Wahl in der Ukraine:Erleichterung und Sorge

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Es war eine faire Wahl mit einem großartigen Ergebnis. In der Ukraine haben sich die Reformkräfte durchgesetzt. Die alles entscheidende Frage ist allerdings noch nicht beantwortet: Wie wird das Land mit Russland und den Separatisten im Donbass umgehen?

Kommentar von Cathrin Kahlweit

Sorge und Erleichterung halten sich die Waage nach der Ukraine-Wahl, und was von beidem überwiegt, hängt wesentlich vom Betrachter ab. Im Westen Europas - und im Westen des Landes - ist man begeistert: Die Reformkräfte haben gewonnen, die alten Mächte haben ihren Einfluss nur bedingt geltend machen können, die Wahl war demokratisch und fair, die Ukrainer haben ihre politische Reife bewiesen. Nach all den hochfliegenden und teils enttäuschten Hoffnungen des vorigen Winters, nach all dem Chaos und der Aufregung der vergangenen Monate ist das ein großartiges Ergebnis.

Auch alle Befürchtungen, dass Populisten und Rechtsradikale die unsicheren Zeiten und die aufgeheizte Stimmung im Angesicht des Kriegs im Osten für ihre Zwecke würden nutzen können, haben sich nicht bewahrheitet. Die Ukraine ist in Haltung und Erwartung ein europäisches Land, könnte man sagen - und hätte recht damit. Aber da gibt es eben auch die Sorge, die all jene umtreibt, die vor zehn Jahren den ersten Anlauf für eine grundlegende Veränderung im Land erlebt haben; und die gesehen haben, wie dieser scheiterte.

Damals blockierten sich die Lager von Premierministerin und Präsident, die Oligarchen weiteten ihren Einfluss aus, die demokratischen Errungenschaften, die auf dem Papier standen, wurden mit Füßen getreten, am Ende stand ein Comeback des Autokraten Janukowitsch. Passiert so etwas wieder, kann das wieder passieren?

Der Westen macht Druck, dass die Reformversprechen eingehalten werden

Die gleichstarken Lager von Premier und Präsident, die jetzt aus der Neuwahl hervorgegangen sind, haben im Prinzip dieselben Ziele. Sie haben aus der Orangenen Revolution gelernt. Die Bevölkerung hat das auch getan, sie würde einen zweiten politischen Binnenkrieg nicht hinnehmen; zumal es im Osten einen echten Gegner und einen von außen forcierten Krieg gibt. Der Westen macht Druck, dass die Reformversprechen eingehalten werden. Und jener Teil der nationalistischen Maidan-Kräfte, die sich verselbständigt haben, macht ebenfalls Druck.

Und doch hängt jetzt alles an einer Frage: Wird es einen gemeinsamen Kurs gegenüber Russland und den Separatisten geben? Werden Premier und Präsident gemeinsam die Dezentralisierung organisieren? In Kiew gilt als sicher, dass Präsident Poroschenko sich mit dem Verlust des Donbass abgefunden hat. In seinem Lager heißt es, ein zweites Transnistrien - also ein von Moskau kontrolliertes, nur formal ukrainisches Gebiet - könne hingenommen werden, wenn der Rest des Landes intakt und autonom bleibe. Viele Ukrainer betrachten das als Verrat, auch wenn jede andere Lösung mehr Blutvergießen und einen längeren Konflikt bedeuten könnte.

Was der neue starke Mann, Premier Jazenjuk, mit dem Osten wirklich will, ist unklar. Er sagt, Russland führe Krieg gegen sein Land. Und er warnt, dass die Besetzung des Donbass durch Separatisten nur der erste Schritt sei. Aber will er, dass auch die Ukraine diesen Krieg weiterführt? Daran wird sich das Schicksal der Koalition und vielleicht des Landes entscheiden.

© SZ vom 28.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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