Bundestagswahl 2021:Wahl-O-Wie?

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Jetzt auch als App: der Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2021. (Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/DPA)

In 38 Klicks zur Wahlempfehlung - ganz so einfach ist es nicht beim Wahl-O-Mat. Wie er funktioniert, welche Schwächen er hat und welche Alternativen es gibt.

Von Johannes Korsche, München

Schon entschieden, wohin bei der Bundestagswahl am 26. September die eigene Stimme gehen soll? Wer noch unsicher ist, findet nun beim Wahl-O-Mat eine Hilfe. Allerdings: Eine politische Meinung sollte man schon haben. Oder besser gesagt 38 Meinungen. Denn zu so vielen Thesen fragt das Tool Zustimmung, Ablehnung oder Neutralität ab. Zum Beispiel "Unternehmen sollen weiterhin an Parteien spenden dürfen" oder "Auf Autobahnen soll ein generelles Tempolimit gelten" - je nach Antworten errechnet der Wahl-O-Mat mehr oder weniger Übereinstimmung mit dieser oder jener Partei. Aber wie funktioniert das? Und gibt es bessere Alternativen?

Wer stellt die Thesen für den Wahl-O-Mat zusammen?

Jeder und jede Wahlberechtigte konnte sich bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) bewerben. Aus den etwa 380 Bewerbungen habe die bpb eine "möglichst bunte Truppe" aus 19 Jungwählern zusammengestellt, sagt Projektleiter Martin Hetterich. Diese durchforsteten mit Wissenschaftlern und Experten aus verschiedenen Sachgebieten die Wahlprogramme der Parteien auf Unterschiede in wichtigen Politikbereichen. 80 Aussagen kamen dabei zunächst heraus, 38 Thesen blieben am Ende übrig. Die Parteien waren bei der Auswahl nicht beteiligt.

Wie kommt es zu den Positionen der Parteien im Wahl-O-Mat?

Die bpb hat die 80 Aussagen allen 40 Parteien vorgelegt, die mit Landeslisten zur Bundestagswahl antreten. 39 haben daraufhin ihre Positionen mitgeteilt - und begründet. Einzig die "Gartenpartei" nahm nicht teil. Die Unionsparteien CDU und CSU haben gemeinsam geantwortet. Der Wahl-O-Mat gibt die Antworten unverändert wieder.

Wie errechnet sich das Ergebnis?

Lehnt ein Nutzer zum Beispiel die These ab, dass Unternehmen weiterhin an Parteien spenden dürfen, bekommen Parteien wie die Grünen, die das ebenfalls ablehnen, zwei Punkte gutgeschrieben. Parteien, die von sich behaupten, in diesem Punkt "neutral" zu sein, erhalten einen Punkt - denn "neutral" bedeutet keine Enthaltung, sondern unter Umständen eine Billigung. Wer wie SPD und CDU/CSU Unternehmensspenden weiterhin erlauben will, geht bei diesem Beispiel leer aus. Dieselbe Meinung ergibt also zwei Punkte, eine benachbarte Meinung einen Punkt und die gegenteilige Meinung keinen Punkt. Will der Nutzer eine These aus der Wertung nehmen, muss er sie "überspringen". Am Ende summiert der Wahl-O-Mat die Punkte jeder Partei und teilt sie durch die mögliche Maximalpunktzahl. Heraus kommen die Prozentzahlen, die dem Nutzer verraten sollen, wie er mit den jeweiligen Parteipositionen übereinstimmt.

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Wie aussagekräftig ist das Tool?

"Es ist bei den Informationsmöglichkeiten zur Bundestagswahl ein Steinchen im Mosaik", sagt Hetterich. Eine Wahlempfehlung sei es nicht, auch weil die Unterschiede zwischen Parteien oft nicht im bloßen "Dafür" oder "Dagegen" liegen. Beispiel Unternehmensspenden: Auf den ersten Blick - dem die Punktberechnung folgt - haben SPD und Union hier gleich geantwortet. In der Begründung der Union heißt es aber dazu, Parteien seien "auf die Unterstützung von Spendern angewiesen", dabei setzt sie auf "volle Transparenz" von Spender und Summe. Die SPD hingegen will mehr regulieren, fordert "eine jährliche Höchstgrenze von 100 000 Euro pro Spender" und ab 2000 Euro eine Veröffentlichungspflicht.

Welchen Einfluss hat der Wahl-O-Mat auf die Wahl?

Das ist schwer zu sagen, denn nicht jeder, dem der Wahl-O-Mat eine Nähe zu den Linken attestiert, wählt auch die Linken. Aber: Sehr viele Menschen nutzen die Entscheidungshilfe, bei der Bundestagswahl 2017 brachte sie es auf 15,7 Millionen Klicks. Ein gewisser Einfluss auf Wahlentscheidungen ist also nicht auszuschließen, allerdings bislang unbewiesen. Eine Studie der Berliner Privatuniversität Hertie School von Januar 2021 konnte bei Plattformen wie dem Wahl-O-Mat jedenfalls "keinen Effekt" auf die persönliche Wahlentscheidung und die allgemeine Wahlbeteiligung ausfindig machen.

Gibt es Kritik?

Natürlich. Der größte Kritikpunkt führte 2019 sogar dazu, dass er vom Netz musste: Kleinparteien würden benachteiligt, urteilte das Verwaltungsgericht Köln auf eine Klage der Kleinpartei Volt hin. Damals bot das Tool pro Durchgang nur acht Parteien zum Abgleich mit dem eigenen Meinungsbild an, heute sind es alle Parteien gleichzeitig. Allerdings sind so auch die extremistischen Parteien auf den ersten Blick sichtbar, früher konnten sie nur einzeln angehakt werden. Ihre Selbstauskünfte werden also ebenfalls unkommentiert mit der Nutzermeinung abgeglichen. So kommt es, dass zum Beispiel der rechtsextreme "Dritte Weg" und die linksextreme "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" gleichberechtigt neben demokratischen Parteien angezeigt werden. "Aber extremistische Parteien sind auch im Wahl-O-Mat extremistisch", sagt Hetterich, vor allem in ihren Begründungen. Außerdem bietet das Tool zu jeder Partei einen einordnenden Infotext an.

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Auch die Thesenauswahl stößt regelmäßig auf Kritik. Zuletzt bemängelte der Deutsche Kulturrat, dass der Wahl-O-Mat die Kulturpolitik ausspare. "Wir werden nicht alle 82 Millionen Blickwinkel auf die Politik abbilden können", sagt Hetterich dazu. Zudem seien die Thesen auf die Bundestagswahl bezogen, und für Kulturpolitik seien die Länder federführend zuständig.

Welche Alternativen gibt es?

Der Wahlkompass bietet zu 30 Thesen je fünf Wahlmöglichkeiten ("stimme voll zu" bis "stimme überhaupt nicht zu") und skaliert das Ergebnis zwischen den Polen "progressiv-ökologisch" und "konservativ-traditionell" sowie "Umverteilung" und "eigene Verantwortung". Klingt kompliziert, ist aber aufschlussreich.

DeinWal schaut nicht auf die Wahlversprechen, sondern auf das bisherige Abstimmungsverhalten der Parteien im Bundestag. Der Realitätsbezug ist also hoch, ansonsten ähnelt das Angebot dem Wahl-O-Mat.

Der Wahl-Swiper orientiert sich stark an dem Prinzip "quick and dirty" der Dating-Plattform Tinder. Wer einer der 36 Thesen zustimmt, wischt sie nach rechts, sonst nach links. Videos bieten zu jedem Thema einen kurzen Einblick, gut für Einsteiger.

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