Eine Partei verliert in einem Großwahljahr die ersten von mehreren Landtagswahlen krachend, die Verantwortlichen schauen flüchtig zurück - und dann wenden sie den Blick nur noch stur nach vorne: Wie kann die nächste Katastrophe noch vermieden werden? Die Niederlage wird dann gerne mit der Phrase erklärt, man habe die eigene Politik nur "nicht richtig kommuniziert".
Was aber ist, wenn man in Wahrheit das Falsche kommuniziert hat und das eigentliche Thema schlicht verfehlt wurde? In Österreich hat die rechtspopulistische FPÖ, die kein starkes Programm, aber viele starke Sprüche auf Lager hat, am Wochenende gleich zweimal abgeräumt: In der Steiermark hat sie ihren Stimmenanteil verdreifacht und ist nun mit 27 Prozent genauso stark wie die zwei früheren Volksparteien SPÖ und ÖVP; im Burgenland hat sie ihren Anteil verdoppelt.
Demnächst stehen weitere Wahlen an, in Oberösterreich und Wien. Also fragt die düpierte Konkurrenz sich jetzt: Wie muss der schnelle Kurswechsel aussehen, mit dem wir retten können, was noch zu retten ist? Aber dafür ist es wohl zu spät. Die FPÖ steht vor den Toren, bis zu 30 Prozent werden ihr in Wien zugetraut.
An Ausländerfeindlichkeit ist das Land auf fatale Weise gewöhnt
Vor ihrem Triumph am vergangenen Wochenende hatten die Freiheitlichen in den aktuellen Szenarien der Partei- und Politikstrategen kaum eine Rolle gespielt. Gewiss, Umfragen sehen die Rechtspopulisten schon länger erstarken; auch in anderen EU-Staaten wie Frankreich oder Ungarn ist die äußerlich glattpolierte, sich demonstrativ gegen radikale Proleten abgrenzende Rechte, die auf konservative Wähler aus der bürgerlichen Mitte zielt, auf dem Vormarsch. Aber in Österreich hatte das zuletzt keine größeren Auswirkungen auf die politische Debatte. Plakate, mit denen (wie jetzt in der Steiermark) für "mehr Wohnungen statt mehr Moscheen" geworben wurde, gehören irgendwie zur Folklore - nach dem Motto: Die FPÖ behauptet schon so lange, die Türken stünden wieder vor Wien, dass man das fast schon lustig finden könnte. Ein fataler Gewöhnungseffekt.
Das Erregungspotenzial, das Pegida in Deutschland zutage fördert, hat es in Österreich so nie gegeben. Dazu ist die FPÖ, eine Partei, die deutschnationale, fremdenfeindliche und kleinbürgerliche Traditionen mischt, schon zu lange Teil des politischen Spektrums. Aber immerhin: Als die ÖVP vor 15 Jahren die so legendäre wie verrufene erste schwarz-blaue Koalition mit der FPÖ unter ihrem damaligen Parteichef Jörg Haider einging, brachen nicht nur EU-Sanktionen und weltweites Kopfschütteln über das kleine Land herein, sondern auch eine Welle innenpolitischen Protestes.
Nostalgiker nennen es "Österreichs Aufstand der Anständigen". Noch heute erzählen Linke und Bürgerliche an weinseligen Abenden gern, wie sie damals geeint auf die Straße gingen; die Revolutionsromantik jener Tage erinnert bisweilen an die Erzählungen deutscher Altlinker.
Das Land braucht einen neuen Aufstand der Anständigen
Nur: Bis heute fischen Haiders Nachfolger rund um ihren erfolgreichen Parteichef Heinz-Christian Strache kontinuierlich weiter bei den Verbitterten, Unzufriedenen und tendenziell Apolitischen; sie stärken mit ihrer Simpel-Rhetorik ("Daham statt Islam") Abwehrreflexe gegen Fremde und steuern die Emotionen derer, die Ausländer als Bedrohung betrachten. Die Hälfte der Wähler, die jetzt der FPÖ ihre Stimme gab, nannte als Grund: Asylpolitik und Integration.
Auch in Österreich sind die Flüchtlingszahlen 2014 um 60 Prozent gestiegen, von Januar bis April 2015 haben fast 15 000 Menschen Asylanträge gestellt. Darauf braucht es konstruktive Antworten. Aber mit dem politischen Gezerre zwischen Bund und Ländern um Zuständigkeiten und Unterbringung, das in Österreich eine beschämende Tradition hat, sendet die politische Elite vor allem diese Botschaft aus: Das Boot ist voll.
Österreich:Sauber bleiben
Die schöne Stadt Salzburg will Touristen und Bürger stärker vor Bettlern schützen. Linke und Rechte sind empört: Den einen ist das Vorgehen zu hart, den anderen immer noch zu weich. Aber was bringt ein Verbot überhaupt?
Dorfgemeinschaften und Bürgerinitiativen, die sich engagiert um Geflüchtete kümmern und diese willkommen heißen, gehen im medialen Wirbel um Zeltstädte und überfüllte Lager unter. Dass der SPÖ-Kanzler Werner Faymann, der nach den jüngsten Wahlniederlagen massiv unter Druck steht, mitsamt seinem Kabinett selbst einmal Neuankömmlinge aus den Kriegsgebieten in Syrien oder im Irak im Aufnahmelager Traiskirchen oder unbegleitete Flüchtlingskinder besucht, um - anders als die FPÖ - Solidarität und nicht Abwehr zu zeigen, darauf wird Österreich wohl noch eine Weile warten müssen.
Das mag daran liegen, dass besonders viele sozialdemokratische Wähler zu den Rechtspopulisten übergelaufen sind. Aber es wäre grundfalsch, die Rezepte der FPÖ heimlich zu kopieren, anstatt sie scharf zu verurteilen. Das Land braucht einen neuen Aufstand der Anständigen.