Vom IS belagerte Stadt in Syrien:Wie Kobanê heute aussieht

Am 15. September 2014 begann die Schlacht um Kobanê, die die Terrormiliz IS verloren hat. Was seitdem passiert ist - mit Fotos des Hamburger Fotografen Robin Hinsch.

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Kobane

Quelle: Robin Hinsch

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Am 15. September 2014 begann die Schlacht um Kobanê mit dem Angriff der Terrormiliz IS. Der Fotograf Robin Hinsch hat das Leben in der syrisch-kurdischen Stadt nach den Kämpfen dokumentiert.

Im Herbst 2014 wird das bis dahin im Westen kaum bekannte Kobanê (Arabisch: Ain al-Arab) zu einem Symbol des Widerstandes gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat". In nur drei Wochen schaffen es die Truppen des IS, das Umland unter ihre Kontrolle zu bringen. Der Widerstand der Kurden scheint aussichtlos. Der IS greift mit Panzern an, die Kurden können nur Granatwerfer und Kalaschnikows dagegensetzen.

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Lange Zeit ist Kobanê fast eingekesselt. Es gibt nur einen Grenzübergang in die Türkei. Die Verteidigung der Stadt wird von kurdisch-syrischen Selbstverteidigungseinheiten organisiert, bekannt als YPG. Ende September beginnt die internationale Koalition gegen den IS mit Luftschlägen auf Stellungen der Dschihadisten. Auch kurdische Kämpfer aus den umliegenden Ländern eilen der YPG zu Hilfe: kurdische Peshmerga aus dem Irak, PKK-Kämpfer aus der Türkei.

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Während die kurdischen und alliierten Kämpfer Kobanê verteidigen, flieht ein Großteil der Bevölkerung Richtung Türkei. Doch zunächst stecken Tausende Flüchtlinge in der Nähe der syrisch-türkischen Grenze fest. Die Türkei blockiert die Grenzen; erst nach einigen Tagen öffnen sie den Grenzübergang. 130 000 Flüchtlinge lassen sich schließlich im türkischen Suruç, in Sichtweite von Kobanê, nieder.

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Anfang Oktober erobert der IS drei Bezirke im Osten Kobanês. Von nun an weht hier die schwarze Flagge des IS, die Stadt wird belagert. Die kurdischen Bodentruppen sind am Ende ihrer Kraft. Auch die Angriffe der internationalen Koalition bewirken wenig. Immerhin: Der zähe Widerstand der kurdischen Kämpfer erlaubt großen Teilen der Bevölkerung die Stadt unversehrt zu verlassen.

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Im Januar 2015 folgt die Wende: Gemeinsam mit ihren Unterstützern gelingt es den Kurden, die Terrorkämpfer zu vertreiben. Anfang Februar gilt die Stadt als befreit. In den folgenden Wochen erobern die Kurden auch viele Dörfer rings um Kobanê zurück.

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Doch die Freude über den Erfolg hält nicht lange an. Am 25. Juni 2015 kehrt der IS nach Kobanê zurück. Diesmal nicht mit Raketen am helllichten Tag, sondern im Dunkel der Nacht: Verkleidet als syrische Rebellen oder kurdische Kämpfer dringen die Männer des IS in Kobanê ein. Sie ziehen von Haus zu Haus und töten mehr als 250 Zivilisten. Trotzdem schaffen es die kurdischen Einheiten schließlich, den Angriff abzuwehren.

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Die Belagerung Kobanês dauert bis heute an - zumindest in den Köpfen der Menschen. Die einstige Kulturmetropole ist heute nur noch ein Schatten ihrer selbst. Nur vereinzelt trifft man auf Menschen, die dem Horror des Krieges trotzen und ihr Zuhause nicht aufgeben wollen. Manchmal haben die Zurückgebliebenen aber auch schlicht keine andere Wahl, als in der zerstörten Stadt auszuharren.

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Seit dem Ende der Kämpfe bemühen sich die Menschen in Kobanê, die Stadt wiederaufzubauen. Es fehlt an allem, am meisten aber am Geld. Schätzungen, was der Wiederaufbau kosten könnte, belaufen sich auf mehrere Milliarden US-Dollar.

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1400 Leichen mussten die Menschen in Kobanê von den Straßen räumen. 80 Prozent der Stadt sind zerstört. Es gibt keinen Strom, kein Wasser, keine Kanalisation.

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Verlassen liegt Kobanê nach dem Ende der Kämpfe da. Erst einmal ist Ruhe eingekehrt. Auf der anderen Seite der Grenze, im türkischen Suruç, gilt das nicht. Im Juli 2015 sprengte sich dort ein Attentäter in die Luft. Er tötete 32 Menschen, die meisten von ihnen Kurden, die sich für den Wiederaufbau Kobanês engagierten. Anscheinend handelte der Attentäter im Namen des IS.

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Seit dem Anschlag ist der Kurdenkonflikt in der Türkei wieder gewaltsam aufgeflammt. Die Kurden geben der regierenden AKP und Präsident Erdoğan die Schuld an dem Attentat. Der Vorwurf: Seine Regierung habe IS-Kämpfer ungehindert nach Syrien passieren lassen. IS-Kämpfer hätten sogar Waffen über die Grenze geschmuggelt; Verwundete seien in türkischen Krankenhäusern behandelt worden. Die türkische Regierung dementiert dies bis heute.

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Nach dem Ende der Kämpfe im Februar 2015 versuchte die Hilfsorganisation Handicap International, Kobanê wieder bewohnbar zu machen. Die Experten sind schockiert von der Menge an Sprengkörpern, die sie vorfinden. "Was unsere Fachleute in Kobane gesehen haben, übertraf unsere schlimmsten Albträume: Ein Großteil der Stadt ist extrem zerstört, und die Kontaminierung mit nicht-explodierten Waffen aller Art hat eine Dichte und Vielfalt erreicht, die es so noch kaum gab", sagte Frédéric Maio, Programm-Manager für humanitäre Minenaktion bei Handicap International.

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Eine Untersuchung der Hilfsorganisation ergibt, dass der Stadtkern noch immer "extrem kontaminiert" ist. Hier fänden sich auf einem Quadratmeter durchschnittlich zehn Munitionsteile. Mancherorts wurden sogar Leichen mit Sprengsätzen präpariert, "gefüllt mit 20 Kilo Sprengstoff und mehr als 500 Stahlkugeln, die eine improvisierte Splitterbombe ergeben". Versuche, solche Leichen zu bergen, hätten mehrfach tragisch geendet. Deshalb ließen die Bewohner von Kobanê viele Tote einfach im Geröll liegen.

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Mehr als 700 Mal hatten Kampfflugzeuge der US-geführten Anti-IS-Koalition 250 bis zu 1000 Kilo schwere Fliegerbomben auf die Kleinstadt abgeworfen. Außerdem explodierten etwa 40 Autobomben und 20 Selbstmordattentäter des IS sprengten sich in östlichen Stadtvierteln in die Luft.

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Der Journalist Massoud Hamid, kurdischer Reporter aus Syrien, war Ende Juni für den Sender Arte in Kobanê. Er beschreibt die Lage der Menschen so: "Sie müssen sich eine Stadt vorstellen, die zum Teil in Trümmern liegt, eine einzige Baustelle. Dazu der allgegenwärtige Klang von Generatoren, die einzige Möglichkeit, Strom zu bekommen. Der Wasserturm wurde nicht zerstört, aber auch er wird mit Generatoren betrieben und Wasser gibt es nur für ein paar Stunden am Tag."

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Und weiter: "Durch die Rückeroberung der östlich von Kobanê gelegenen Stadt Tall Abyad durch die kurdischen Kräfte am 16. Juni hat sich die Lage geändert. Bis dahin lag der Ölpreis bei mehr als zwei Euro pro Liter, heute ist er auf acht Cent pro Liter gefallen, das kommt der Mobilität der Menschen und dem Betreiben der Generatoren zugute."

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Massoud Hamid: "Ansonsten ist die Moral der Einwohner der entscheidende Faktor: Auch wenn sie in ständiger Angst vor einem weiteren Angriff leben, bleiben sie kämpferisch und sind bereit, ihre Stadt wiederaufzubauen."

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Der Kampf um Kobanê hat die gemeinsame Identität der Kurden in Syrien, der Türkei und dem Irak gestärkt. Gleichzeitig hat er das Image der Kurden im Westen verändert. Während die Volksgruppe bisher vor allem als Problem wahrgenommen wurde und ihre bewaffneten Einheiten oft als "Terroristen" bezeichnet wurden, hat sie sich im Angesicht der Bedrohung durch den IS zu einem legitimen Partner des Westens entwickelt.

© SZ.de/jly/jobr/odg
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