Zwischenfälle bei Wahlveranstaltungen:Trumpisten und Trump-Gegner auf Kollisionskurs

Presidential Candidate Donald Trump Holds Chicago Campaign Rally

Anhänger und Gegner Donald Trumps am Freitag in Chicago.

(Foto: Bloomberg)

Tränengas, Demonstranten als "Müll": Sind die Tumulte während der Auftritte Donald Trumps ein Vorgeschmack auf das, was die USA im Herbst erwartet?

Von Johannes Kuhn, Miami

Feindseligkeiten, Handgreiflichkeiten, Tumult: Donald Trumps Kundgebungen driften immer häufiger ins Chaos ab. Die Sorge wächst, dass den USA in den kommenden Monaten ein Wahlkampf im Ausnahmezustand drohen könnte.

Bereits am Mittwoch schlug ein Trump-Anhänger einem Demonstranten ins Gesicht. Am Freitag wurden in St. Louis 32 Demonstranten festgenommen. Seinen Auftritt in Chicago sagte Trump ab, nachdem es in der Halle zu Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern gekommen war. Zwei Polizisten und zwei Besucher wurden verletzt, fünf Menschen festgenommen.

Am Samstag versuchte ein Trump-Gegner in Ohio, während dessen Rede auf das Podium zu klettern. In Kansas City wurde der Kandidat später erneut mehrere Male unterbrochen, vor der Halle setzte die Polizei Reizgas ein. Trump selbst beschimpfte die Demonstranten als "Müll".

Der 69-Jährige hatte die wenigen Protestler lange zum Anlass genommen, seine Gegner lächerlich zu machen. Zuletzt hatten die Zwischenfälle bei Trump-Auftritten stetig zugenommen. Schon vor einer Woche in einem Flugzeug-Hangar in New Orleans hatte er seine Rede mehrmals unterbrechen müssen, weil Aktivisten ihn mit Sprechchören aus dem Konzept brachten.

Koalition von Studenten und Aktivisten

Anwesende - darunter der Autor dieser Zeilen - konnten erleben, wie sich die Stimmung hochschaukelte: Anhänger brüllten die Gegner mit "Trump, Trump, Trump" und "U-S-A"-Rufen nieder und bedrängten die Gruppe. Trump selbst heizte sie mit "kümmert euch um sie" an. "Warum dauert das so lange, Louisiana, ihr habt doch einen anderen Ruf!" mahnte der Milliardär ungeduldig. Zu diesem Ruf gehört nicht nur eine gewisse Rauheit, sondern auch eine Geschichte rassistischer Lynchmorde. Die Anhänger waren fast durchgehend weiß, die Protestierenden vorwiegend schwarz: Wie Trump seinen Aufruf meinte und wer das wie verstand, blieb wie so oft im Zweideutigen.

Mit Chicago und dem Bundesstaat Missouri war Trump allerdings nun in Regionen unterwegs, in denen die Debatte über die institutionelle Benachteiligung von Afro-Amerikanern am heftigsten geführt wird und die Bevölkerung stark politisiert hat. An der Universität Chicago, die für ihre ethnische Vielfalt bekannt ist, war eine gut vernetzte Koalition aus Studenten (viele davon Bernie-Sanders-Anhänger) und den Aktivisten von Black Lives Matter am Freitagabend vor die Halle gezogen. Sie hatte zudem so viele Gegner in die Veranstaltung gebracht, dass Niederschreien und Rauswurf aussichtslos waren.

Landesweite Protestbewegung bildet sich

Gerade die Absage in Chicago markiert einen Bruch mit den Gepflogenheiten der politischen Auseinandersetzung: Die Aktivisten berufen sich auf die Idee des zivilgesellschaftlichen Widerstands. Doch der (allerdings von Trump, nicht der Polizei veranlasste) Abbruch der Veranstaltung lässt das Szenario eines Extrem-Wahlkampfs im Herbst auftauchen: Ständige Zusammenstöße zwischen den Anhängern beider Lager, die jeweils Kundgebungen der gegnerischen Kandidaten sabotieren.

Vielleicht sind solche Prognosen im überhitzten Klima dieser Tage jedoch verfrüht. Dass sich im Falle einer Nominierung Trumps eine landesweite Protestbewegung der Trump-Gegner bildet, zeichnet sich bereits ab - nicht aber deren Größe. Immerhin lässt sich 2016 der Lauf der Dinge am besten in der Wahlkabine, nicht auf der Straße bestimmen.

Proteste Trump Miami

Proteste gegen die Republikaner in Miami, Florida.

(Foto: Beate Wild)

Vor der TV-Debatte der Republikaner am Donnerstag deutete sich an, wer zu einer Anti-Trump-Koalition gehören könnte: Hunderte Demonstranten versammelten sich in Miami, um mit Schildern wie "Trump = Odio" (Trump = Hass) gegen die verbliebenen konservativen Kandidaten zu protestieren.

Zu den Gruppen gehörten Latino-Organisationen, Gewerkschaften, Bernie-Sanders-Anhänger, Aktivisten von Black Lives Matter, Frauenrechtler, Klimaaktivisten. "Das ist erst der Anfang", rief eine Demonstrantin lachend, "wenn Trump nominiert ist, werden noch viel mehr kommen."

Konkurrenten kritisieren Trump

Die Trump-Rivalen Ted Cruz und Marco Rubio bezeichneten die Vorkommnisse von Chicago als "traurig". Rubio verglich Trumps Rhetorik mit der eines autoritären Herrschers aus der dritten Welt. Cruz warf dem Spitzenreiter der Republikaner vor, einen Wahlkampf zu führen, der "indirekt Gewalt propagiert". John Kasich sprach von einer giftigen Atmosphäre. Rubio erklärte, es werde "jeden Tag härter", Trump im Falle einer Nominierung zu unterstützen. Alle drei Kandidaten machten jedoch auch die Medien-Berichterstattung für die Eskalation verantwortlich.

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