Bundeswehr:Wie Deutschland an der Sicherheit spart

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Leopard-Panzer der Bundeswehr auf dem Weg zu einer deutsch-niederländischen Militärübung. (Foto: Bernd Wüstneck/dpa)

Experten haben errechnet, dass Berlin seine Verteidigungsausgaben massiv aufstocken müsste, um internationale Zusagen einzuhalten.

Von Mike Szymanski, Berlin

Deutschland müsste die Rüstungsausgaben in den kommenden Jahren drastisch steigern, um seine finanziellen Zusagen bei den internationalen Partnern einzuhalten. Dies geht aus einer Analyse des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Grundlage ist das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel der Nato, das auf eine Vereinbarung aus dem Jahr 2014 zurückgeht. Deutschland hat damals wie die anderen Nato-Partner zugesagt, sich bis 2024 dem Ziel anzunähern, wenigstens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben.

Davon sieht der Autor der Studie, Hubertus Bardt, die Bundesrepublik aber weit entfernt. "Über die Jahre konnte die Nato-Zielgröße nur zu zwei Dritteln erreicht werden", heißt es in der Studie. In der Haushaltsplanung bis 2024 sei zudem "keine substanzielle Verbesserung" vorgesehen.

Um zu veranschaulichen, wie weit die Bundesregierung hinter den Erwartungen der Partner zurückbleibt, hat das Wirtschaftsinstitut ausgerechnet, wie viel Geld zusätzlich von 2021 bis 2024 ausgegeben werden müsste, um das Nato-Ziel in diesem Zeitraum durchgehend zu erreichen: 86 Milliarden Euro. Das entspricht knapp doppelt so viel Geld wie der aktuelle Verteidigungsetat umfasst.

Die Höhe der Verteidigungsausgaben ist ein Dauerstreitthema innerhalb der Allianz. Weil Deutschland das Nato-Ziel regelmäßig verfehlt, hatte der Vorgänger des neuen US-Präsidenten Joe Biden, Donald Trump, die Bundesregierung immer wieder scharf kritisiert und Pläne wie jene zum Abzug von US-Soldaten aus Deutschland mit Deutschlands Zurückhaltung in dieser Frage begründet. Auch die neue US-Regierung hält an der Zwei-Prozent-Vorgabe fest, schlägt aber keinen derart aggressiven Ton mehr an.

Das Ausgabenziel ist in der Bundespolitik hoch umstritten

Das Institut der Wirtschaft hat sich die Ausgaben der vergangenen Jahre genauer angeschaut. "Jahr für Jahr bewegte sich der Anteil der gemeldeten Ausgaben am BIP bei unter 1,4 Prozent, 2015 konnten nicht einmal 1,2 Prozent erreicht werden." Der aktuelle Anstieg auf gut 1,5 Prozent im Jahr 2020, auf den auch Kanzlerin Angela Merkel jüngst verwies, sei allerdings ein "krisenbedingter Effekt infolge des starken Rückgangs der Bezugsgröße BIP". Die Corona-Pandemie hat zeitweise große Teile der Wirtschaft lahmgelegt. "Mit der einsetzenden Erholung der Wirtschaft wird dieser Einmaleffekt wieder zurückgehen", prognostiziert der Wirtschaftsforscher.

In der Bundespolitik ist das Ausgabenziel für Rüstung hoch umstritten. In der schwarz-roten Koalition halten große Teile der SPD einen solchen Kostenanteil für Rüstung gemessen an den anderen Aufgaben des Staates für viel zu hoch. Die SPD hatte aber in den vergangenen Jahren Etatsteigerungen teils in Milliardenhöhe für die Bundeswehr mitgetragen und dies mit notwendigen Investitionen in Ausrüstung für die Truppe begründet. Eine "Aufrüstungspolitik" werde aber entschieden abgelehnt.

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Generalsekretär Jens Stoltenberg will, dass die Ausgaben für Abschreckung und Verteidigung deutlich steigen. Doch sieht es so aus, als spielten längst nicht alle Partner des Militärbündnisses mit.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) kämpft für das Nato-Ziel und weitere Haushaltsmilliarden. Laut vertraulicher Dokumente aus ihrem Ressort fehlt derzeit für 15 größere Rüstungsvorhaben die Finanzierung. Dazu zählen Ersatz für die altersschwachen Tornado-Kampfjets und schweren Transporthubschrauber, zusätzliche Panzer und eine moderne Drohnen-Abwehr.

Das Kölner Institut hat Deutschlands Verteidigungsausgaben auch im internationalen Vergleich betrachtet und insbesondere die Etats in Frankreich und Großbritannien untersucht. Hätten sich die Länder demnach bereits 1990, also mit dem Ende des Kalten Krieges, auf ein verbindliches Niveau der Verteidigungsausgaben von zwei Prozent des BIP geeinigt, hätte Frankreich in den vergangenen drei Dekaden 80 Milliarden US-Dollar und das Vereinigte Königreich 186 Milliarden US-Dollar einsparen können, weil sie das Ziel übererfüllten. Deutschland hingegen hätte 619 Milliarden US-Dollar zusätzlich aufwenden müssen.

Der Verfasser kommt zu dem Ergebnis: "Deutschland hat verglichen mit Frankreich und dem Vereinigten Königreich die mit Abstand höchsten und dauerhaftesten Einsparungen als eine Friedensdividende nach dem Ende des Kalten Kriegs realisieren können."

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