Selbstverständlich ist diese Entwicklung nicht. Hectór, der gerade mit seinen Freunden im Domino-Club die Steine mischt, zögert kurz und wirkt nachdenklich. "Amerika war bisher immer gut zu uns. Doch das ändert sich gerade. Wir alle haben Angst, was die Zukunft bringt."
Schleppende Mobilisierung gegen Trump
Ana Clara Parquero aus Costa Rica und Maria Cecilia Briones aus Nicaragua sind keine ängstlichen Frauen. Sie leben seit 15 Jahren ohne Papiere in Miami und arbeiten als Haushaltshilfen. Doch die Bedingungen sind nicht einfach. "Wir bekommen nur fünf Dollar Stundenlohn, und oft bezahlt man uns einfach gar nichts", erzählen sie. Hinter ihnen rauscht der niemals endende Abendverkehr durch den Stadtteil Coral Way. "Die wissen, dass wir als Illegale nicht zur Polizei gehen."
Auch das sind die Geschichten der Latinos in den USA: Menschen, die illegal ins Land kamen und seit Jahrzehnten als billige Arbeitskräfte geduldet werden, weil sie die Jobs erledigen, die Amerikaner nicht mehr machen wollen. Ana Clara und Maria Cecilia haben Kinder, die hier geboren wurden und dadurch US-Bürger sind. Sie sollen es einmal besser haben, doch plötzlich geht es darum, das Erreichte nicht zu verlieren.
Die Latino-Community, so der Eindruck, rückt deshalb trotz aller Unterschiede zusammen. Im ganzen Land gibt es Bemühungen, Einbürgerungen voranzutreiben, um als ordentlicher US-Bürger wählen zu dürfen - mit dem Ziel, Donald Trump zu verhindern. Welcher US-Latino würde schon für einen Kandidaten stimmen, der die Mutter oder Freunde deportieren möchte?
Die politische Mobilisierung der Latinos verläuft mitunter schleppend, obwohl sie inzwischen einen stattlichen Teil der Bevölkerung ausmachen: Lebten 1950 insgesamt nur drei Millionen Menschen mit hispanischem Hintergrund in den USA, sind es heute 55 Millionen. Bis zum Jahr 2050 werden es 106 Millionen sein. 900.000 Hispanics erreichen jedes Jahr das wahlfähige Alter.
10.45 Uhr, erste Pause an der Liberty Highschool in Kissimmee: 2000 Schüler stürmen auf den Pausenhof, zwei Drittel von ihnen haben hispanischen Hintergrund. In einer Ecke warten bereits Esteban Garces und seine Helfer: Am Stand von "Mi Familia Vota" können sich Teenager über ihr Wahlrecht informieren. Wenn sie im November 18 Jahre sind, können sie sich gleich registrieren - nur dann dürfen sie über den nächsten Präsidenten abstimmen. "Wir versuchen, die Jungwähler immer wieder zu mobilisieren, anders geht es nicht", erzählt Garces, "dieses Jahr wollen wir 33 000 Erstwähler registrieren." Neben Florida ist "Mi Familia Vota" deshalb in Nevada, Colorado, Kalifornien, Arizona und Texas aktiv, jene Staaten mit hohem Anteil an Hispanics.
Die Schüler versammeln sich um die Listen, sprechen mit den Helfern, die kaum älter als sie selbst sind. Wählerregistrierung bedeutet in den USA, sich für eine Partei zu entscheiden oder als "unabhängig" einzuschreiben. Die hispanischen Wähler sind zu 38 Prozent Demokraten, mit 25 Prozent ist der Anteil der Unabhängigen inzwischen höher als der an Republikanern. Wer als Latino in den USA geboren wurde, ist im Schnitt jugendliche 18 Jahre alt. Republikanische Strategen hoffen immer noch darauf, dass die Latinos einmal der klassischen, weißen Arbeiterschicht ähnlich werden. Religiosität spielt bei den Hispanics eine größere Rolle, die Ablehnung von Abtreibung ist höher als in jeder anderen Bevölkerungsgruppe. Zugleich aber sind sie für Waffenkontrolle und den Mindestlohn - klassische Anliegen der Demokraten.
Mi Familia Vota Erstwähler in Florida Zum Video Artikel
(Video: Süddeutsche Zeitung )Die Schüler, die dieses Jahr zum ersten Mal wählen dürfen, erzählen, dass sie für Hillary Clinton sind. Anders als viele ältere Hispanics kennen sie aber auch Bernie Sanders. Aber eigentlich wollen sie nur das, was sich alle in ihrem Alter wünschen: Eine Zukunft, eine gutes Leben und einen Job, der sie ernährt. Das ist nicht selbstverständlich: Latinos haben ein größeres Risiko, die Schule abzubrechen und erreichen mit geringerer Wahrscheinlichkeit einen Uni-Abschluss.
Und dann stehen dort auf dem Pausenhof auch noch die Illegalen. Äußerlich unterscheiden sie sich nicht von den anderen, doch sie sind schlechter gestellt: Sie sind als Kinder mit ihren Eltern gekommen und haben nie etwas anderes kennengelernt als ein Leben in den USA. Und doch haben sie offiziell kein Recht darauf, hier zu sein.
"Dreamer" werden diese Kinder ohne Papiere genannt. Nach der Schule ist der Weg für sie steiler als für den Rest, weil dann ihr illegaler Aufenthaltsstatus wieder eine Rolle spielt. US-Präsident Obama ermöglichte immerhin, dass sie Sozialversicherungsnummern und damit leichter Job und Führerschein bekommen. Doch was hat der Mensch vor, der im Januar 2017 ins Weiße Haus einzieht? Nicht nur in Kissimmee und Miami warten sie nervös auf eine Antwort.