Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen:Verschollen im Schuldengebirge

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Wie eine wilde Horde Sparkommissare muten die Wahlkämpfer in Nordrhein-Westfalen gelegentlich an. Denn alle Parteien wollen sparen. Doch niemand sagt wie.

Bernd Dörries

Vor einigen Tagen hat Norbert Röttgen vor dem Landtag einen symbolischen Schuldenberg aufgetürmt und gesagt, mit ihm an der Spitze Nordrhein-Westfalens werde dieser kolossale Gipfel stetig abgetragen. Er hat das alles mit dem üblichen Röttgen-Pathos unterlegt, hat seinen Blick in die Ferne schweifen lassen und dort die künftigen Generationen entdeckt, die ihrer Rettung harren, vor dem Ersticken unter dem Schuldenberg.

Den Schuldenberg im Blick: Norbert Röttgen stellt am Mittwoch in Düsseldorf sein Schattenkabinett vor. (Foto: dpa)

Nur wenig später hat Röttgen gesagt, er werde aber doch keine Studiengebühren erheben, eine höhere Pendlerpauschale sei eine gute Sache und ein Spardiktat werde es mit ihm auch nicht geben. Und schwups war der Schuldenberg noch mal ein bisschen höher.

Es ist Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen und alle Parteien haben die Haushaltspolitik als Thema entdeckt. Es wird nicht gegeizt mit großer Sparrhetorik. Wenn man sich das so anhört, bekommt man manchmal den Eindruck, dass das bevölkerungsreichste Bundesland bald wie Griechenland von einer wilden Horde Sparkommissare regiert wird.

Finanzmärkte bauen keine Kindergärten

So weit wird es natürlich nicht kommen, denn neben dem verbalen Spardiskurs gibt es einen großen Konsens von CDU, SPD, Grünen und auch den Piraten: Man will einen starken Staat, der in Bildung und in die schwächelnden Regionen wie das Ruhrgebiet investiert. Es ist nichts mehr zu hören von der Privat-vor-Staat-Rhetorik der letzten Jahre. Das ist im Prinzip auch gut so, denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Finanzmärkte keine Kindergärten bauen und Straßen reparieren.

Ein Problem gibt es aber doch und das ist ganz simpel: Es wird viel mehr ausgegeben, als Geld da ist. Etwa drei Milliarden Euro beträgt die Neuverschuldung in Nordrhein-Westfalen, obwohl die Steuerkassen nur so sprudeln. Wann also soll es jemals zu ausgeglichenen Haushalten kommen, wenn nicht in so guten Jahren wie jetzt? Diese Frage hat im Wahlkampf noch niemand auch nur annähernd beantwortet.

Der nordrhein-westfälische Finanzminister hat einen geheimen Brandbrief an seine Fraktionskollegen geschrieben. Darin warnt er, so weiterzumachen wie bisher. "Es liegt auf der Hand, dass sich eine Verschuldungspolitik nur wenige Jahre durchhalten lässt, weil die dramatisch steigenden Zinslasten den Haushalt sonst erdrosseln." Ein wirklich kluger Mann, dieser Finanzminister. Diether Posser hieß er und amtierte bis 1988. Seitdem haben sich die Schulden im Land vervierfacht. Einen Tilgungsplan, den sonst jeder im Leben vorlegen muss, den gab es nie. Und schon heute gehen acht Prozent des Haushalts für Zinsen drauf.

Effizienzteams? Verschollen

Ein kleiner Fortschritt ist zumindest zu erkennen. Die meisten Parteien sagen im Wahlkampf zumindest, dass das, was die Bürger sich wünschen, nämlich gute Schulen und Betreuung, eben auch etwas kostet - und deshalb die Steuern erhöht werden müssen. Nur kann die Landespolitik in Düsseldorf eben keine Steuern erhöhen, sie muss sich anders helfen.

Was also kann man tun, um beides zu schaffen, um den fürsorgenden Staat nicht kaputtzusparen, sich aber auch nicht von den Schulden erdrücken zu lassen? Die amtierende Regierung hat vor 18 Monaten sogenannte Effizienzteams losgeschickt, die nach Einsparmöglichkeiten suchen sollten. Seitdem hat man von dieser tapferen Truppe nichts mehr gehört, vielleicht sollte man Suchtrupps losschicken ins Schuldengebirge.

Die Vorschläge, die sie machen sollte, liegen aber auf der Hand: Die Bevölkerung schrumpft, während die Zahl der Landesbediensteten weiter steigt. Wahlgeschenke wie das dritte kostenlose Kindergartenjahr müssen zurückgenommen werden. Metropolregionen wie das Ruhrgebiet müssen darüber nachdenken, welche Aufgaben sie gemeinsam erledigen können. All das wird noch nicht reichen. Aber gespart werden muss. Sonst liefert sich die Politik mit ihrer Schuldenmacherei genau den Finanzmärkten aus, vor denen sie den Bürger doch beschützen will.

© SZ vom 12.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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