Vereinte Nationen:Sicherheitsrat fordert Feuerpausen in Gaza

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Am Donnerstag nimmt der Sicherheitsrat im UN-Hauptquartier in New York eine völkerrechtlich bindende Resolution mit der Forderung nach tagelangen Feuerpausen im Gazastreifen an. (Foto: Loey Felipe/dpa)

Israel lehnt die Forderung ab und plant wohl, seine Operationen auch in den Süden des Gazastreifens auszuweiten. Am Al-Schifa-Krankenhaus finden israelische Soldaten nach Armeeangaben eine getötete Geisel.

Von Nicolas Freund

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat am Mittwochabend zu einer längeren humanitären Feuerpause im Gazastreifen und zur Einrichtung sicherer Korridore aufgerufen. Dadurch solle die Lieferung von Hilfsgütern durch UN-Organisationen ermöglicht werden. Außerdem wurde die sofortige Freilassung aller von der Terrororganisation Hamas festgehaltenen Geiseln gefordert. Der Angriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober, bei dem mehr als 1200 Menschen getötet wurden und der zu den anhaltenden Kämpfen in Gaza geführt hat, wird nicht verurteilt. Die Resolution war von dem nichtständigen Sicherheitsratsmitglied Malta verfasst worden.

Frühere Versuche des Gremiums, eine Resolution zu Gaza zu verabschieden, waren an den Vetos der Mitglieder gescheitert. Zwölf der 15 Mitglieder stimmten nun für den Vorschlag vom Mittwoch, die ständigen Mitglieder USA, Russland und Großbritannien enthielten sich aber. Der Sicherheitsrat besteht neben den genannten derzeit aus Albanien, Brasilien, Ecuador, Gabun, Ghana, Japan, Mosambik, der Schweiz und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie den weiteren ständigen Mitgliedern Frankreich und China. Russland war zuvor damit gescheitert, in der Resolution statt Feuerpausen einen Waffenstillstand zu fordern. Ein Waffenstillstand gilt als formaler als eine Feuerpause. Teilweise wird befürchtet, ein längeres Aussetzen der Kampfhandlungen in Gaza könne vor allem der Hamas nutzen.

Die Antwort aus Israel: keine Unterbrechung der Kampfhandlungen

Israel lehnte die Forderung der Vereinten Nationen nach einer Feuerpause noch am selben Abend ab. Es werde keine solchen Unterbrechungen der Kampfhandlungen geben, solange die noch immer 239 Geiseln von der Hamas festgehalten werden, teilte das israelische Außenministerium mit. "Israel erwartet vom Weltsicherheitsrat, die Hamas eindeutig zu verurteilen und sich zu der Notwendigkeit zu äußern, im Gazastreifen eine neue Sicherheitslage zu schaffen", hieß es weiter in der Stellungnahme zu der UN-Resolution. Die UN teilten am Donnerstag in Genf mit, es gebe keine Möglichkeit, Israel zur Umsetzung der Resolution zu zwingen. "Was die humanitäre Hilfe angeht, kann ich nur hoffen, dass dies endlich und dringend umgesetzt wird", sagte Volker Türk, der UN-Hochkommissar für Menschenrechte.

Trotz der Enthaltung der USA bei der Abstimmung über die Resolution teilte die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield mit: "Die Maßnahmen der Hamas verringern nicht die Verantwortung Israels, unschuldige Menschen in Gaza zu schützen." Auch US-Präsident Joe Biden hat nach eigenen Angaben dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu mitgeteilt, dass er eine Besetzung des Gazastreifens für einen Fehler halte. Gleichzeitig betonte der israelische Präsident Isaac Herzog in einem Interview, es müsse sichergestellt werden, dass in Gaza kein Machtvakuum entstehe und von dort wieder Terror ausgehen könne.

Die Enklaven im Süden sollen kampffrei bleiben

Die israelische Armee soll unterdessen nun auch die Menschen im südlichen Teil des Gazastreifens aufgerufen haben, sich in Sicherheit zu bringen. Zuvor waren sichere Zonen im Süden der Enklave eingerichtet worden und die Kämpfe hatten sich vor allem auf den nördlichen Teil um Gaza-Stadt konzentriert. Diese ursprünglich eingerichteten Zonen am Meer sollen laut israelischen Medienberichten nach wie vor von den Kampfhandlungen ausgenommen werden.

In einem Video der israelischen Streitkräfte zeigt ein Offizier Taschen mit Waffen in einem Raum des Al-Schifa-Krankenhauses. (Foto: Israel Defense Forces/Reuters)

Nach Angaben von UN-Hilfsorganisationen sollen sich derzeit Hunderttausende Geflüchtete unter äußerst schwierigen Bedingungen im südlichen Teil des Gazastreifens aufhalten. Es wird vor der Ausbreitung von Krankheiten gewarnt. Laut einem Sprecher der israelischen Armee solle es am Donnerstag tagsüber Kampfpausen geben, um den Menschen die Flucht zu ermöglichen.

Laut palästinensischen Quellen hat die israelische Armee außerdem zum zweiten Mal das Al-Schifa-Krankenhaus "gestürmt". Auch ein israelischer Militärsprecher teilte am Mittwochabend mit, der Einsatz dauere noch an. Man habe in dem Gebäude "Kampfausrüstung" und ein "Einsatzzentrum" der Hamas entdeckt. Es ist bekannt, dass die Hamas bewusst in und unter zivilen Gebäuden in Gaza Lagerräume für Waffen und Kommandostellen eingerichtet hat. Die genaue Lage in dem Krankenhauskomplex ist aber noch immer unklar.

Dort haben die Soldaten inzwischen auch die Leiche einer Geisel gefunden, wie die Armee am Donnerstag mitteilte. Es handelt es sich um eine 65-jährige Israelin. Die Hamas hat etwa 240 Menschen nach Gaza verschleppt. Die Situation der allermeisten von ihnen ist ungewiss.

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