Öffentlicher Dienst:Eskalation mit Ansage

Lesezeit: 2 min

In Schwerin hatten Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes bereits Anfang der Woche gestreikt. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Verdi weitet die Warnstreiks im öffentlichen Dienst aus. In den kommenden Wochen werden voraussichtlich unter anderem Krankenpfleger und Erzieher ihre Arbeit niederlegen.

Von Benedikt Peters

Verdi weitet die Warnstreiks im öffentlichen Dienst aus. Das zweite Verhandlungstreffen der Tarifrunde für die 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst endete am Donnerstagabend ohne Einigung. Das Angebot der Arbeitgeber sei "respektlos", sagte Verdi-Chef Frank Werneke, bei den Beschäftigten stoße es auf "Enttäuschung und Ablehnung". Die Arbeitgeber haben eine dauerhafte Lohnerhöhung von fünf Prozent in zwei Schritten vorgeschlagen, der neue Tarifvertrag solle 27 Monate laufen. Zusätzlich solle es eine Inflationsausgleichsprämie von 2500 Euro geben.

Die Arbeitgeber teilten mit, insgesamt belaufe sich das Angebot auf zwölf Prozent mehr Geld für die Beschäftigten, die Inflationsprämie und weitere Sonderzahlungen eingerechnet. Sie forderten die Gewerkschafter auf, sich nun schnell zu einigen - doch diese setzen trotzdem auf Warnstreiks. Als sicher gilt, dass der Arbeitskampf unter anderem Krankenhäuser und Kitas betreffen wird.

Die Eskalation hatte sich bereits in den vergangenen Wochen abgezeichnet. Die Gewerkschaften gaben sich kampfeslustig und hatten bereits einzelne Verwaltungen, Kitas und Krankenhäuser zu kürzeren Warnstreiks aufgerufen, hinzu kam am vergangenen Freitag ein 24-Stunden-Streik an nahezu allen Flughäfen in Deutschland. Ob es zu noch größeren Streikaktionen komme, hänge von den Arbeitgebern ab, hatte Werneke angekündigt. Um sie zu verhindern, müssten Bund und Kommunen spätestens zur zweiten Verhandlungsrunde, die an diesem Mittwoch und Donnerstag stattfand, "ein Lohnangebot vorlegen, das eine Chance auf Einigung hat".

Frühe Streikaufrufe können Arbeitgeber "nicht nachvollziehen"

Die Arbeitgeber hatten hingegen stets betont, sich nicht treiben lassen zu wollen. "Wir haben vereinbart, dass wir in drei Verhandlungsrunden zu einem Ergebnis kommen wollen", sagte die Verhandlungsführerin der Kommunen, Karin Welge (SPD), im Hauptjob ist sie Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen. Die frühen Streikaufrufe könne sie "überhaupt nicht nachvollziehen".

In den Gesprächen habe eine konstruktive Atmosphäre geherrscht, so war aus Verhandlungskreisen zu hören, dennoch lägen die beiden Seiten noch weit auseinander. Verdi und die anderen beteiligten Gewerkschaften - der Beamtenbund, die IG Bau, die Bildungsgewerkschaft GEW und die Gewerkschaft der Polizei - verlangen 10,5 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten.

Für viele der 2,5 Millionen Beschäftigten liegt die Lohnforderung aber noch deutlich höher, was an dem monatlichen Mindestbetrag liegt, auf den Verdi besteht: Jeder öffentlich Bedienstete soll künftig auf 500 Euro brutto mehr kommen. De facto entspräche das für viele einer Gehaltserhöhung von 15 bis 20 Prozent.

Die Gewerkschafter rechtfertigen das einerseits mit der Inflation, die im vergangenen Jahr bei 7,9 Prozent lag und auch 2023 Prognosen zufolge hoch bleiben soll. Außerdem seien die Löhne in den vergangenen Jahren im öffentlichen Dienst langsamer gestiegen als in der Wirtschaft. Sie verweisen auch auf die vielen offenen Stellen - nach Gewerkschaftsangaben etwa 300 000 - und fordern, der öffentliche Dienst müsse dringend attraktiver werden.

Kommunen argumentieren mit hoher Verschuldung

Die Kommunen argumentieren, sie könnten die hohen Lohnzuwächse kaum bezahlen, viele seien hoch verschuldet. Verdi müsse von der 500-Euro-Forderung abrücken, sagte Verhandlungsführerin Welge - nicht nur, weil das zu viel Geld sei. "Ein solcher Mindestbetrag ist das völlig falsche Signal in einer Zeit, in der die Motivation, Führungskraft oder Verantwortungsträger zu werden, nachgelassen hat." Bei den Verhandlungen am Mittwoch und Donnerstag ließ Welge sich vertreten, da sie an Corona erkrankt ist.

Das Beste aus der Süddeutschen Zeitung
:SZ am Sonntag Newsletter

Jeden Sonntag das Beste, was die Süddeutsche Zeitung zu bieten hat: Spannende Reportagen, inspirierende Interviews und berührende Geschichten.

Die Hoffnungen, trotz der gegensätzlichen Positionen vielleicht doch eine schnelle Einigung herbeizuführen, ruhten vor allem auf Innenministerin Nancy Faeser. Einerseits vertritt die SPD-Politikerin in den Verhandlungen die Arbeitgeberseite des Bundes, andererseits ist sie an einem guten Lohnabschluss für die Beschäftigten interessiert - auch, weil sie im Herbst die Landtagswahl in Hessen gewinnen möchte.

Sie sei "zuversichtlich, dass wir am Verhandlungstisch gemeinsam mit den Gewerkschaften am Ende zu einer fairen Einigung kommen werden", hatte Faeser vor der Runde gesagt. Doch diese Einigung wird noch einige Wochen auf sich warten lassen, so viel ist nun klar. Das nächste Verhandlungstreffen soll vom 27. bis zum 29. März stattfinden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungÖffentlicher Dienst
:Diese Streiks sind nicht schlimm, aber unnötig

Die Gewerkschaften sowie Bund und Kommunen sollten sich bei ihren Tarifverhandlungen bald einigen. Die Instrumente dazu kennen sie.

Kommentar von Benedikt Peters

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: