Finanzskandal:Merkel: "Keine Kenntnis von möglicherweise schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten bei Wirecard"

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Kanzlerin Merkel setzte sich im Herbst 2019 in China für Wirecard ein. (Foto: AP)

Das teilt das Kanzleramt mit. Merkel hatte sich bei einem Besuch in China im Herbst 2019 für den Finanzdienstleister starkgemacht. Damals liefen schon seit Monaten Bafin-Ermittlungen gegen Wirecard.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zum Zeitpunkt ihrer Reise nach China am 6. und 7. September 2019 nach Angaben des Bundeskanzleramts keine Informationen darüber, dass der Zahlungsdienstleister Wirecard in großen Schwierigkeiten stecken könnte. "Zum Zeitpunkt der Reise hatte sie keine Kenntnis von möglicherweise schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten bei Wirecard", teilte die Behörde am Mittwoch der Süddeutschen Zeitung mit.

Diese Formulierung lässt allerdings offen, ob Merkel über die damals bereits seit sechs Monaten laufenden Ermittlungen der Finanzaufsicht Bafin gegen den mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleister informiert gewesen war und diese als nicht so schwerwiegend eingeschätzt hatte. Über die Ermittlungen der Bafin war auch öffentlich berichtet worden.

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Der Finanzminister würde sich wohl als Kanzler eignen. Das heißt aber noch lange nicht, dass er sich auch als Kandidat eignet. Gar noch für diese Partei, die mit sich weder im Reinen noch kampagnenfähig ist.

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Das könnte deshalb problematisch sein, weil sich Merkel bei ihrem China-Besuch für den Zahlungsdienstleister eingesetzt hat. "Die Bundeskanzlerin hat das Thema der Übernahme von Allscore durch Wirecard bei ihrer China-Reise angesprochen", schreibt das Kanzleramt. Allscore ist ein chinesisches Unternehmen mit Sitz in Peking. Wirecard wollte das Unternehmen übernehmen, um eine Payment-Lizenz zu erhalten. Dafür war die Zustimmung der Chinesischen Volksbank nötig. Der Merkel begleitenden Wirtschaftsdelegation habe kein Vertreter von Wirecard angehört.

Das Kanzleramt übermittelte eine chronologische Aufstellung der Vorgänge zu Wirecard im Kanzleramt. Daraus gehen regelmäßige Kontakte mit der Wirecard AG hervor. So nahm Staatsministerin Dorothea Bär (CSU) im November 2018 an einer Betriebsbesichtigung in Aschheim teil.

Am 27. November wandte sich der Vorstandschef Markus Braun an Bärs Büro und bat um einen Termin bei Kanzlerin Merkel. "Ein entsprechender Gesprächstermin wurde am 22. Januar 2019 verneint", heißt es weiter. Ein stattdessen angebotenes Gespräch mit dem Leiter der Abteilung Internationales, Lars-Erik Röller, sei von Braun abgelehnt worden.

Am 13. August 2019 habe dann der ehemalige Beauftrage für die Nachrichtendienste des Bundes, Klaus-Dieter Fritsche, um einen Termin bei Röller gebeten. Zur Vorbereitung dazu forderte Röller Infos aus dem Bundesfinanzministerium an.

Am 11. September 2019 kam es dann im Kanzleramt zu einem Treffen von Röller mit Fritsche sowie dem Finanzvorstand von Wirecard und einem strategischen Berater von Wirecard. Es habe dem "allgemeinen Kennenlernen" gedient.

Im Mai 2020 bat dann das Büro von Wirecard-Vorstandschef Braun um einen Termin bei Röller. In einem Telefonat am 20. Mai habe Braun den Vorwurf der Bilanzfälschung zurückgewiesen und vollständige Aufklärung zugesichert.

Am 10. Juni habe es dann eine Videoschalte von Merkel mit Vertretern der Dax-30-Konzere gegeben zur Vorstellung der Corona-Warn-App. Daran habe auch Braun teilgenommen.

Merkel wurde am 30. Juni über den Bilanzskandal und die Insolvenz des Dax-Unternehmens informiert.

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