Nato:So verbündet sind die Alliierten nicht

Nato: Die Zukunft im Blick - oder doch nicht? Bundeswehrsoldaten 2017 in Rukla in Litauen zusammen mit Soldaten des multinationalen Gefechtsverbandes mit einer Nato-Fahne.

Die Zukunft im Blick - oder doch nicht? Bundeswehrsoldaten 2017 in Rukla in Litauen zusammen mit Soldaten des multinationalen Gefechtsverbandes mit einer Nato-Fahne.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Generalsekretär Jens Stoltenberg will, dass die Ausgaben für Abschreckung und Verteidigung deutlich steigen. Doch sieht es so aus, als spielten längst nicht alle Partner des Militärbündnisses mit.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg droht mit seinen Bemühungen um eine deutliche Steigerung der Gemeinschaftsausgaben für Abschreckung und Verteidigung zu scheitern. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur haben etliche Alliierte in bündnisinternen Beratungen deutlich gemacht, dass sie nicht bereit sind, so weitreichende Vorschläge zu unterstützen. Da die Nato Entscheidungen nach dem Konsensprinzip trifft, dürfte es demnach keine grundlegende Reform der Finanzierung von Abschreckung und Verteidigung geben.

Stoltenberg hatte Mitte Februar im Rahmen seiner Reforminitiative "Nato 2030" vorgeschlagen, die Kosten für Maßnahmen innerhalb des Bündnisgebiets wesentlich stärker zu vergemeinschaften. Demnach sollten Nato-Mitglieder nicht mehr alle Kosten selbst tragen müssen, wenn sie sich zum Beispiel an der Stationierung von Truppen im Baltikum, an Übungen oder an Luftüberwachungseinsätzen beteiligen. Wenn ein Teil der Kosten für solche Aktivitäten aus der Gemeinschaftskasse komme, werde das Alliierte dazu anregen, mehr Fähigkeiten bereitzustellen, argumentierte der Norweger.

Gemeinsam mehr Geld auszugeben, würde zudem das Versprechen zur gegenseitigen Verteidigung untermauern und zu einer faireren Lastenteilung beitragen. Etliche der 30 Alliierten sehen ein solches System allerdings sehr kritisch. So wird argumentiert, dass Anstrengungen für die gemeinsame Sicherheit und kollektive Verteidigung selbstverständlich seien und nicht von Bezahlung abhängig gemacht werden sollten. Zudem erinnert der Vorschlag nach Ansicht von Kritikern an die "Cash-for-troops"-Überlegungen der Regierung des Ex-US-Präsidenten Donald Trump.

Diese sahen vor, dass die USA den Bündnispartnern für die Stationierung von US-Truppen saftige Rechnungen ausstellen. Bislang zahlt etwa Deutschland nur Zuschüsse zum Beispiel für Baukosten der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik. Wie aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine schriftliche Frage der Linken-Abgeordneten Sevim Dağdelen hervorgeht, lagen die Kosten für den Aufenthalt ausländischer Truppen in Deutschland im vergangenen Jahr bei 48,3 Millionen Euro. Zum Vergleich: Allein die USA gaben 2020 schätzungsweise 785 Milliarden Dollar (659 Mrd. Euro) für Verteidigung aus, wobei das gemeinschaftliche Militärbudget der Nato in dem Jahr auf 1,5 Milliarden Euro veranschlagt wurde.

Zu weiteren Vorschlägen Stoltenbergs, die von Alliierten skeptisch gesehen werden, zählen nach dpa-Informationen der Aufbau eines neuen Bündniskommandos für Ausbildungseinsätze und neue Vorgaben zu Mindeststandards für die Widerstandsfähigkeit von kritischer Infrastruktur. Ein weiteres Kommando werde von einigen Alliierten als überflüssig angesehen, heißt es. Beim Thema Resilienz befürchteten Mitgliedstaaten eine inakzeptable Beschneidung nationaler Kompetenzen.

Deutlich positiver werden hingegen Initiativen des Generalsekretärs gesehen, die auf eine intensivere Beschäftigung mit den sicherheitspolitischen Konsequenzen des Klimawandels und eine Stärkung der transatlantischen Zusammenarbeit bei der Entwicklung neuer und revolutionärer Technologien abzielen. Als konsensfähig gilt zudem ein Plan, das strategische Konzept zu überarbeiten und zusätzliche Konsultationen einführen, um die politische Koordinierung zu stärken. So ist im Gespräch, künftig einmal im Jahr auch ein informelles Treffen der Außenminister zu organisieren.

Das erste könnte nach Angaben aus Bündniskreisen noch in diesem Halbjahr zur Vorbereitung des geplanten Gipfeltreffens organisiert werden. Bei ihm sollen der neue US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs abschließend entscheiden, welche Reformprojekte umgesetzt werden. Ein Termin für den Gipfel gibt es noch nicht. Als eine Option gilt, ihn im Juni vor oder nach dem G7-Treffen in Großbritannien zu organisieren.

Aus Stoltenbergs Stab hieß es, die Gespräche über die Reformvorschläge würden sehr konstruktiv geführt und stünden erst am Anfang. Diplomaten aus Mitgliedstaaten betonten, es gebe weiter sehr breite Unterstützung für den Generalsekretär - auch wenn ein Teil seiner Reformvorschläge bei einigen auf erhebliche Ablehnung stoße.

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