dem sichtbar entspannten Erdoğan, als dieser endlich auftauchte. Aber das in sozialen Medien kursierende Video der Szene werten viele Beobachter als Indiz für das wachsende politische Gewicht der Türkei.

Mit seinem kompromisslosen Auftreten wollte Erdoğan seinen Machtanspruch in Syrien demonstrieren - es zeigte sich aber auch, welche Probleme die drei Nationen miteinander haben. Die türkische Armee kontrolliert bereits die Grenzgebiete in Nordsyrien und die Rebellenenklave Idlib. Nun sollen aber die immer wieder einsickernden kurdischen YPG-Rebellen aus einem 30 Kilometer breiten Korridor vertrieben werden. Irans oberster Führer Ayatollah Chamenei warnte Erdoğan vor dem Treffen eindringlich vor einer türkischen Offensive. Teheran und Moskau wollen das mit ihnen verbündete syrische Regime und ihre eigenen Milizen in das Gebiet vorrücken lassen. Erdoğan benötigt für seinen Krieg grünes Licht von Putin, da russische Kampflugzeuge den Luftraum über Nordwestsyrien kontrollieren.

Die Blockade der Schwarzmeerhäfen kostet den Kreml zunehmend Sympathien

Als Entgegenkommen bietet die Türkei deshalb an, beim Export ukrainischen Weizens zu helfen. Die Blockade der Schwarzmeerhäfen kostet den Kreml zunehmend die Sympathien in vielen Ländern der südlichen Halbkugel, in denen der exorbitant gestiegene Weizenpreis schon bald zu sozialen Unruhen führen könnte.

Bis Donnerstag soll nun eine türkisch-russische Kommission die Details eines Exportmechanismus aushandeln. Während Kiew wegen des nötigen Entschärfens von Minen vor ukrainischen Häfen türkische Sicherheitsgarantien fordert, will Moskau alle auslaufenden Handelsschiffe auf Waffen untersuchen. Mit seiner Forderung, den derzeit angeblich verbotenen Export von russischem Weizen zu ermöglichen, will Putin offenbar auch eroberte Hafenstädte wie Mariupol zu russischem Staatsgebiet erklären.

Sollte es Erdoğan dann auch noch gelingen, die Regierung in Washington davon zu überzeugen, die restlichen in Syrien stationierten US-Soldaten wie von Iran gefordert abzuziehen, dann sind Verhandlungen zur Beilegung der Kriege in der Ukraine und in Syrien ohne die Türkei wohl kaum noch möglich. Erdoğan hätte sich in eine ganz neue Machtposition gebracht.

Nach Angaben des iranischen Ölministeriums einigten sich Putin und Raisi in Teheran außerdem auf Investitionen des russischen Ölriesen Gazprom in die unter westlichen Sanktionen leidenden iranische Gas-und Ölindustrie. Die von der iranischen Nachrichtenagentur Shana genannte Summe von 40 Milliarden Dollar soll in die Erkundung neuer Gasfelder und den Bau eines Pipelinenetzes fließen.

Nach Jahren der vom Westen erzwungenen Isolation sei Teheran nun wieder eine Hauptstadt der Diplomatie, so Außenministeriumssprecher Nasr Kanani am Dienstag. Aus Oppositions- und Regierungskreisen in Syrien gibt es dagegen kaum Reaktionen. Dort hat man sich nach elf Jahren Krieg angewöhnt, auf Absichtserklärungen nicht viel zu geben.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusUSA
:Ist Joe Biden zu alt für eine weitere Amtszeit?

Das finden zumindest die meisten Amerikaner und sogar etliche Wähler seiner Partei. Er selbst sieht das völlig anders. Und seine Chancen hängen auch davon ab, wer ihn 2024 herausfordern würde.

Von Christian Zaschke

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: