Europäische Union:Baerbock will den Visa-Streit entschärfen

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Eine Bundespolizistin kontrolliert am Flughafen eine Reisende aus Sankt Petersburg. (Foto: Fabian Sommer/DPA)

Die Bundesregierung schlägt erhebliche Einschränkungen für Reisende aus Russland vor - will aber nicht alle Touristen aussperren.

Von Daniel Brössler und Josef Kelnberger, Meseberg/Prag

Die Bundesregierung will den Konflikt um die Vergabe von Visa an russische Staatsbürger mit einem Kompromissvorschlag entschärfen, der erhebliche Einschränkungen für Reisen aus Russland in die Europäische Union vorsieht. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kündigte am Dienstag vor Beginn eines informellen Treffens der EU-Außenminister in Prag einen Vorschlag an, der in der Mitte "zwischen denjenigen liegt, die sagen, es darf gar keine Visa mehr geben, und denjenigen, die sagen: Wir machen einfach weiter wie bisher, als wäre in den letzten sechs Monaten nichts passiert". Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine fordern insbesondere östliche EU-Länder und Finnland einen Visa-Stopp. Zahlreiche Länder, darunter Deutschland, Frankreich und Österreich, lehnen das ab.

Am Rande der Kabinettsklausur in Meseberg präsentierte Baerbock am Dienstag einen Vorschlag mit drei Komponenten. So soll ein Abkommen mit Russland über Visaerleichterungen, das im Jahr 2007 verabschiedet wurde, komplett ausgesetzt werden. Bislang wurden wegen des Angriffs auf die Ukraine nur die Erleichterungen für Geschäftsreisende, Diplomaten und Geschäftsleute nicht mehr angewandt. Außerdem sollen russischen Staatsangehörigen keine Visa für mehrfache Einreisen und mehrere Jahre erteilt werden. Besonderes betroffene Länder sollten zudem "sehr genau prüfen" können, zu welchem Zweck Visa erteilt würden.

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Baerbock verwies auf die baltischen Staaten mit großen russischen Minderheiten und direkten Grenzen zu Russland. Außerdem gebe es Länder, die "Hauptziel für Sommerreisen von russischen Staatsbürgern sind, die eine sehr, sehr große Nähe zum russischen Regime haben". Der Bundesregierung sei aber wichtig, dass Gegner des russischen Regimes weiterhin Zuflucht in Deutschland finden könnten, betonte Baerbock.

Gemeinsam mit Frankreich hatte die deutsche Regierung vor der Sitzung in Prag ein Positionspapier verfasst. "Wir sollten über kluge Wege nachdenken, um den wichtigen Hebel der Visaerteilung zu nutzen", heißt es laut Deutscher Presse-Agentur in dem Text. Einen totalen Visastopp für Urlaubsreisende lehnen die beiden Regierungen ab. Man solle den Einfluss, der von der unmittelbaren Erfahrung des Lebens in Demokratien ausgehen kann, nicht unterschätzen, heißt es. "Unsere Visapolitik sollte dies widerspiegeln und weiterhin in der EU zwischenmenschliche Kontakte zu russischen Staatsangehörigen ermöglichen, die nicht mit der russischen Regierung in Verbindung stehen." Vor allem soll Studierenden, Künstlern, Wissenschaftlern und Fachkräften die Einreise in die EU ermöglicht werden. Die beiden Regierungen befürchten zudem, ein totaler Visastopp könnte Wladimir Putin in die Hände spielen und dazu führen, dass sich seine Landsleute mit ihm solidarisieren.

Die tschechische Regierung, die derzeit die Ratspräsidentschaft in der EU innehat, vergibt wie etliche andere Länder schon seit Längerem keine Kurzzeit-Visa für Touristen mehr. "Wir sind davon überzeugt, dass man ein klares Signal an die russische Gesellschaft aussenden muss", sagte der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala am Montag nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz.

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