Familien:Vom Recht, ein Vater zu sein

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Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt seit Dienstag darüber, ob die Regeln zur Vaterschaftsanfechtung einer Anpassung bedürfen. (Foto: Uli Deck/DPA)

Das Bundesverfassungsgericht hört sich an, was Familienpsychologen zur Rolle leiblicher und nicht-leiblicher Väter sagen. Dabei kommt ein wichtiger Unterschied zur Sprache.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Es geht ums Vatersein an diesem Dienstag im Bundesverfassungsgericht, und man kann gleich zu Anfang beobachten, wie emotional aufgeladen familiäre Konflikte vor Gericht sein können. Geklagt hatte ein 44-jähriger Mann aus der Gegend von Halle, dem die Vaterschaft für sein nachgewiesenermaßen leibliches Kind verwehrt worden ist. Seine damalige Lebensgefährtin hatte sich bald nach der Geburt des Jungen einem anderen Mann zugewandt. Noch während der leibliche Vater das Verfahren um die Anerkennung der Vaterschaft vorantrieb, gelang es dem neuen Mann der Mutter, mit ihrer Hilfe die Vaterschaft wirksam anzuerkennen.

Während sich nun der verdrängte Vater in seiner Verfassungsbeschwerde als fürsorglichen Kümmerer präsentiert, wirft ihm der Anwalt seiner Ex-Partnerin im Gerichtssaal "Falschbehauptungen" vor. Er nutze sein Umgangsrecht, "um sich konfrontativ in die Beziehung hineinzudrängen".

So bekommt man eine Ahnung davon, wie es vor Familiengerichten zugeht. Dabei möchte der Erste Senat des Gerichts - zuständiger Berichterstatter ist Henning Radtke - die Frage auf einer höheren Ebene klären. Wie ist es in solchen Konstellationen, die angesichts hoher Trennungsraten nicht untypisch sind, eigentlich um die Rolle des leiblichen Vaters bestellt? Ist sein Elternrecht, das ja auch irgendwie vom Grundgesetz geschützt ist, zu schwach ausgestaltet?

Die Kenntnis der biologischen Abstammung spielt für Kinder eine große Rolle

Und weil sich solche Fragen nicht allein mit einem Blick in die Gesetzbücher beantworten lassen, hat das Gericht familienpsychologischen Sachverstand zum Verfahren eingeladen. Zentrales Thema: Wie entstehen Bindungen zwischen Eltern und Kindern, wie dauerhaft sind sie - und welche Rolle spielen dabei die Gene?

Peter Zimmermann vom Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen macht deutlich, dass Fürsorge und regelmäßiger Kontakt hier entscheidende Faktoren sind - eine Art von Zuwendung also, die leibliche wie auch andere Väter gleichermaßen aufbringen können. Die Häufigkeit des Kontakts sei hier weniger entscheidend als ihre Zuverlässigkeit und Konstanz, ergänzt Marion Schwarz vom Bundesverband für Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie.

Zimmerman hat allerdings einen wichtigen Unterschied ausgemacht. Es gebe Studien, wonach biologische Väter hier mehr Zeit und Engagement für ihre Kinder investieren als Stiefväter. Die juristische Zuordnung als Vater sei hier nicht entscheidend. Heinz Kindler vom Deutschen Jugendinstitut ergänzt diesen Befund mit einer Beobachtung aus Adoptionsfamilien. Dort spiele für die Kinder die Kenntnis ihrer biologischen Abstammung eine große Rolle. Für sie sei es wichtig, den leiblichen Vater erleben zu dürfen und zumindest die Möglichkeit zu erhalten, eine Beziehung zu ihm aufzubauen. "Das hat einen positiven Einfluss auf ihre Entwicklung."

Wird ein außenstehender leibliche Vater als Störenfried wahrgenommen?

Was das Gericht außerdem wissen will: Wird der leibliche Vater, der sozusagen von außen in eine gelebte soziale Familie hineindrängt, als Störenfried wahrgenommen? Aus Sicht der Kinder machen sich die beiden Väter, der rechtlich-soziale und der leibliche, nicht notwendigerweise Konkurrenz, sagt Zimmermann. "Beide können nebeneinander positiv auf das Kind einwirken." Wobei man hier natürlich - die Wirklichkeit in Familien ist vielfältig - jeweils den Einzelfall betrachten müsse.

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Wie groß freilich das Konfliktpotenzial ist, wenn sich mehr als zwei Elternteile um das Kind scharen, dazu sei die Studienlage noch dünn, gibt Sabine Walper von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie zu Protokoll. Bisher jedenfalls könne man beispielsweise in Stieffamilien nicht beobachten, dass mehr gestritten werde. Aber hier würde man sich mehr Forschung wünschen, sagt Walper. Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.

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