Dafür, dass Berlins Landeswahlleiterin bereits vor zwei Wochen ihr Amt niedergelegt hatte, waltete sie in den vergangenen Tagen noch ganz schön ihres Amtes. Am Montag präsentierte Petra Michaelis erst einmal das amtliche Endergebnis für die Bundestagswahl, also den Berliner Anteil daran. Am Donnerstag dann legte sie das amtliche Endergebnis für die Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin vor. Schließlich saß Michaelis an diesem Freitag noch im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Wieder einmal ging es um den Superwahlsonntag in Berlin mitsamt vier Abstimmungen und Marathon, der gar nicht so super lief. "Für mich als ehemalige Landeswahlleiterin ist das letzte Kapitel abgeschlossen", sagte Michaelis ohne erkennbare Erleichterung.
Während die Wahlleiterin ihre Arbeit getan hat, beginnt sie nun andernorts. Denn es besteht ja die möglicherweise etwas bizarr anmutende Situation, dass sowohl im Bund als auch in Berlin über Regierungskonstellationen verhandelt wird, während zugleich immer wieder die Rechtmäßigkeit dieser Wahl hinterfragt wird. Es habe "Rechtsfehler in einer nicht unerheblichen Zahl" gegeben, räumte auch Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) im Innenausschuss ein. Die führten aber nicht dazu, "dass die Wahlen insgesamt ungültig werden". Dafür seien die Unstimmigkeiten zu gering im Vergleich zu den deutlichen Wahlergebnissen.
Wahlpannen in Berlin:Einspruch gegen das Wahlergebnis
Franziska Giffey und die SPD verkünden schon eine Entscheidung, doch die verkorkste Wahl zum Abgeordnetenhaus hat ein Nachspiel. Vielleicht muss in einigen Bezirken sogar neu abgestimmt werden. Wie es jetzt weitergeht.
Dennoch schloss Geisel nicht aus, dass er, wie schon die Landeswahlleitung, Einspruch gegen das Wahlergebnis einlegen werde. Dafür müsse man das Wahlergebnis aber noch weiter analysieren. Auch der Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses des Bundestages, Patrick Sensburg (CDU), meinte, dass noch eine "sehr gründliche Prüfung nötig" sei. Grundsätzlich können mit der Veröffentlichung der amtlichen Ergebnisse nun für einen bestimmten Zeitraum Einwendungen gegen die Wahl erhoben werden. Wie genau das geschieht, hängt davon ab, um welche Abstimmung es geht.
Über Einwände gegen die Wahl entscheidet der Bundestag
Für die Bundestagswahl ist der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages zuständig. Dorthin können sich bis zum 26. November, 24 Uhr alle wenden, die meinen, einen juristisch stichhaltigen Einwand gegen die Wahl zu haben. Am vergangenen Mittwoch waren bereits über 100 solcher Einwendungen aufgelaufen, ein größerer Teil davon aus Berlin. Der Bundestag entscheidet dann mit einfacher Mehrheit. "Ich könnte mir sogar vorstellen, dass der Wahlprüfungssauschuss des Deutschen Bundestages die Einsprüche gegen die Wahl in Berlin in öffentlicher Sitzung verhandeln wird", sagte Sensburg dem Handelsblatt. Damit könnte vielleicht ein Teil des verlorenen Vertrauens zurückgewonnen werden. Lehnt der Bundestag einen Einspruch ab, kann eine Wahlprüfungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht gerichtet werden.
Strittiger als die Bundestagswahl scheint aber die Abstimmung zum Berliner Abgeordnetenhaus zu sein, die am selben Tag stattfand. Die meisten Unregelmäßigkeiten betreffen diese Wahl - auch der Einspruch der Wahlleitung steht im Zusammenhang mit zwei Direktmandaten im Abgeordnetenhaus. Einwendungen sind hier möglich, wenn das Endergebnis im Berliner Amtsblatt veröffentlicht ist, also von kommender Woche an. Anders als bei der Bundestagswahl steht dieses Recht den Wählern selbst nur in Ausnahmefällen zu, es ist vor allem Parteien oder Mandatsträgern vorbehalten. Der Adressat ist auch nicht das Abgeordnetenhaus, sondern der Landesverfassungsgerichtshof, die Einspruchsfrist beträgt einen Monat.
Die Hürden für Neuwahlen sind sowohl im Bund als auch in den Ländern hoch. Entscheidend ist, ob ein Wahlfehler "mandatsrelevant" war, also zum Beispiel, ob die Zahl der strittigen Stimmen in einem Wahlkreis höher ist als die Stimmendifferenz zwischen dem Erst- und Zweitplatzierten. Dann würde die Wahl in diesem Wahlkreis für ungültig erklärt, es müsste neu abgestimmt werden. Zahlreiche Experten gehen davon aus, dass dies nach der Prüfungsfrist notwendig sein wird. In diesem überschaubaren Rahmen sollten neue Wahlen dann aber selbst von Berlin zu bewältigen sein.