Wahlpannen in Berlin:Einspruch gegen das Wahlergebnis

Sitzung des Landeswahlausschusses

Alle Zettel beisammen: Am Wahlsonntag ging in Berlin einiges schief. Die Landeswahlleitung erhebt nun Einspruch gegen das Ergebnis.

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Franziska Giffey und die SPD verkünden schon eine Entscheidung, doch die verkorkste Wahl zum Abgeordnetenhaus hat ein Nachspiel. Vielleicht muss in einigen Bezirken sogar neu abgestimmt werden. Wie es jetzt weitergeht.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Wegmarke könnte man einen Tag wie diesen Donnerstag nennen. Wenn also in einer recht unübersichtlichen Lage für etwas Ordnung gesorgt wird. Unübersichtlich war die Lage in Berlin nach dem Superwahlsonntag am 26. September in allerlei Hinsicht. Da war einmal der verkorkste Ablauf der Wahl in der Hauptstadt, der den Vorwurf, Berlin sei weithin dysfunktional, mindestens unterstrich. Außerdem war da ein Wahlergebnis, das allerhand Regierungskonstellationen zuließ und eine designierte Regierende Bürgermeisterin, die etwas anderes wollte als ihre Partei.

So stand Franziska Giffey, bekannt unter anderem für ihre konstant gute Laune, um elf Uhr vormittags überraschend verdrossen im Foyer der Berliner Parteizentrale im Kurt-Schumacher-Haus. Kaum ein Lächeln ging über ihr Gesicht als sie verkündete, nicht mehr mit den Grünen und der FDP, sondern mit den Grünen und der Linken weiter zu verhandeln. "Auch wenn wir uns für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit den bisherigen Partnern entscheiden, muss eines klar sein: Ein einfaches 'Weiter so' wird es nicht geben", sagte sie. Es klang wie ein "Ja, aber" auf dem Standesamt. Gefragt danach, dass sie doch eigentlich lieber die FDP als die Linken dabeigehabt hätte, antwortete Giffey, das treffe zu, "ich habe ganz klar eine Präferenz geäußert". Zugleich sei aber "klar, dass es bei drei Partnern auch bei allen passen muss".

Lob bekam Giffey ausgerechnet von Bettina Jarasch, der Spitzenkandidatin der Grünen: "Ich habe hohen Respekt vor der Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit mit der Giffey die Dinge angeht." Das war vermutlich wirklich nett gemeint, zugleich konnte Jarasch es auch leicht sagen: Bei der Wahl rangierten die Grünen zwar gut zwei Prozentpunkte hinter der SPD. Doch die Fortsetzung des Linksbündnisses aus SPD, Grünen und Linken war das, was Jarasch immer gefordert hatte.

Wenige Fahrradminuten von der Grünen-Parteizentrale entfernt, im Haus des Senators für Inneres, brachte Landeswahlleiterin Petra Michaelis einige Klarheit in die andere große Wirrnis, den Ablauf des Wahlsonntags. Michaelis nahm die Präsentation des amtlichen Endergebnisses der Abgeordnetenhauswahl zum Anlass für einen bemerkenswerten Schritt: Sie kündigte an, dass die Landeswahlleitung selbst Einspruch gegen das Wahlergebnis einlegen wird. Das ist mit der Veröffentlichung des amtlichen Endergebnisses im Berliner Amtsblatt möglich, wirkte aber im Fall der Landeswahlleitung fast wie eine Selbstanzeige.

"Markante Unregelmäßigkeiten"

Tatsächlich agieren die Wahllokale weitgehend selbstverantwortlich und in zwei Wahlkreisen habe es markante Unregelmäßigkeiten gegeben. Der Abstand zwischen dem Erst- und dem Zweitplatziertem sei dort so eng, dass das Ergebnis geprüft werden müsse. "In diesen Fällen könnten sich Unregelmäßigkeiten mandatsrelevant ausgewirkt haben", sagte Michaelis bei der Sitzung des Landeswahlausschusses. Das Berliner Verfassungsgericht sammelt solche Einsprüche nun vier Wochen lang, dann wird entschieden, ob in einzelnen Wahlbezirken vielleicht sogar neu abgestimmt werden muss.

Am Montag hatte Michaelis das amtliche Endergebnis für die Bundestagwahl präsentiert. Dort hat es nur geringe Abweichungen zum vorläufigen Ergebnis gegeben. Wie der Tagesspiegel berichtete, seien beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestags bereits mehr als 100 Beschwerden gegen das Ergebnis eingegangen, "ein großes Paket" davon beziehe sich auf die teils chaotischen Zustände in Berlin. Die Partei "Die Partei" und die Freien Wähler hatten angekündigt, nun auch gegen das Ergebnis der Wahl zum Abgeordnetenhaus Beschwerde einzulegen. Anders als bei der Bundestagswahl können hierbei die Wähler nur in Ausnahmefällen Einsprüche geltend machen.

"Wir haben unser Bestes gegeben, uns an alle Bestimmungen zu halten", sagte Michaelis am Donnerstag. Doch in 207 der insgesamt 2257 Wahllokale in Berlin habe es Pannen gegeben. Fehler wurden offenbar schon vor dem Wahltag gemacht. So seien der Landeswahlleitung bereits im August Kartons mit falsch einsortierten Stimmzetteln aufgefallen. Auf Warnungen hin sei offensichtlich nichts geschehen. Eine Gruppe von Experten soll nun bis zum Frühjahr noch einmal genau ermitteln, wie es zu welchen Pannen am 26. September kam.

So war dieser Donnerstag tatsächlich nur eine Wegmarke, hinter der das Ziel noch nicht wirklich zu erkennen ist. Auch die designierte Regierende Bürgermeisterin warnte davor, sich zu sehr in Sicherheit zu wiegen. Die weiteren Sondierungen mit der Linken und nicht mit der FDP seien ein deutliches Signal. "Wir sind aber noch nicht am Ende der Sondierungen", schränkte Giffey ein. "Wir teilen Ihnen hier einen Zwischenschritt mit." Das war wohl an die Linken gerichtet, mit denen SPD und Grüne an diesem Freitag ein erstes schriftliches Ergebnis der Sondierungen ausarbeiten wollen.

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