Venezuela:Hektik vor den Wahlen

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Präsident Nicolás Maduro bei einer Gedenkveranstaltung für seinen Vorgänger Hugo Chávez Ende Februar. (Foto: Ariana Cubillos/AP)

In Venezuela steht endlich ein Termin für die Stimmabgabe, nun drängt die Zeit: Die Opposition muss sich noch auf einen Kandidaten einigen, Wähler müssen sich registrieren. Machthaber Nicolás Maduro meint derweil, das Endergebnis schon zu kennen.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Und auf einmal muss alles ganz schnell gehen: Jahrelang hat die Opposition in Venezuela mit der Regierung von Machthaber Nicolás Maduro um die Abhaltung von halbwegs freien und möglichst fairen Wahlen gerungen. Jetzt endlich steht ein Termin fest, gleich aber gibt es das nächste Problem: Die Zeit ist knapp.

Schon am 28. Juli dieses Jahres sollen die Menschen in dem südamerikanischen Land über einen neuen Staatschef oder eine neue Staatschefin abstimmen. Das Datum ist dabei nicht zufällig gewählt: Zum einen jährt sich an dem Tag zum 70. Mal die Geburt von Hugo Chávez, dem linken Caudillo und Namensgeber des sogenannten chavismo. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert ist die linke politische Bewegung in Venezuela ununterbrochen an der Macht, erst mit Chávez selbst, dann mit seinem Nachfolger, dem Amtsinhaber Nicolás Maduro. Und weil sich nach Willen der aktuellen Regierung auch in Zukunft an diesem Kräfteverhältnis nichts ändern soll, ist der Wahltermin darum wohl auch ein Signal an die Basis: Stimmt für uns, im Andenken an Chávez!

In Umfragen sieht es für Maduro nicht gut aus

Dazu kommt aber noch ein zweiter Punkt: Denn der 28. Juli liegt zwar in der zweiten Jahreshälfte, und das wiederum war eine der Bedingungen, auf die sich die Regierung in Caracas im letzten Herbst in einem zäh ausgehandelten Abkommen eingelassen hatte. Der Termin ist dabei aber auch so knapp gewählt, dass sich daraus vor allem für die Opposition gleich eine ganze Reihe von Problemen ergibt.

Stimmen erhofft sie sich vor allem auch von den jungen Menschen in Venezuela, denen also, die oft gar keine andere Regierung kennen als die der Chavisten, und die nun angesichts immer noch schwerer Wirtschaftsprobleme einen Wechsel herbeisehnen. Die meisten Erstwähler aber müssen sich vor dem Urnengang erst mal registrieren, andere zumindest ihre Daten aktualisieren. Das ist ein Problem in Venezuela, wo Behörden schon zu normalen Zeiten im Ruf stehen, schleppend langsam zu arbeiten.

Der Nationale Wahlrat Venezuelas sagt nun, es gäbe spezielle Termine für die Behördengänge vor der Wahl - allerdings enden diese bereits am 16. April. Vor allem für die rund acht Millionen Venezolaner, die seit 2015 ihr Land verlassen haben, ist jetzt Eile geboten, wollen sie noch ihre Daten aktualisieren oder sich registrieren, um zu wählen.

Wer für die Regierungspartei antritt, ist schon klar: Nicolás Maduro, der Amtsinhaber. Volksversammlungen sollen sich im ganzen Land für seine Kandidatur ausgesprochen haben, vermeldeten die Staatsmedien am vergangenen Wochenende stolz. "Venceremos", schrieb der Präsident dann selbst noch in seinen sozialen Netzwerken: Wir werden siegen! Die meisten Umfragen im Land sehen das allerdings anders: Noch Ende Februar sagten lediglich 14 Prozent von 1200 Befragten aus mehreren Städten des Landes, dass sie für Maduro stimmen würden, wären am nächsten Wochenende Wahlen.

