Wien: Bürgermeisterwahl:Haiders Erben - der Sieg der Rechten

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Triumph der Rechten: Die ausländerfeindliche Freiheitliche Partei Österreichs hat unter Führung von Heinz-Christian Strache ihren Stimmenanteil in Wien verdoppelt. Die SPÖ verliert ihre absolute Mehrheit. Wie konnte das passieren?

Günther Fischer

Kaum ein Wiener kann sich noch daran erinnern, wann die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) in Wien zum letzten Mal nicht mit absoluter Mehrheit regiert und den Bürgermeister gestellt hat. Und der heißt seit 1994, also seit nunmehr 16 Jahren: Michael Häupl.

FPÖ-Vorsitzender Heinz-Christian Strache macht Wahlkampf: am 7. Oktober 2010 auf dem Stefansplatz in Wien. (Foto: dpa)

Einziges Ziel des amtierenden Noch-Bürgermeisters war es denn auch, diese absolute Mehrheit zu verteidigen. Angesichts seines Herausforderers Heinz-Christian "HC" Strache von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) erklärte er seine Partei zum Bollwerk gegen die rechtspopulistischen Provokateure und wünschte sich vor der Wahl sogar noch die "intellektuelle Qualität" eines Jörg Haider zurück.

Geholfen hat alles nichts. Das rechte Lager, angeführt von Strache, hat nach dem Erfolg bei der Wahl im Bundesland Steiermark seinen Stimmenanteil auch in Wien fast verdoppelt - von 14,8 Prozent 2005 auf nun 27 Prozent. Weniger als ein Prozentpunkt fehlt Strache damit auf das einstige Rekordergebnis, das Jörg Haider in Wien erzielen konnte - mehr denn je will er sich nun als legitimer Nachfolger Jörg Haiders inszenieren.

Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) marginalisierte sich weiter - von auch nicht gerade berauschenden 18,8 Prozent (2005) auf nun 13,3 Prozent. Einzig die Grünen konnten ihren Stimmenanteil einigermaßen behaupten. Die SPÖ des wie ein "Renaissancefürst" - so nannte ihn das Nachrichtenmagazin Profil - regierenden Bürgermeisters Häupl brach um 4,9 Prozent ein - von 49,1 (2005) auf 44,2 Prozent. Damit ist die absolute Mehrheit weg und Häupl muss sich einen Koaltionspartner suchen.

Das allein wäre noch nichts Schlimmes, es ist das übliche demokratische Verfahren. Was stärkeres Bauchweh verursacht, ist das nach den FPÖ/BZÖ-Verwerfungen unter Jörg Haider massive Wiedererstarken der Rechten.

Auch wenn mitunter bereits scherzhaft gefragt wird, ob man Wien jetzt überhaupt noch besuchen könne, muss doch eine wichtigere Frage beantwortet werden: Wie konnte das in Österreichs Bundeshauptstadt Wien geschehen, einer Stadt, in der unter anderem der der soziale Wohnungsbau so effektiv wie nirgendwo betrieben und sogar für den Tourismus genützt wird?

Ein paar Antworten können durchaus gegeben werden. Da wäre die amtierende große Koalition aus SPÖ/ÖVP unter Österreichs Bundeskanzler und Krone-Zögling Werner Faymann (SPÖ). Ihr kann man in vielen Bereichen zu Recht ein zögerliches und hilfloses Herumlavieren vorhalten.

Aber, und das ist das Paradoxe, manche Bereiche stellen nicht wirklich ein Problem dar: Die Angst der Österreicher vor Arbeitslosigkeit ist meist ebenso unberechtigt wie das Unbehagen vor einer massiven Einwanderung von Ausländern - sie findet ja gar nicht statt. Nur: Man hätte diese Ängste zumindest ernst nehmen müssen.

Statt dessen bescheinigte man der sich selbst lähmenden Regierungskoaltion ebenso wie dem Populisten Häupl, der seine Stadt dank eines unvergleichlichen Parteiapparats fest im Griff hat, eine gewisse Abgehobenheit und Überheblichkeit. Zwar besuchte Häupl ein Garten- und Firmenfest nach dem anderen, gab sich leutselig und menschennah - aber die Probleme der sogenannten kleinen Leute sind ihm schon seit Jahren fremd.

Die Folge: Die SPÖ verlor ihren "Kuschel-Faktor", viele fühlten sich in ihr nicht mehr zuhause, hatten das Gefühl, dass ihre echten oder vermeintlichen Probleme in dieser Partei nicht mehr gut aufgehoben sind - und wenn nur es nur der Ärger darüber ist, dass schon wieder ein "Türke" und eben keine Wiener Familie in den Gemeindebau eingezogen ist.

Die Ausländerfrage wuchs sich ausgerechnet in der Stadt, die wirtschaftlich höchst erfolgreich und darüber hinaus auch noch die europäische Metropole mit der geringsten Straßenkriminalität ist, zum einzigen und bestimmenden Thema aus. Der Wahlzettel wurde zum Denkzettel. Straches Haltung dazu erinnert nicht von ungefähr an den "Man wird ja wohl noch sagen dürfen"-Sarrazin.

Der FPÖ-Chef profitierte dabei auch von paradoxer Weise von Migranten. Die Stadt Wien hat kein wirkliches Zuwanderungs- und Ausländerproblem. Die meisten Migranten sind oder kommen aus den Ländern der ehemaligen K.u.K.-Monarchie, können oder lernen sehr schnell Deutsch und haben im besten Fall sogar noch Verwandte in Wien oder im übrigen Österreich. Sie integrieren sich schon aus eigenem Antrieb meist in Rekordzeit. Doch Wahlumfragen zeigen, dass gerade Zuwanderer diesmal Strache gewählt haben - aus Angst vor weiterer Zuwanderung.

Ungerechtfertigter Futterneid also, die geringe Wahlbeteilung und das dumpfe Gefühl, ein "Weiter so" in Wien und Österreich nicht wirklich zu wollen, haben Straches Erfolg weiter befeuert. Außer Parolen und eine schwingende Faschismuskeule hatte Häupls Großpartei aber auch nichts anzubieten.

Sicher, Häupl ist ein Bürgermeister von großem Format. Sonst wäre HC Straches Wahlsieg noch wesentlich deutlicher ausgefallen. Dem Rechtspopulisten gelang es aber wesentlich besser als Häupl, sich als Vertreter der Unzufriedenen darzustellen. Und dabei schadeten ihm weder das "Moschee-Baba"-Spiel der steirischen FPÖ noch die sogenannte "Heil-Hitler"-Affäre.

In einer Umfrage von Profil gab Strache gelassen zu Protokoll: "Diese Wahl war die Befreiung Wiens vom roten Diktat." Und er fügte hinzu: "In den kommenden fünf Jahren werde ich Bürgermeister."

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