Verfassungsrichter-Wahl:Unionsfraktion zweifelt an Lammerts Reformvorschlag

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Bundestagspräsident Lammert will die Bundesverfassungsrichter künftig durch den gesamten Bundestag wählen lassen, bisher ist dafür nur der zwölfköpfige Wahlausschuss zuständig. Doch mit der Forderung nach mehr Transparenz löst er in seiner Partei wenig Begeisterung aus.

Robert Roßmann, Berlin

Die Spitze der Unionsfraktion reagiert zurückhaltend auf die Forderung von Bundestagspräsident Norbert Lammert, die Wahl der Bundesverfassungsrichter transparenter zu gestalten. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, warnte jetzt vor vorschnellen Änderungen.

Norbert Lammert will mehr Transparenz bei der Wahl der Verfassungsrichter. (Foto: dpa)

Grosse-Brömer sagte der Süddeutschen Zeitung, in "der aktuellen öffentlichen Diskussion" dürfe "die Besetzung des höchsten deutschen Gerichts auf keinen Fall politisch instrumentalisiert" werden. Nur so könne die "Qualität und Unabhängigkeit der verfassungsgerichtlichen Arbeit" gewahrt bleiben. In der Unionsfraktion wird darauf hingewiesen, dass man mit dem Ergebnis der Verfassungsrichterauswahl in Deutschland bisher nicht schlecht gefahren sei.

Die 16 Richter des Bundesverfassungsgerichts werden je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat bestimmt. Im Bundestag übernimmt diese Aufgabe der zwölfköpfige "Wahlausschuss", dem auch Grosse-Brömer angehört.

Das Gremium ist im Grundgesetz nicht vorgesehen, seine Mitglieder tagen vertraulich. Lammert hatte sich deshalb in der Süddeutschen Zeitung für eine Wahl der Richter durch alle Abgeordneten des Bundestags ausgesprochen.

Befürworter des geltenden Systems argumentieren dagegen, das Ansehen der Karlsruher Richter könnte leiden, wenn ihre Wahl auf dem öffentlichen Markt ausgetragen würde. Durch die Beratungen im nicht-öffentlichen Wahlausschuss könnten leichter Entscheidungen getroffen werden, die die Qualität und Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts garantierten. Grosse-Brömer sagte, der Wahlausschuss habe "darauf immer Wert gelegt". Für die Wahl von Verfassungsrichtern in dem Gremium ist eine Zweidrittel-Mehrheit nötig.

Lammert hatte die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der die langjährige Praxis der Richterwahl durch den zwölfköpfigen Ausschuss als verfassungsgemäß gebilligt wurde, als "erstaunlich" bezeichnet. Die Entscheidung "enttäuscht im Vergleich zu den Ansprüchen des Bundesverfassungsgerichts zur unaufgebbaren parlamentarischen Gesamtverantwortung in anderen Angelegenheiten", sagte Lammert.

"Die Wahl in öffentlicher Sitzung vorzubehalten"

Der Parlamentspräsident bezog sich damit auf das Urteil vom Februar zum sogenannten Neunergremium des Bundestags: Der Zweite Senat hatte dessen weitreichende Befugnisse zur Eurorettung für verfassungswidrig erklärt, weil der Bundestag "Entscheidungen von erheblicher Tragweite" grundsätzlich im Plenum treffen müsse - auch um eine öffentliche Diskussion zu gewährleisten. "Angesichts der erheblichen Bedeutung, die dem Verfassungsgericht über das eigene Land hinaus zunehmend auch im europäischen Integrationsprozess zu kommt, wäre es wohl plausibler, die Wahl seiner Mitglieder dem Plenum der Abgeordneten in öffentlicher Sitzung vorzubehalten", sagte Lammert.

Im Wahlausschuss des Bundestag sitzen derzeit fünf Abgeordnete der Union, drei der SPD, zwei der FDP sowie je ein Linker und ein Grüner. Prominenteste Mitglieder sind Unionsfraktionschef Volker Kauder, Ex-Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast. Der Ausschuss hat keinen Vorsitzenden, zu seinen Sitzungen lädt jeweils das älteste Mitglied.

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