Die Kandidatin der Opposition wurde gerichtlich von den Wahlen ausgeschlossen

Allerdings gibt es bei diesen Vorhersagen eine große Unbekannte: Es ist noch nicht klar, wer bei den Wahlen letztendlich gegen Maduro antreten wird. Dabei drängt auch hier die Zeit: Obwohl der Termin für den Urnengang überhaupt erst am 5. März bekannt gegeben worden ist, bleibt für die Einschreibung von Kandidaten lediglich Zeit bis zum 25. dieses Monats. In weniger als drei Wochen müssen sich die Parteien also darauf einigen, wen sie ins Rennen schicken. Und vor allem für die bürgerlich-konservative Opposition in Venezuela ist das ein gewaltiges Problem.

Die Wunschkandidatin der Opposition, María Corina Machado, spricht vor Anhängern in Mariara, Venezuela. (Foto: Gabriela Oraa/AFP)

Dabei hatte sie sich eigentlich schon im Oktober in Vorwahlen auf eine gemeinsame Kandidatin geeinigt: Corina Machado, eine ehemalige Kongressabgeordnete, die Maduro und seine Regierung in der Vergangenheit als "Mafia" beschimpft hat und versprach, die staatliche Ölgesellschaft PDVSA zu privatisieren, sollte sie die Wahlen gewinnen. Lange war Machado für viele Venezolaner eher zweite Wahl, mittlerweile aber sind so gut wie alle prominenten Politiker der bürgerlich-konservativen Opposition im Ausland oder dürfen bei den Wahlen nicht antreten. Bei den Vorwahlen bekam Machado darum rund 90 Prozent der Stimmen. Das wiederum ließ bei der Regierung alle Alarmglocken läuten - auch, weil die Beteiligung mit fast 2,5 Millionen Wählern wohl viel höher war, als erwartet.

Machado, so viel ist klar, hätte für Maduro und seine Regierung eine ernsthafte Gefahr werden können. Und dass genau sei der Grund, sagen deren Kritiker, wieso die Kandidatin von einem Gericht von den Wahlen ausgeschlossen wurde, für 15 Jahre und offiziell wegen angeblichen "finanziellen Unregelmäßigkeiten" während ihrer Zeit als Abgeordnete. In den vergangenen Wochen und Monaten wurden dazu mehrere Mitglieder ihres Kampagnenteams verhaftet, und es gab Angriffe auf Anhänger bei öffentlichen Veranstaltungen.

"Ich werde Nicolás Maduro ersetzen!"

Vor Ablaufen der Registrierungsfrist muss die bürgerlich-konservative Opposition nun entscheiden, ob bei den Wahlen jemand anderes für sie kandidieren soll - oder aber ob sie bei Machado bleibt, trotz allem. Die 56-jährige Politikerin selbst sagt, das Volk habe ihr ein Mandat erteilt, weshalb sie von einem Ersatzkandidaten nichts wissen wolle: "Der einzige Ersatz bin ich", sagt Machado. "Denn ich werde Nicolás Maduro ersetzen!"

Sie hofft nun auf die Hilfe ihrer Anhänger, die für ihre Teilnahme demonstrieren sollen, sowie auf Druck aus dem Ausland, allen voran durch die USA. Diese hatten Ende letzten Jahres eine ganze Reihe von Sanktionen gegen Venezuela ausgesetzt. So sollte belohnt werden, dass die gegenwärtige Regierung sich auf das Abhalten von Wahlen eingelassen hatte. Nachdem ein Gericht in Caracas dann aber im Januar eine Entscheidung bestätigt hatte, der zufolge Machado nicht kandidieren darf, wurden einige der Zwangsmaßnahmen abermals wieder eingesetzt.

Sollten Nicolás Maduro und sein Kabinett verhindern wollen, dass auch die Sanktionen für den Handel mit Öl und Gas - die beiden wichtigsten Exportgüter Venezuelas - zurückkehren, müssten sie klare Signale senden, dass sie an freien und fairen Wahlen interessiert sind. Auch dafür drängt die Zeit: Sollte Washington die Lockerungen nicht verlängern, laufen sie schon Mitte April aus.

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